Eckpunktepapier zu Cannabis Wie die Legalisierung aussehen könnte
20 bis 30 Gramm für den Eigenkonsum, Verkauf in lizenzierten Geschäften, eine eigene Steuer: Das Kabinett hat Pläne für eine Cannabis-Legalisierung gebilligt - doch ob es auch dazu kommt, ist unklar. Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Die Ausgangslage
Die Legalisierung von Cannabis gehört zu den Versprechen der Ampelkoalition. SPD, Grüne und FDP hatten im Koalitionsvertrag angekündigt, die kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene "zu Genusszwecken in lizenzierten Geschäften" einzuführen. Die Argumente der Befürworter: Mit der Freigabe könne die Qualität der Drogen besser kontrolliert werden, die Weitergabe verunreinigter Substanzen könnte verhindert und der Jugendschutz besser gewährleistet werden.
Kritiker argumentieren hingegen: Die gesundheitlichen und psychischen Folgen schon moderaten Cannabis-Konsums können schwerwiegend sein. Verwiesen wird außerdem auf die Gefahr einer Abhängigkeit und deren soziale Folgen.
Erste Details der Pläne aus dem Gesundheitsministerium von Karl Lauterbach wurden vergangene Woche bekannt. Nun hat das Kabinett ein Eckpunktepapier mit konkreten Punkten vorgelegt. Allerdings sind auch diese Eckpunkte nur ein vorläufiges Papier. Denn ob - und wie die Pläne umgesetzt werden, ist bisher nicht klar. Denn auch die EU redet ein Wörtchen mit.
Wie lauten die Eckpunkte des künftigen Gesetzes?
- Cannabis und der Wirkstoff Tetrahydrocannabinol (THC) sollen rechtlich nicht mehr als Betäubungsmittel eingestuft werden.
- Für den Eigenkonsum sollen maximal 20 bis 30 Gramm Cannabis straffrei sein (Erwerb und der Besitz). Auf eine THC-Grenze soll wegen zu großen Aufwands bei einer Strafverfolgung verzichtet werden.
- Der private Eigenanbau wird erlaubt. Allerdings nur maximal "drei weibliche blühende Pflanzen pro volljähriger Person". Diese müssen vor dem Zugriff von Kindern und Jugendlichen geschützt werden.
- Der Verkauf an Erwachsene soll in "lizenzierten Fachgeschäften" und eventuell Apotheken ermöglicht werden. Werbung für Cannabisprodukte wird untersagt. Die Menge, die pro Kunde verkauft werden darf, wird begrenzt. Einen Versandhandel soll es zunächst nicht geben. Der Handel ohne Lizenz bleibt strafbar.
- Wegen des erhöhten Risikos für cannabisbedingte Gehirnschädigungen in der Adoleszenz soll geprüft werden, ob es für unter 21-jährige Käufer eine THC-Obergrenze geben soll.
- Neben der Umsatzsteuer auf Verkäufe ist eine gesonderte "Cannabissteuer" geplant, die sich nach dem THC-Gehalt richtet. Der Endverbraucherpreis soll Schwarzmarktpreis nahekommen.
- Cannabisprodukte zum Rauchen, Inhalieren oder zur Aufnahme in Form von Kapseln, Sprays oder Tropfen sollen zum Verkauf zugelassen werden. Sogenannte Edibles, also etwa Kekse oder Süßigkeiten mit Cannabis, zunächst nicht.
- Aufklärung, Prävention, Beratung und Behandlungsangebote sollen ausgebaut werden.
- Begleitend sollen Daten erhoben und analysiert werden zu den gesellschaftlichen Auswirkungen der Cannabis-Freigabe. Nach vier Jahren sollen die Regelungen bewertet und gegebenenfalls angepasst werden.
Warum könnte am Ende doch manches anders kommen?
