Auslandseinsatz der Bundeswehr Wie deutsche Soldaten den Mali-Einsatz bewerten
Nach zehn Jahren endet der Auslandseinsatz der Bundeswehr in Mali. Heute kehrten die letzten Soldaten des MINUSMA-Kontingents nach Deutschland zurück. Wie sehen sie ihren Einsatz? Von J. Koch und M. Schulze.
Die Erleichterung wird vermutlich groß sein, wenn Oberst Heiko Bohnsack heute Nachmittag im niedersächsischen Wunstorf aus dem Militärflugzeug vom Typ A400M steigt. Bohnsack war der letzte deutsche Kontingentführer in Mali. Nach Afghanistan galt das westafrikanische Land als der gefährlichste Einsatzort für deutsche Soldatinnen und Soldaten.
Als der 54-Jährige im März nach Mali aufbricht, steht er "vor einer schwierigen Aufgabe", wie er damals selbst sagt. Er ist ein erfahrener Soldat, war bereits viermal im Auslandseinsatz, im Kosovo und zuletzt in Afghanistan. Doch noch nie trug der Oberst so viel Verantwortung.
Viele harte Tage
Im geschützten Camp Castor beginnt Bohnsack seinen Tag stets mit einem Morgenritual: Laufschuhe, T-Shirt, kurze Hose - drei Runden durch das Camp joggen. Morgens kurz vor 6 Uhr, da liegen die Temperaturen noch bei erträglichen 30 Grad. Dabei sei er für eine Stunde ganz bei sich: "Das kann mir keiner nehmen. Und das hilft einem tatsächlich einen harten Tag zu überstehen", sagt Bohnsack. Von solchen privaten Momenten hat der Kontingentführer in den vergangenen Monaten nur wenige, dafür viele dieser harten Tage.
Oberst Heiko Bohnsack spricht zu Soldatinnen und Soldaten in Gao, Mali.
Einsatz bereits länger umstritten
Zunächst soll Bohnsack den Einsatz im westafrikanischen Mali für sechs Monate leiten. Aufklärung ist dort die Aufgabe der Deutschen: Sie überwachen große Landstriche, sorgen für Sicherheit in einem Staat, in dem sich gleich mehrere Terrorgruppen, Rebellen und malische Streitkräfte bekriegen.
Unter den deutschen Soldaten ist auch Tim M. aus Niedersachsen. Wenige Monate zuvor hat der 28-Jährige geheiratet. Im März 2023 bricht er in seinen ersten Auslandseinsatz auf. Tim M. sagt, er sei aus Überzeugung Soldat geworden: "Wir sind die Lebensversicherung, die hoffentlich nie jemand brauchen wird."
Von der Verpflichtung bei der Bundeswehr erzählt er seinen Eltern erst nach der Unterschrift. Sein Vater Daniel M. sieht den Auftrag der UN-Mission kritisch: "Ich bin der Meinung, dass wir in Mali als Bundesrepublik Deutschland nichts verloren haben." Das gelte auch für seinen Sohn.
Mit dieser Haltung ist der Vater nicht allein. Schon länger ist die Beteiligung der Deutschen an der UN-Friedensmission unter Verteidigungsexperten und Politikern umstritten.
Rascher Abzug und erhöhter Druck
Die Kritik nimmt weiter zu, als die malische Militärjunta der UN-Mission im Juni ein Ende setzt. Oberst Bohnsack leitet seither keinen Einsatz mehr, sondern einen Abzug. Tausende Tonnen Material und hunderte Soldatinnen und Soldaten müssen schnellstmöglich das Land verlassen.
Bohnsack hat sich intensiv eingearbeitet, Kontakte geknüpft, Vertrauen zu den malischen Behörden aufgebaut. Das ist gut für den Abzug und heißt für den Oberst gleichzeitig, dass er länger als geplant in Mali bleibt. Dabei hat er wenig Zeit, um Kontakt zur Familie zu halten: "Ich habe öfter mal Heimweh. Ich bin ein Typ für Heimweh, ist aber nichts Schlimmes", sagt er im Sommer. Wenn der Oberst heute zurückkommt, war er knapp neun Monate im Einsatz.
Fast neun Monate in Mali im Einsatz: Oberst Heiko Bohnsack.
Auch Soldaten fragen nach dem Sinn
Nach dem Rausschmiss der UN-Truppen aus Mali im Juni dürfen Tim M. und seine Einheit das Camp nicht mehr verlassen. Der 28-Jährige kehrt, wie viele andere Soldatinnen und Soldaten, deutlich früher als geplant zurück.
Für viele Verteidigungspolitiker gilt Mali nicht als Erfolg - ganz im Gegenteil. Fragt man in Berlin, kommen Worte wie "gescheitert" oder "Geldverschwendung". Oberst Bohnsack sieht aber einen Sinn in der Mission: Die deutschen Soldatinnen und Soldaten hätten für Sicherheit rund um das Camp gesorgt, auch für die malische Zivilbevölkerung.
Und dennoch sagt er auch: "Man macht sich schon Gedanken darüber, was von der Mission bleiben mag, wenn die eigene Präsenz beendet wird." Dem stimmt auch Tim M. zu: "Sinn ergibt es auf jeden Fall, was wir dort machen, nur wie nachhaltig ist das Ganze?"
Tim M. sitzt in seinem Wohncontaier im Bundeswehrcamp in Gao, Mali.
Politische Aufarbeitung soll folgen
Zur Bilanz des Mali-Einsatzes zählen auch Verluste: Drei deutsche Soldaten kamen ums Leben. Dreizehn wurden verwundet.
Verteidigungsminister Boris Pistorius wird Bohnsack und den Rest des Kontingents am Nachmittag im niedersächsischen Wunstorf empfangen. Beim Rückkehrerappell werden auch die Verteidigungspolitikerinnen und -politiker dabei sein, die bereits jetzt ankündigen, der Einsatz in Mali müsse aufgearbeitet werden.
Mehr zu dem Thema zeigt die vierteilige Doku-Serie "Einsatzbefehl Mali" in der ARD Mediathek.