Einbürgerung und Fachkräfte Was die Ampel beim Thema Migration plant
Die Bundesregierung will mit einem ganzen Bündel von Maßnahmen neue Leitlinien für Zuwanderung und Einbürgerung auf den Weg bringen. Was ist geplant? Was wird daran kritisiert?
Die Ausgangslage
Die Ampelkoalition hat sich in ihrem Koalitionsvertrag vorgenommen, die Migrationspolitik umzukrempeln. Dazu gehören verschiedene Themen, etwa das Aufenthaltsrecht, Einbürgerungen und die Fachkräfteeinwanderung. Für das sogenannte Chancen-Bleiberecht gibt es bereits einen fertigen Gesetzentwurf, über den der Bundestag im Oktober diskutiert hat. Am Freitag stimmt das Parlament darüber ab.
Zur Fachkräfteeinwanderung haben die Ministerien für Inneres, Arbeit, Wirtschaft und Auswärtiges gemeinsam ein Eckpunktepapier ausgearbeitet, das nun im Kabinett beschlossen wurde. Bei den Einbürgerungen gibt es einen ersten Entwurf des Innenministeriums, der nun diskutiert wird.
Was soll sich bei der Fachkräfteeinwanderung ändern?
Die Hürden für Einwanderung sollen verringert und Deutschland damit attraktiver werden für Fachkräfte aus dem Ausland. Vorgesehen ist unter anderem, dass Menschen künftig über ein Punktesystem nach Deutschland einwandern können, auch wenn sie noch keinen Arbeitsplatz vorweisen können.
Drittstaatsangehörigen "mit gutem Potenzial" soll demnach der Aufenthalt zur Suche eines Arbeitsplatzes ermöglicht werden. "Wir werden auf Grundlage eines transparenten, unbürokratischen Punktesystems eine Chancenkarte zur Arbeitsplatzsuche einführen", heißt es in dem Papier. Als Auswahlkriterien werden Qualifikation, Sprachkenntnisse, Berufserfahrung, Deutschlandbezug und Alter genannt.
Das Kabinett hat heute nur die Eckpunkte beschlossen. Innenministerin Nancy Faeser (SPD) erklärte, dass bald auch ein konkreter Gesetzentwurf zur Umsetzung des Vorhabens vorliegen werde. Laut Arbeitsminister Hubertus Heil soll sich der Bundestag Anfang des kommenden Jahres mit den Neuerungen zur Fachkräfteeinwanderung befassen.
Warum ist das wichtig?
Die Bundesregierung begründet ihr Vorhaben mit einem massiven Mangel an Fachkräften. Laut Prognosen des IAB könnten durch den demografischen Wandel Deutschland im Jahr 2035 bis zu sieben Millionen Arbeitskräfte fehlen, wenn nicht massiv Fachkräfte aus dem Ausland angeworben werden.
Welche Regeln gelten bisher?
Lange hatten Menschen aus Nicht-EU-Ländern nur mit einer akademischen Ausbildung unbeschränkt Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt. Seit März 2020 können jedoch auch Fachkräfte mit einer ausländischen Berufsausbildung für sechs Monate einen Aufenthalt zur Arbeitsplatzsuche erhalten (Fachkräfteeinwanderungsgesetz). Dafür benötigen Menschen eine anerkannte berufliche Qualifikation und Deutschkenntnisse. Zudem müssen sie ihren Lebensunterhalt während der Suche selbst bestreiten können.
Die Anerkennung der Gleichwertigkeit beruflicher Abschlüsse sei die wohl größte Hürde, so das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in einer Stellungnahme von Oktober. "Wenn Deutschland die Erwerbsmigration spürbar erhöhen will, wird es mit hoher Wahrscheinlichkeit auf die Gleichwertigkeitsprüfung in der gegenwärtigen Form verzichten oder sie stark reformieren müssen."
Das im Fachkräfteeinwanderungsgesetz verankerte System der Steuerung der Erwerbsmigration orientiere sich an Mindestkriterien, die restriktiv wirken könnten, weil sie alle gleichzeitig erfüllt werden müssten.
Was soll sich bei Einbürgerungen ändern?
Bundesinnenministerin Faeser will, dass die deutsche Staatsbürgerschaft künftig schon nach fünf statt bislang acht Jahren erlangt werden kann. Außerdem soll es möglich sein, neben der deutschen auch andere Staatsangehörigkeiten zu haben. Für Menschen über 67 soll es Erleichterungen beim Sprachnachweis und beim Einbürgerungstest geben. Statt einiger schwammiger Formulierungen sollen konkrete Gründe festgeschrieben werden, wann eine Einbürgerung ausgeschlossen wird.
Die Beratung des umstrittenen Vorhabens steht noch ganz am Anfang und sind von den Plänen zur Fachkräfteeinwanderung getrennt. Faeser will ihren Entwurf demnächst in die Ressortabstimmung geben, danach dürften langwierige Gespräche in der Ampelkoalition beginnen - wo das Vorhaben bei der FDP auf Bedenken stößt. Die Union, die ebenfalls Kritik übt, ist aber weitgehend außen vor - das neue Gesetz wird vermutlich nicht die Zustimmung des Bundesrats benötigen.
Was soll sich beim Chancen-Aufenthaltsrecht ändern?
Über ein weiteres Vorhaben der Ampelkoalition zu Migrationsfragen soll der Bundestag noch in dieser Woche abstimmen. Von dem geplanten Gesetz zum sogenannten Chancen-Aufenthaltsrecht sollen gut integrierte Ausländer profitieren, die schon mehrere Jahre ohne gesicherten Status in Deutschland leben. Wer zum Stichtag fünf Jahre im Land lebt und nicht straffällig geworden ist, bekommt den Plänen zufolge 18 Monate Zeit, um die Voraussetzungen für einen langfristigen Aufenthalt zu erfüllen - dazu gehören etwa Deutschkenntnisse und die Sicherung des eigenen Lebensunterhalts.
Was wird an den Plänen kritisiert?
Der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Thorsten Frei (CDU), warnte davor, "dass man flächendeckend mit dem deutschen Pass um sich wirft". Das angepeilte Punktesystem für eine vereinfachte Einwanderung in den Arbeitsmarkt lehnt er ab.
An der angepeilten Reform des Staatsbürgerschaftsrechts reißt die Kritik ebenfalls nicht ab. Frei sieht hier keinen Handlungsbedarf: Deutschland habe bereits ein liberales Staatsbürgerschaftsrecht. Aus der CSU kam ebenso scharfe Kritik. CDU-Chef Friedrich Merz betonte nun aber: Die Union verschließe sich "einer weiteren Modernisierung des Einwanderungsrechts und des Staatsbürgerschaftsrechts der Bundesrepublik Deutschland nicht. Wir legen allerdings auch Wert darauf, dass die Vergabe der Staatsbürgerschaft am Ende eines Integrationsprozesses stattfindet und nicht am Anfang", ergänzte er.
Auch in Teilen der FDP sind die Pläne zu Einbürgerungen umstritten. FDP-Innenpolitiker Konstantin Kuhle sagte der "Welt": "Noch bevor das geplante Einwanderungsgesetz beschlossen ist, präsentiert das Bundesinnenministerium einen Gesetzentwurf zum Staatsangehörigkeitsrecht. Das ist die falsche Reihenfolge."