Das Eckpunktepapier wurde zwar vom Kabinett gebilligt, es ist allerdings noch kein konkreter Gesetzentwurf. Es handelt sich vielmehr um Grundzüge des geplanten Vorhabens. Hintergrund ist, dass die Bundesregierung ihre Pläne vorher der EU-Kommission zur Prüfung vorlegen will. Denn Berlin ist sich unsicher, ob die Legalisierungspläne mit EU-Regelungen vereinbar sind. Die Pläne sollen nach Lauterbachs Worten nur weiterverfolgt werden, wenn sie einer europa- und völkerrechtlichen Prüfung standhalten. Eine "Hängepartie" und ein mögliches Vertragsverletzungsverfahren wie bei der Auto-Maut will die Bundesregierung vermeiden.
Erst wenn Brüssel grünes Licht gibt, soll auch ein konkreter Entwurf entstehen. Das letzte Wort hat dann der Bundestag. Gesundheitsminister Lauterbach rechnet mit einer Legalisierung frühestens ab dem Jahr 2024.
Wie ist die aktuelle Rechtslage?
Bislang ist der Besitz von Cannabis und Cannabisprodukten in Deutschland strafbar. Denn: Cannabis gilt als "nicht verkehrsfähiges" Betäubungsmittel. Laut Betäubungsmittelgesetz droht eine Geldstrafe oder eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren, wer "Betäubungsmittel unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie, ohne Handel zu treiben, einführt, ausführt, veräußert, abgibt, sonst in den Verkehr bringt, erwirbt oder sich in sonstiger Weise verschafft."
Nicht strafbar ist schon jetzt der Cannabiskonsum. Auch bei einer geringen Menge für den sogenannten Eigengebrauch können die Behörden auf eine Strafverfolgung verzichten. Was als geringe Menge gilt, ist nicht einheitlich geregelt. Es gibt aber Richtwerte: In Bayern und vielen anderen Ländern sind es sechs Gramm, in Berlin und Bremen bis zu 15 Gramm. An diese Werte halten müssen sich Staatsanwälte und Richter aber nicht.
Seit 2017 können Cannabis, Cannabisblüten oder Cannabisextrakte auf Rezept zu medizinischen Zwecken verordnet werden. Die Krankenkasse übernimmt die Kosten, wenn eine schwerwiegende Erkrankung vorliegt, für die andere Behandlungsmethoden bereits ausgeschöpft sind. Eine Cannabisagentur steuert und kontrolliert den Anbau von Cannabis zu medizinischen Zwecken in Deutschland.
Was sagen Kritiker?
Aus den Koalitionsfraktionen gab es nach der Kabinettsentscheidung ein unterschiedliches Echo. Die Grünen-Gesundheitspolitikerin Kirsten Kappert-Gonther lobte die Eckpunkte als "sehr gute Grundlage". Für die FDP-Parlamentarierin Kristine Lütke sind sie "immer noch zu restriktiv". Sie kritisierte die Mengengrenze für den Besitz: "Das finden wir falsch, denn wir regulieren ja auch nicht, wie viel Wein oder Bier jemand besitzen darf", sagte die drogenpolitische Sprecherin der Liberalen. Neben lizenzierten Abgabestellen forderte sie zudem, den Cannabishandel auch online und für Lieferdienste zu erlauben.
Der bayerischer Gesundheitsminister Klaus Holetschek von der CSU sprach von einem Irrweg und kritisierte, der Bund mache sich zum Cannabis-Dealer für junge Menschen. Der Apothekerverband Nordrhein warnte vor den gesundheitlichen Gefahren des Cannabiskonsums.
Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) pocht auf eindeutige Regeln. Die Eckpunkte könnten für die Polizei auf kleinteilige, kontrollintensive Einzelfallprüfungen hinauslaufen, gab der GdP-Bundesvorsitzende, Jochen Kopelke zu bedenken. "Die Festlegung einer Obergrenze zieht ja trotzdem Kontrollen nach sich. Das heißt, wir sind künftig alle mit der Feinwaage unterwegs."