Antisemitismus-Vorwurf gegen Aiwanger Ruf nach Aufklärung aus Bayern und Berlin
Bayerns Wirtschaftsminister Aiwanger steht im Verdacht, als Schüler ein antisemitisches Flugblatt verfasst zu haben. Die Empörung darüber ist nicht nur im Freistaat groß, wo im Oktober gewählt wird. Aiwanger kündigte nun Aufklärung an.
Gegen Bayerns Wirtschaftsminister und Vize-Regierungschef Hubert Aiwanger stehen Vorwürfe im Raum, die über die Grenzen des Freistaats hinaus für empörte Reaktionen sorgen: Einem Bericht der "Süddeutschen Zeitung" zufolge besteht der Verdacht, dass Aiwanger als Elftklässler ein antisemitisches Flugblatt verfasst hat. Der Vorfall soll sich am Burkhart-Gymnasium in Mallersdorf-Pfaffenberg ereignet haben.
In Bayern, wo am 8. Oktober Landtagswahlen anstehen, drängt die Opposition auf eine Sondersitzung des Landtags und fordert Aiwangers Entlassung, sollten sich die Vorwürfe bestätigen. Ministerpräsident Markus Söder, dessen CSU gemeinsam mit Aiwangers Freien Wählern koaliert und bislang erklärt hat, diese Koalition auch fortsetzen zu wollen, sprach von "schlimmen Vorwürfen", die vollständig ausgeräumt werden müssten.
Klingbeil: Söder müsse handeln
SPD-Chef Lars Klingbeil forderte Söder zum Handeln auf. "Was sitzen da eigentlich für Leute in der bayerischen Landesregierung?", fragte Klingbeil auf einem Landesparteitag der nordrhein-westfälischen SPD in Münster. "Solche Leute gehören nicht in Verantwortung in diesem Land." Söder dürfe dazu nicht schweigen.
Der Antisemitismus-Beauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, sagte der "Bild am Sonntag": Sollten die Vorwürfe zutreffen, sei Aiwanger als stellvertretender Ministerpräsident von Bayern oder für andere Ämter "untragbar." Derartige menschenverachtende Äußerungen über Opfer des Holocaust dürften von niemandem - auch nicht Jugendlichen - geäußert werden. Dies müsse Konsens aller demokratischen Parteien sein.
Prien: Schwere Anschuldigungen
Die stellvertretende CDU-Vorsitzende Karin Prien schreibt im Kurznachrichtendienst X (vormals Twitter), die Anschuldigungen gegen Aiwanger seien brisant und wögen sechs Wochen vor der Landtagswahl schwer. Für Aiwanger gelte die Unschuldsvermutung. Es komme jetzt entscheidend darauf an, "ob die Anschuldigungen den Tatsachen entsprechen und belegbar sind". Sollte Aiwanger an dem "widerlich antisemitischen" Pamphlet beteiligt gewesen sein, "dann ist er politisch nur noch zu retten, wenn er unverzüglich und überzeugend sein damaliges Verhalten erklärt, heute ehrliche Einsicht und Reue zeigt".
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) schrieb auf X: "Wer die Opfer von Auschwitz verhöhnt, darf in unserem Land keine Verantwortung tragen."
Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) äußerte sich ebenfals auf X: "Der Vorwurf, jemand sei Antisemit, wiegt schwer. Man sollte ihn nur erheben, wenn man seiner Sache sicher ist und die Beweise eindeutig sind. Wenn das der Fall ist, ist aber eines klar: Für Antisemiten gibt es keinen Platz in der Politik - weder in Mandaten, noch in Staatsämtern!"
Flugblatt auf der Schultoilette
Die Schrift, aus der die "SZ" zitiert und die auch dem Bayerischen Rundfunk vorliegt, tauchte im Schuljahr 1987/88 in der Schultoilette auf. Verfasst wurde sie offenbar anlässlich des "Schülerwettbewerbs Deutsche Geschichte um den Preis des Bundespräsidenten", an dem das Burkhart-Gymnasium teilnahm.
Das Flugblatt wurde aber nicht zu dem Wettbewerb eingereicht, sondern verspottete ihn. Es ruft zur Teilnahme an einem angeblichen Bundeswettbewerb auf: "Wer ist der größte Vaterlandsverräter?" Bewerber sollten sich "im Konzentrationslager Dachau zu einem Vorstellungsgespräch" melden, hieß es darin. Als erster Preis wurde "Ein Freiflug durch den Schornstein in Auschwitz" ausgelobt. Weiter zu gewinnen sei "Ein lebenslänglicher Aufenthalt im Massengrab".
Nach "SZ"-Informationen war Aiwanger damals in der elften Klasse des Gymnasiums, zwei Jahre später legte er dort sein Abitur ab. Augenzeugen, die anonym bleiben wollten, berichteten der Zeitung, Aiwanger sei damals als Urheber des Pamphlets zur Verantwortung gezogen worden. Demnach traf sich deswegen der Disziplinarausschuss der Schule. Aiwanger habe seine Urheberschaft nicht bestritten und sei "bestraft worden".
Aiwanger weist Vorwürfe zurück
Aiwanger äußerte sich rund 24 Stunden nach Veröffentlichung des "SZ"-Artikels öffentlich zu den Vorwürfen. In einer Erklärung teilte er mit, er habe "das fragliche Papier nicht verfasst und erachte den Inhalt als ekelhaft und menschenverachtend". Der Verfasser des Briefes sei ihm bekannt, "er wird sich selbst erklären".
Der "SZ" hatte er über einen Sprecher mitteilen lassen, er habe "so etwas nicht produziert". Er werde "gegen diese Schmutzkampagne im Falle einer Veröffentlichung juristische Schritte inklusive Schadenersatzforderungen" ergreifen.
Aiwanger ist bekannt für heftige Attacken auf seine politischen Gegner, immer wieder wird ihm Populismus vorgeworfen. Zuletzt hatte er im Juni für Aufsehen gesorgt, als er bei einer Demonstration in Erding gegen die "Heizungsideologie" der Bundesregierung gewettert hatte. Die schweigende Mehrheit müsse sich die "Demokratie zurückholen", hatte er damals gesagt.