Cannabis-Legalisierung Wie realistisch sind die Ampel-Pläne?
Als Wahlkampfversprechen gerade für junge Wähler waren die Töne vollmundig: Man werde Cannabis zügig legalisieren. Doch das Prestigeprojekt der Ampel-Koalition kommt nur schleppend voran.
Ein süßlicher Geruch durchzieht die Gänge und Hallen der Firma Demecan nördlich von Dresden. Hinter dicken Wänden und bewacht von einem Sicherheitsdienst reiht sich unter grellem Licht eine Cannabispflanze an die nächste. Kaum einer würde in dem ehemaligen Schlachthof wohl eine Produktionsstätte für Cannabis vermuten.
Constantin von der Groeben hat sie mit aufgebaut. Seit etwa einem Jahr wird hier nun unter hohen Sicherheitsvorkehrungen ausschließlich für den medizinischen Gebrauch angebaut. "Die Mutterpflanzen sehen super aus. Aber da werden wir noch sehr viel mehr davon brauchen", sagt Geschäftsführer von der Groeben beim Begutachten.
In den Startlöchern für die Legalisierung
Derzeit dürfen sie nicht mehr als eine Tonne Cannabis pro Jahr produzieren. Sie könnten aber kurzfristig auf vier bis fünf Tonnen hochfahren. Die Firma steht in den Startlöchern für die von der Ampel-Regierung geplante Legalisierung. Aber noch fehlt die Planungssicherheit für die Investitionen. "Wir müssen in etwa wissen, wohin die Reise geht mit dem Gesetzentwurf", sagt von der Groeben. Wenn aber Klarheit herrsche, dass die Bundesregierung auf den Anbau in Deutschland und nicht auf Importe setze, dann sei das für das Unternehmen das Startsignal für den Ausbau.
Doch das Versprechen, das die Ampel-Partner vor allem in Richtung jüngere Wähler gemacht hatten, kommt etwas schleppend in Gang. Ein Gesetzentwurf ist noch nicht in Sicht. Die Eckpunkte für eine Legalisierung von Cannabis will Gesundheitsminister Karl Lauterbach erst einmal von der EU-Kommission prüfen lassen. Das Vorhaben könnte gegen EU-Recht verstoßen. Im Schengener Abkommen etwa hat sich Deutschland dazu verpflichtet, den unerlaubten Handel und Verkauf von Cannabis zu unterbinden.
Aber vor allem die FDP macht Druck. Die Liberalen wollen, dass das Vorhaben zügig umgesetzt wird. "2023 Bubatz legal", verspricht FDP-Chef Christian Lindner, als er Ende September bei funk gefragt wird, wann Bubatz, also Cannabis, denn nun legal sein werde. "Wir machen den Dealer arbeitslos", wirbt FDP-Justizminister Marco Buschmann Anfang Oktober kurz vor der Landtagwahl in Niedersachsen auf Instagram.
Lauterbach unter Druck
Ende Oktober versucht der Gesundheitsminister dann die Quadratur des Kreises. Lauterbach war mal gegen die Legalisierung. Nun steht er unter Zugzwang, muss das Prestige-Projekt der Ampel vorantreiben. Ein Balanceakt für den Minister, für den der Gesundheitsschutz qua Amt oberste Priorität haben muss. Die Eckpunkte zur Legalisierung, die federführend in Lauterbachs Ministerium erarbeitet wurden, sehen nun vor: Der Anbau und Konsum sollen durch den Staat geregelt werden. Der Verkauf ausschließlich an Volljährige soll in lizenzierten Fachgeschäften erlaubt werden. Als Höchstmenge sind 20 bis 30 Gramm vorgesehen. Auch der Eigenanbau von drei Pflanzen pro Person soll legal werden.
Lauterbach wird nicht müde zu betonen, er habe seine Ansicht schon vor einer Weile geändert, in jedem Fall bevor die Ampel-Koalitionäre sich auf eine Legalisierung geeinigt hatten. Nicht weil er durch den Konsum keine medizinischen Gefahren mehr sieht. Nach Gesprächen mit Ermittlern sei er aber zum Schluss gekommen, dass die bisherige Verbotspolitik gescheitert sei. Nun sei das Ziel, den Schwarzmarkt zurückzudrängen und auch dadurch einen besseren Kinder-, Jugend- und Gesundheitsschutz zu erreichen.
