Neuer Anlauf nach Pannenwahl Diesmal soll in Berlin alles klappen
Geplant war das nicht, aber in fünf Wochen wird in Berlin schon wieder abgestimmt. Nach der Pannenwahl 2021 soll diesmal alles klappen. Eine Mammutaufgabe für die ächzende Verwaltung.
Berlins SPD-Vorsitzende Franziska Giffey will Regierende Bürgermeisterin bleiben, die grüne Umweltsenatorin Bettina Jarasch möchte es gerne werden. CDU-Landeschef Kai Wegner macht sich ebenfalls Hoffnungen auf den Spitzenposten im Roten Rathaus. Beim Start des rot-grün-roten Senats vor gerade mal einem Jahr war nicht absehbar, dass der nächste Wahlkampf so schnell kommen würde.
Aber nach der Pannenwahl im Herbst 2021 muss in der Hauptstadt erneut abgestimmt werden. Fünf Wochen vor dem Wiederholungstermin ist der Wahlkampf in vollem Gange. Umfragen sehen SPD, Grüne und CDU jeweils bei rund 20 Prozent.
Dreikampf alter Bekannter
Berlins Regierende Bürgermeisterin Giffey, deren SPD die Abstimmung im Herbst 2021 knapp gewonnen hatte und seitdem mit Grünen und Linken zusammen regiert, zieht ohne Koalitionsaussage in den Wahlkampf. Dafür aber gleich mit einer Handvoll Versprechen - den "fünf B": "Bauen - Bildung - Beste Wirtschaft - Bürgernahe Verwaltung - Berlin in Sicherheit", so steht es wörtlich im sozialdemokratischen Wahlprogramm. Es ist noch das gleiche wie vor anderthalb Jahren.
Die Grünen setzen mit Spitzenkandidatin Jarasch weiterhin auf eine "ökosoziale Politik" - aber nicht mehr auf die komplett in Parteifarbe getränkten Wahlplakate, die seinerzeit für einigen Spott sorgten.
CDU-Landeschef Wegner macht sich ebenfalls Hoffnungen auf den Spitzenposten im Roten Rathaus. Die Unzufriedenheit mit dem rot-grün-roten Senat ist recht groß. Zuletzt erreichte die Debatte um Konsequenzen und Verantwortung nach den Silvesterkrawallen den Berliner Wahlkampf.
Weil es sich um eine Wiederholungs- und keine Neuwahl handelt, müssen die Parteien mit denselben Kandidaten antreten wie 2021 - von begründeten Ausnahmen abgesehen. Die Legislaturperiode endet weiterhin 2026, das Ende verschiebt sich also nicht nach hinten.
Verwaltung bedingt einsatzbereit
Die vom Landesverfassungsgericht angeordnete Wiederholungswahl platzt in eine Stadt, die ohnehin nur bedingt funktioniert. Warteschlangen bei Passverlängerungen, Geburts- und Sterbeurkunden, Kfz-Anmeldungen - die Liste der alltäglichen Überforderung ist lang. Die vermurkste Wahl im September 2021 passt da ins Bild: Berlin war noch nicht mal mehr imstande, eine Abgeordnetenhauswahl so durchzuführen, dass diese auch vor dem Landesverfassungsgericht Bestand hatte.
"Schwere systemische Mängel" attestierten die Richter der Hauptstadt. In Anbetracht von falschen Wahlzetteln, langen Menschenschlangen vor den Wahllokalen und Wartezeiten bis weit nach 18 Uhr, befand Ex-Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD), Berlin sei "schlecher aufgestellt als jede Kreissparkasse".
OSZE prüft mögliche Wahlbeobachtung
Der rot-grün-rote Senat fürchtet kaum etwas so sehr wie eine erneute Pannenserie. Giffey hat zugesichert, die Wahlen würden diesmal besser organisiert. Geplant sind unter anderem deutlich mehr Stimmzettel, mehr Wahlurnen und mehr Wahlhelfer.
