Wahl in Berlin Zwischen Anspruch und Anstand
Die Bundes-CDU jubelt mit ihren Berliner Parteifreunden - muss sich aber von den Grünen daran erinnern lassen, dass Platz eins nicht zwingend den Regierungsauftrag nach sich zieht. Die SPD bekräftigt das Prinzip Hoffnung.
Es hatte sich abgezeichnet: Dass die CDU bei der Wiederholung der Wahl zum Abgeordnetenhaus stärkste Partei werden würde, damit konnte sie nach den Meinungsumfragen der vergangenen Wochen rechnen - zu unzufrieden waren die Berliner mit der Arbeit des Senats. Ein Plus von rund zehn Prozentpunkten löste aber auch bei der Bundespartei Begeisterung aus.
Generalsekretär Mario Czaja nannte den Wahlausgang in der ARD "fantastisch". "Berlin hat gewonnen, Berlin kann feiern", fügte er hinzu und deutete die Prognose als einen "klaren Regierungsauftrag" für seine Partei. "Jeder Anstand" verbiete es, dass die bisherige Koalition weiter Verantwortung übernehme.
Sein stellvertretender Parteichef Carsten Linnemann führte den Wahlerfolg seiner Partei in Berlin auch auf das Agieren des Parteivorsitzenden Merz nach den Silvesterkrawallen im Bezirk Neukölln zurück. Er sei sich sicher, dass es "Rückenwind gab durch Friedrich Merz auch durch die Debatte", sagte Linnemann in der ARD. Merz hatte in einer Talkshow von "kleinen Paschas" gesprochen, deren Eltern sich gegenüber Lehrerinnen und Lehrern Zurechtweisungen ihrer Söhne verbäten.
Merz selbst machte ebenfalls einen "klaren Regierungsauftrag" für die CDU aus - das sei "der erste Schritt hin zu unserem Ziel, dass die Bundeshauptstadt besser funktioniert", schrieb Merz auf Twitter.
Grüne erinnern an Laschet
Dass Czaja moralische Kategorien in der Frage der Regierungsbildung bemühte, war wohl auch ein Reflex darauf, dass die CDU Partner braucht, um zu regieren. Das hob auch der Co-Vorsitzende der Grünen, Omid Nouripour, hervor und erinnerte die CDU daran, dass man auch von Platz zwei aus versuchen könne, eine Koalition zu bilden - eine Anspielung auf die Bundestagswahl 2021, als CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet trotz verlorener Wahl Sondierungsgespräche geführt hatte.
In der ARD sagte Nouripour, die Grünen seien bereit, mit allen demokratischen Parteien zu sprechen, hob aber hervor, dass die Grünen eine "Präferenz für eine Fortsetzung der bisherigen Koalition von SPD, Grünen und Linken" hätten.
Juniorpartner - eine heikle Frage für die SPD
Für die Grünen könnte dieser Wahlabend sogar die Perspektive eröffnen, mit Bettina Jarasch künftig die Regierende Bürgermeisterin zu stellen - ein Ausblick, der die SPD alles andere als erfreute, ebenso wie ihr historisch schlechtes Abschneiden in der Hauptstadt.
SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert räumte in der ARD ein, der CDU sei "deutlich zu gratulieren", um dann aber gleich auf die Koalitionsbildung zu kommen - man müsse Mehrheiten bilden können. Kühnert betonte auch, dass die SPD bereit sei, mit allen demokratischen Parteien zu sprechen. Ob sie allerdings auch bereit sei, als Juniorpartner in eine grün-rot-rote oder schwarz-rote Koalition zu gehen, wollte Kühnert unmittelbar nach der ersten Prognose nicht sagen - die SPD sei dafür angetreten, dass Franziska Giffey weiter Regierende Bürgermeisterin bleiben könne.
Auch Parteichef Lars Klingbeil hielt die Hoffnung darauf hoch, erkannte zugleich im "ZDF" aber an, dass dies für die SPD "kein schönes Ergebnis" sei.
Es knirscht zwischen FDP und Grünen
Dass der Wahlausgang in Berlin Spuren in der Bundesregierung hinterlassen wird, zeigte sich in der "Berliner Runde". FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai ging die Grünen an und warf ihnen in der Verkehrspolitik in der Infrastukturpolitik eine Blockadehaltung vor. Hier gebe es zwischen beiden Parteien "unterschiedliche Auffassungen". Djir-Sarai musste zugleich eingestehen, dass es in Berlin eine Wechselstimmung gegeben habe, seine Partei davon aber nicht habe profitieren können.
CSU-Generalsekretär Martin Huber zog daraus mit wenig Mitleid den Schluss, das Wahlergebnis sei ein "Abwatschprogramm für die FDP" - die FDP-Wähler seien maßlos enttäuscht, dass die Liberalen die linke Ampel unterstütze - und das könne er verstehen. Huber machte einen "Dauerzoff" in der Koalition aus - und empfahl den Berlinern selbstbewusst, "nicht immer auf das Geld aus Bayern zu verlassen".
Linke sieht sich "wieder da"
Einfacher hatte es da Dietmar Bartsch. Seine Partei muss laut Hochrechnung zwar einen Verlust hinnehmen. Angesichts der parteiinternen Querelen der Vergangenheit wertete Bartsch das aber als "verdammt gutes Ergebnis", das ihn zu dem Schluss verleitete: "Die Linke ist wieder da!" Damit sei er "sehr zufrieden", teilte Bartsch mit, wohl wissend, dass SPD und Grüne auf die Linke angewiesen bleiben, wollen sie nicht mit der CDU eine Koalition eingehen.
Für die AfD richtete ihr Co-Parteivorsitzender Tino Chrupalla den Blick auf die Bundesregierung. Die Verluste von SPD und FDP seien ein auch eine Niederlage für die Bundesregierung. "Dieser Kriegskurs wurde hier bestraft", sagt Chrupalla in der ARD. Der Parlamentarische Geschäftsführer der AfD-Fraktion im Deutschen Bundestag, Bernd Baumann, sagte in der "Berliner Runde", der Zugewinn der AfD in Berlin zeige, dass seine Partei auch in einer Großstadt "mit eher links-grünen Milieu" vorankomme.