Widersprüche und Uneinigkeit bei der Ampel
Aber Lauterbach erhofft sich durch die Legalisierung auch weniger Konsum. Wie das funktionieren soll, erklärt er nicht. Zumal die Koalitionspartner davon gar nichts wissen wollen. "Das sehe ich tatsächlich anders", sagt Kristine Lütke, drogenpolitische Sprecherin der FDP.
Sie setzt auf Eigenverantwortung und lehnt Obergrenzen für Besitzmengen ab. Auch die drogenpolitische Sprecherin der Grünen Kirsten Kappert-Gonther ist skeptisch. "Dass die kontrollierte Freigabe zu einer Verringerung des Konsums bei Erwachsenen führt, das halte ich für unwahrscheinlich", sagt sie.
Die Koalition verstrickt sich also schon bei der Begründung für eine Legalisierung in Widersprüche. Und wichtige Details bleiben im Eckpunktepapier vollkommen unklar. Etwa ob Cannabis auch als sogenannte Edibles, also in Esswaren, erlaubt werden soll. Und ob die Kunden auch online bestellen dürfen. FDP und Grüne sind dafür. In Regionen, wo es kein lizenziertes Fachgeschäft gebe, müsse es möglich sein, Cannabis online zu bestellen, sagt die Grünen-Politikerin Kappert-Gonther. So sieht es auch ihre liberale Kollegin Lütke. Sonst sei der Gang zum Dealer oder die SMS an den Dealer immer noch leichter, sagt sie. "Und dann verfehlen wir das Ziel, den Schwarzmarkt möglichst weit zurückzudrängen."
Mediziner warnen vor Freigabe ab 18
Außerdem ist noch nicht entschieden, ob es einen Grenzwert für den Gehalt an THC, der berauschenden Substanz in Cannabis, für unter 21-Jährige geben soll. Denn Cannabis kann auch bei jungen Erwachsenen zu Hirnschäden und Psychosen führen. Suchtmediziner warnen deshalb grundsätzlich vor einer Freigabe ab 18. "Man weiß, dass die Hirnentwicklung erst mit Mitte 20 abgeschlossen ist, und das Gehirn ist gerade in dieser Phase sehr empfindsam was die Entwicklung von psychischen Erkrankungen angeht", warnt Timo Krüger.
Der Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie ist nicht grundsätzlich gegen eine Legalisierung. Auch Krüger hält die bisherige Verbotspolitik für gescheitert. Denn trotzdem habe der Konsum zugenommen, die Zahl der Therapien sei gestiegen. Vorstellen könnte sich der Arzt eine Entkriminalisierung und eine gut vorbereitete, regulierte Freigabe ab 21 Jahren. Aber die Pläne der Ampel gehen dem Suchtmediziner zu weit. Etwa was die geplante Höchstmenge beim Verkauf von 20 bis 30 Gramm betrifft. Viel zu viel, sagt Krüger. Eine solche Menge lade dazu ein, täglich zu konsumieren. Und wenn es um eine regulierte Freigabe mit dem Ziel Gesundheitsschutz gehe, dann sollte genau das vermieden werden, warnt der Arzt.
Legalisierung im Eiltempo unrealistisch
Fraglich also, ob Lauterbachs Argument, mehr Gesundheitsschutz durch eine Legalisierung, die EU-Kommission vollends überzeugen wird. Der Gesundheitsminister bringt sich schon mal vorsichtig aus der Schusslinie. "Wenn das zum Beispiel von der Europäischen Kommission so nicht zugelassen wird, dann bin ich nicht mehr derjenige, der das Gesetz macht", sagt Lauterbach Anfang November im ZDF.
Auf der Cannabisplantage in der Nähe von Dresden hören sie das natürlich nicht so gerne. Sie hoffen, dass die Ampel ihr Versprechen, Cannabis zu legalisieren, einlöst. Doch auch dann würde das Vorhaben für die Firma kein Selbstläufer. "Ich glaube, der Schwarzmarkt wird unser größter Wettbewerber sein", sagt Geschäftsführer von der Groeben. "Da sollte man sich keinen Illusionen hingeben. Das wird einige Jahre dauern, bis wir den Schwarzmarkt zurückgedrängt haben."
Aber ob es bald losgeht und der Ertrag der Cannabisblüten dann frei verkäuflich sein wird, ist noch völlig unklar. Das Bundesgesundheitsministerium gibt sich wortkarg. Die EU-Kommission habe die Eckpunkte vorliegen. Wenn die angefragten Gespräche dazu beendet seien, werde man über die Ergebnisse berichten. Bis eine mögliche Legalisierung kommt, wird es also noch dauern.
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