Eine Delegation der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) prüft in Berlin, ob eine Wahlbeobachtung nötig ist. Dies teilten das OSZE-Büro für demokratische Institutionen und Menschenrechte (ODIHR) und Landeswahlleiter Stephan Bröchler mit. Für die Bedarfsanalyse seien Gespräche mit dem Auswärtigen Amt, den Berliner Behörden, Parteien und Verbänden geplant.
"Mit der Wahlwiederholung können wir zeigen, dass wir aus Fehlern gelernt haben und Vertrauen in die Demokratie zurückgewinnen werden", erklärte Bröchler. "Deshalb möchten wir uns der Beurteilung durch unabhängige Wahlbeobachter und Wahlbeobachterinnen stellen."
Wahl als Mammutaufgabe
Pannenstadt Berlin, die nicht einmal in der Lage ist, demokratische Wahlen durchzuführen? Das will Kevin Hönicke, SPD-Stadtrat für Bürgerdienste im Bezirk Lichtenberg, so pauschal nicht gelten lassen. Auch in seinem Bezirk muss die Wahl - wie in ganz Berlin - wiederholt werden. Er sieht nicht ein, warum: "Wir hatten in Lichtenberg eine gute Wahl. Wir hatten keine Schließung eines Lokals. Jeder, der wählen wollte, konnte wählen", sagt Hönicke.
Die Wiederholungswahl setzt Hönicke und seine Mitarbeiter unter Dauerstress: "Es ist eine Mammutaufgabe, in einer kurzen Zeit so eine Wahl zu wiederholen. Wir brauchten die Wahlhelfenden und Wahllokale. Die Wahllokale mussten alle begangen werden. Die mussten ja größer sein als beim letzten Mal, damit es dieses Mal sicher reicht. Dafür brauchten wir Personal. Daher haben wir ein Bürgeramt von vier geschlossen."
Dadurch mussten die bereits vereinbarten Termine von 3400 Bürgern verlegt werden. Die Neuwahl strapaziert die Geduld der Berliner und macht aus Sicht der Verwaltung vor allem Arbeit. "Wir mussten noch einmal ein Wahlregister erstellen - sind die Kandidierenden noch da? Leben die noch? Sind die noch in den Parteien? Wir haben hier einen Linken, der die Partei verlassen hat, aber der kandidiert jetzt wieder auf dem Wahlzettel für die Linken", erzählt Hönicke. Es sei eben die Wiederholung einer Wahl, die vor rund anderthalb Jahren stattgefunden habe.
Sagt Karlsruhe die Berlin-Wahl ab?
Hönicke befindet sich in einer etwas schizophrenen Situation. Einerseits muss er die Wiederholungswahl organisieren, andererseits zieht er gegen die Entscheidung vor Gericht, dass auch in seinem Bezirk neu abgestimmt werden soll - obwohl es hier ja keine schweren Pannen gegeben habe: "Eine korrekt abgelaufene Wahl zu wiederholen, finde ich nicht richtig."
Gemeinsam mit 42 weiteren Abgeordneten, Politikern und Bürgern will er die Wiederholungswahl noch stoppen - vor dem Bundesverfassungsgericht. Möglich also, dass all der Aufwand doch noch umsonst gewesen sein könnte.
Wann Karlsruhe eine Entscheidung fällt, ist noch nicht klar. Momentan haben die Richter die Klage noch nicht einmal angenommen. Während Wähler in Berlin bereits per Briefwahl ihre Stimme abgeben, ist also noch nicht einmal klar, ob die Wahl auch offiziell stattfindet.
Neue Wahl, neue Panne
Die erste Panne gibt es auch schon. In der englischen Fassung der Hinweiszettel zur Wiederholungswahl wird an einer Stelle der 12. September als Wahltermin genannt - statt des 12. Februar. Hönicke ist nicht amüsiert: "Die ganze Welt guckt jetzt auf die Wahl in Berlin. Ich hoffe, das bleibt der letzte Fehler." Das hoffen mit ihm wohl auch viele Berliner.
Anm. der Red.: In einer früheren Version dieses Textes hieß, die OSZE schicke Wahlbeobachter nach Berlin. Diese Möglichkeit wird derzeit von einer OSZE-Delegation in Berlin geprüft, eine Entscheidung steht noch aus.