Umstrittener Gesetzentwurf Bundesregierung billigt Abschiebepaket
Das Kabinett hat einen Gesetzentwurf zur schnelleren Abschiebung abgelehnter Asylbewerber gebilligt. Die Polizei soll mehr Befugnisse erhalten, der Ausreisegewahrsam soll verlängert werden. Kritik kommt auch aus den eigenen Reihen.
Die Ampelregierung will abgelehnte Asylbewerber ohne Aufenthaltsrecht schneller abschieben. Das Bundeskabinett hat nach Angaben aus Regierungskreisen ein entsprechendes Maßnahmenpaket gebilligt, das Innenministerin Nancy Faeser vorgelegt hatte. Darin ist unter anderem vorgesehen, die Höchstdauer des sogenannten Ausreisegewahrsams von derzeit zehn auf 28 Tage zu verlängern. Dies soll verhindern, dass Abzuschiebende vor einer Rückführung untertauchen.
Polizei und Behörden sollen mehr Durchsetzungsrechte im Abschiebeprozess erhalten. So sollen sie etwa in Gemeinschaftsunterkünften auch in Räumen von Mitbewohnern nach Ausreisepflichtigen suchen dürfen. Zudem sollen Abschiebungen zuvor Geduldeter nicht mehr vorher angekündigt werden, außer bei Familien mit Kindern unter zwölf Jahren. Auch gegen Schleuser soll härter vorgegangen werden. Das Gesetz wird nun im Bundestag beraten.
Schnellere Arbeitsmöglichkeiten für Geflüchtete
Sowohl Bundeskanzler Olaf Scholz als auch Faeser hatten betont, dass man die Abschiebungen beschleunigen müsse. Die Maßnahmen gehören zu einem Migrations-Paket, auf das man sich innerhalb der Ampelkoalition geeinigt hatte. Es umfasst auch Möglichkeiten für Geflüchtete, schneller arbeiten zu können.
Im ersten Halbjahr diesen Jahres lebten 279.098 ausreisepflichtige Menschen in Deutschland. Ende September waren es nach Angaben des Bundesinnenministeriums 255.000. Davon hatten etwa 205.000 eine Duldung, können aktuell also nicht abgeschoben werden. Rund 12.000 Abschiebungen gab es in diesem Jahr laut Ministerium bis Ende September.
Vereinzelte Kritik aus der Ampel
Die für Abschiebungen zuständigen Länder und die Opposition bemängeln, dass Rückführungen nur möglich sind, wenn die Herkunftsländer die Rücknahme der Menschen auch akzeptieren. Dies sei aber oft nicht der Fall. Deshalb verhandelt der Sonderbeauftragte der Bundesregierung, Joachim Stamp, seit Monaten über solche Abkommen.
Auch in den Fraktionen der SPD und Grünen gibt es vereinzelt Kritik an der Gesetzesverschärfung. Die Migrationsexpertin der Grünen-Bundestagsfraktion, Filiz Polat, sieht "unverhältnismäßige Eingriffe in die Grundrechte auf Freiheit, auf Unverletzlichkeit der Wohnung und auf Privatsphäre der Betroffenen". Diese Eingriffe stießen auf einhellige Ablehnung bei Kirchen, Wohlfahrtsverbänden und zivilgesellschaftlichen Organisationen. "Entsprechend werden wir die verfassungsrechtlichen und europarechtlichen Bedenken in den parlamentarischen Beratungen thematisieren", so Polat.
Scharfe Kritik von der Grünen Jugend
Eingriffe in die Grundrechte kritisiert auch die Grüne Jugend. "Dieses Abschiebepaket darf so nicht kommen. Es ist in Teilen verfassungswidrig und in Gänze menschenverachtend", sagte die neue Co-Chefin der Grünen-Nachwuchsorganisation, Katharina Stolla, der Nachrichtenagentur dpa. "Die geplanten Regelungen werden dazu führen, dass Abschiebungen noch traumatisierender werden. Es ist falsch, dass dieses Gesetz im Kabinett - auch unter grüner Zustimmung - so verhandelt und beschlossen wurde", erklärte Stolla.
Die Lage für Geflüchtete sei bedrohlich, Gewalt auf der Flucht und auch hier in Deutschland seien brutale Realität, so Stolla. Nötig seien Lösungen, die den Menschen helfen: Erleichterungen beim Familiennachzug, medizinische Versorgung für Menschen ohne Papiere, Öffnung der Integrationskurse. Das sei auch im Koalitionsvertrag vorgesehen. "Anstatt Geflüchtete zu schützen und Kommunen zu entlasten, rückt die Ampel nach rechts. Was es jetzt braucht, ist eine Politik, die Menschenrechte schützt und soziale Sicherheit schafft", so Stolla.
Nicht genug für die Union
Der CDU gehen die Pläne nicht weit genug. Jeden Tag kämen 1.000 illegale Zuwanderer nach Deutschland, pro Monat würden aber nur 1.000 abgeschoben, kritisierte CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann im ARD-Morgenmagazin. "Das Verhältnis stimmt überhaupt nicht." Es müsse deshalb jetzt reagiert werden.
Der CDU-Politiker forderte "einen großen Migrationspakt". Dazu gehören für Linnemann unter anderem schärfere Grenzkontrollen, die Ausweisung weiterer Länder zu sicheren Herkunftsstaaten und das Umstellen von Geld- auf Sachleistungen für Geflüchtete. Die "Vision" müsse sein, dass nur noch Menschen nach Deutschland kämen, die einen positiven Asylbescheid hätten.
Faeser verteidigt Maßnahmen
Faeser wehrte sich gegen die Kritik. Das verabschiedete "Bündel restriktiver Maßnahmen" sei nötig, um irreguläre Migration nach Deutschland "deutlich zu begrenzen", sagte sie. Sie wies auch zurück, dass es bei den Grünen insgesamt Bedenken gegen ihr Vorhaben gebe. Davon könne nicht die Rede sein, schließlich sei ihr Gesetzentwurf durch das gesamte Kabinett verabschiedet worden. "Da sitzen die Grünen ja mit am Tisch." Dies sei "ein gutes Signal" für die Arbeitsfähigkeit der Bundesregierung.
Um Mitwirkung an der Migrationspolitik hatte zuvor auch CDU-Chef Friedrich Merz Kanzler Scholz in einem Brief gebeten. Es sei ihm "ein wichtiges Anliegen", dass Regierung, Länder und Opposition "gemeinsam zu Vereinbarungen kommen, um die irreguläre Migration nach Deutschland spürbar zu reduzieren", erklärte er in dem Schreiben.
Über das Thema Migration wollen Scholz und die Länder-Spitzen bei der Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) am 6. November beraten. Die Länderchefs sprachen sich bereits im Vorfeld unter anderem für eine Bezahlkarte für Geflüchtete und schnellere und konsequentere Rückführung abgelehnter Asylbewerber aus.