Brasilien Bolsonaro-Anhänger stürmen Regierungsgebäude
Hunderte Anhänger von Brasiliens Ex-Präsident Bolsonaro haben in der Hauptstadt Gebäude im Regierungsviertel gestürmt. Erst nach Stunden konnte die Polizei die Lage wieder unter Kontrolle bringen.
In Brasilien sind Anhänger des rechtsradikalen ehemaligen Präsidenten Jair Bolsonaro in das Kongressgebäude, das Oberste Gericht und den Präsidentenpalast eingedrungen. Sie schlugen die Scheiben der Fassade des Parlaments ein und drangen in die Eingangshalle vor, später kletterten sie im Plenarsaal des Senats auf Tische und Bänke, wie auf Videos zu sehen war. Alle drei Gebäude liegen am Platz der drei Gewalten in der Hauptstadt Brasília. Erst nach mehreren Stunden konnten die Sicherheitskräfte die Regierungsgebäude wieder unter ihre Kontrolle bringen.
Die Polizei setzte Tränengas und gepanzerte Fahrzeuge ein, über dem Regierungsviertel kreisten Hubschrauber. Sie hatte das Gelände um den Kongress abgeriegelt, doch die Bolsonaro-Anhänger überwanden die Absperrungen. Viele Eindringlinge trugen die Farben gelb und grün und schwenkten die brasilianische Flagge. Auf Transparenten forderten sie unter anderem die Armee auf, zugunsten des Ex-Präsidenten zu intervenieren.
Anhänger von Ex-Präsident Bolsonaro sind in den Präsidentenpalast eingedrungen.
Regierung übernimmt Verwaltung der Hauptstadt
Präsident Lula da Silva war nicht in der Stadt, er besuchte eine Unwetterregion im Süden des Landes. Er verurteilte die Angriffe: "Alle Vandalen werden gefunden und bestraft", sagte der Staatschef. "Wir werden auch herausfinden, wer sie finanziert hat." Per Dekret ordnete Lula an, dass die Regierung die Verantwortung für die öffentliche Sicherheit in Brasília übernimmt.
Brasilianische Medien berichten von Festnahmen
Wie Justizminister Flavio Dino mitteilte, hat die Polizei bereits rund 200 Verdächtige festegenommen. Auf Filmaufnahmen war zu sehen, wie Polizisten mehrere Männer und Frauen mit auf den Rücken gefesselten Händen aus dem Kongress führten.
Bolsonaro-Partei distanziert sich
Der ehemalige brasilianische Präsident Jair Bolsonario verurteilte den Angriff seiner radikalen Anhänger auf das Regierungsviertel. "Friedliche Demonstrationen sind Teil der Demokratie. Plünderungen und Überfälle auf öffentliche Gebäude, wie sie heute stattgefunden haben, fallen jedoch nicht darunter", schrieb der rechte Ex-Staatschef auf Twitter. "Während meiner gesamten Amtszeit habe ich mich stets an die Verfassung gehalten und die Gesetze, die Demokratie, die Transparenz und unsere heilige Freiheit geachtet und verteidigt." Vorwürfe, er habe seine Anhänger angestachelt, wies er zurück.
Zuvor hatte sich bereits seine Partei von den Attacken distanziert. "Heute ist ein trauriger Tag für die brasilianische Nation. Wir können mit der Erstürmung des Nationalkongresses nicht einverstanden sein", sagte der Vorsitzende von Bolsonaros Liberaler Partei (PL), Valdemar Costa Neto, in einem Video. "Alle geordneten Demonstrationen sind legitim. Aber das Chaos hat nie zu den Grundsätzen unserer Nation gehört. Wir verurteilen dieses Verhalten aufs Schärfste. Das Recht muss durchgesetzt werden, um unsere Demokratie zu stärken."
Vorwürfe gegen Sicherheitsverantwortliche
Die Chefin der regierenden Arbeiterpartei PT, Gleisi Hoffmann, machte den Verantwortlichen der Hauptstadt Vorwürfe: "Die Regierung des Bundesbezirks war unverantwortlich angesichts der Invasion in Brasília und im Nationalkongress", schrieb sie auf Twitter. "Das war ein angekündigtes Verbrechen gegen die Demokratie, gegen den Willen der Wähler und für andere Interessen. Der Gouverneur und sein Sicherheitsminister, ein Anhänger von Bolsonaro, sind für alles verantwortlich, was passiert."
Der Gouverneur des Bezirks, Ibaneis Rocha, entließ bereits den Sicherheitschef der Hauptstadt, Anderson Torres. "Ich habe die Entlassung des Sicherheitsministers des Bundesdistrikts beschlossen und gleichzeitig alle Sicherheitskräfte auf die Straße geschickt, um die Verantwortlichen festzunehmen und zu bestrafen", schrieb Rocha auf Twitter. "Ich bin in Brasília, um die Demonstrationen zu beobachten und alle Maßnahmen zu ergreifen, um die antidemokratischen Ausschreitungen im Regierungsviertel einzudämmen."
Erinnerung an Kapitolsturm in den USA
"Ich verurteile diese antidemokratischen Handlungen, die dringend mit der Härte des Gesetzes geahndet werden müssen", schrieb Senatspräsident Rodrigo Pacheco auf Twitter.
In dem Kongressgebäude befinden sich der Senat und das Abgeordnetenhaus. Die Bilder weckten Erinnerungen an den Sturm auf das US-Kapitol am 6. Januar 2021.
Vor einer Woche wurde der neue linksgerichtete Präsident Luiz Inácio Lula da Silva ins Amt eingeführt. Er befindet sich derzeit im Bundesstaat São Paulo. Bolsonaro hatte den Sieg seines Gegners nicht anerkannt und das Land verlassen. Vor seinem Abflug nach Florida wandte er sich an seine Anhänger und rief sie zum Kampf gegen Lula auf.
Die Kluft zwischen beiden Lagern in der Gesellschaft ist so tief wie nie seit der Rückkehr des Landes zur Demokratie 1985. Beide Politiker machten sich im Wahlkampf gegenseitig massive Vorwürfe etwa wegen Korruption. Lula war 2018 wegen Bestechlichkeit verurteilt worden und hatte eineinhalb Jahre im Gefängnis verbracht. 2021 wurden die Urteile gegen ihn aufgehoben.