Cannabis-Gesetz Warum es mit der Legalisierung noch dauern könnte
Der Bundestag hat die Teillegalisierung von Cannabis beschlossen. Doch ob sie wirklich im April in Kraft tritt, ist unklar. Rechts- und Innenausschuss des Bundesrats beraten über eine Verschiebung. Wo liegt das Problem?
Die Cannabis-Community hatte schon jede Menge Ideen: "Wir haben über ein Smoke-Inn diskutiert", sagt Christoph Lehner vom Hanfverband Rhein-Neckar. Vielleicht am 20. April, für Anhänger ist das der "Welt-Marihuana-Tag". Lehner ist 57, eigentlich Software-Entwickler und seit Jahren im Verband aktiv. Ihm schwebt eine angemeldete Kundgebung vor: "Man könnte das mit Countdown machen - und bei Null zünden sich alle einen Joint an." Natürlich mit Abstand zu Kinder- und Jugendeinrichtungen, fügt er hinzu.
Doch die Partypläne müssen warten. Immer wahrscheinlicher wird, dass nicht zum April, sondern frühestens zum Oktober die Teillegalisierung kommt. "Die Nerven liegen blank in der Hanf-Community", sagt Lehner. "Jeden Tag irgendeine Meldung, jeden Tag etwas in den Nachrichten." Es sind für Kiffer immer mehr Hiobsbotschaften: Aus den Ländern, die im Bundesrat Ende März noch Einwände erheben und einen Vermittlungsausschuss anrufen können, kommt Widerstand. Besonders die Justiz- und Innenminister laufen seit Wochen Sturm gegen die Pläne.
Ausschüsse diskutieren über Verschiebung
In dieser Woche tagen heute der Rechts- und am Donnerstag der Innenausschuss des Bundesrats. In beiden Gremien wird über eine Verschiebung diskutiert - und wohl auch schon eine Vorentscheidung getroffen. Wegen der "äußerst geringen Vorbereitungszeit von fünf Wochen" zwischen Bundestagsbeschluss und Inkrafttreten würden die Justizbehörden überlastet, argumentiert ein Antrag aus Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen, der dem ARD-Hauptstadtstudio vorliegt. Die Mehrarbeit sei "für Staatsanwaltschaften, Gerichte und Justizvollzugsanstalten schlechterdings nicht zu leisten".
Der Grund: Die neue Straffreiheit gilt auch rückwirkend. Alle, die bislang wegen künftig erlaubter Cannabis-Vergehen verurteilt wurden, müssten aus der Haft entlassen werden. Wenn jemand weitere Straftaten begangen hat, müsste neu ermittelt werden, wie die Gesamtstrafe aussieht - zum Beispiel bei einer Geldstrafe.
Der grüne NRW-Justizminister Benjamin Limbach geht allein in seinem Land von "mehreren Zehntausend Akten" aus, die geprüft werden sollen. Dieser rot-grüne Antrag sieht vor, dass das Cannabis-Gesetz erst zum 1. Oktober 2024 in Kraft tritt.
Die Strategie der Ampel
Nur Verschiebung, keine weitere inhaltliche Diskussion - das dürfte nun die Strategie der Ampel seien: Länder, in denen sie mitregieren, sollen möglichst diesem engen Antrag am Mittwoch im Rechtsausschuss zustimmen. Doch zu erwarten ist, dass ein von der Union geführtes Bundesland einen wesentlich weitgehenderen Antrag stellt.
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hat bereits angekündigt, er wolle sich an "allem beteiligen", was das Gesetz verzögern oder verhindern könnte. Am wahrscheinlichsten ist so ein scharfer Gegenantrag im Innenausschuss des Bundesrats am Donnerstag - in der Tagesordnung steht das Thema schon. Die Bayerische Staatskanzlei lässt eine Anfrage dazu unbeantwortet.
Unklar ist, warum die Ampelfraktionen nicht früher auf die Bedenken der Länder eingegangen sind. Die grüne Bundestagsfraktion antwortet, man wäre gern zu einer Verschiebung bereit gewesen, "um eine Anrufung des Vermittlungsausschusses zu vermeiden". Dafür habe man jedoch "in der Koalition keine Übereinkunft erzielen können".
Anscheinend hat die SPD-Fraktion dies blockiert, womöglich gemeinsam mit dem Bundesgesundheitsminister: Ein späterer Start würde "die übergangsweise entstehende Mehrarbeit nur nach hinten verschieben", argumentiert Dagmar Schmidt, stellvertretende Fraktionsvorsitzende. Außerdem werde das Gesetz absehbar auch "zu Entlastungen bei Polizei und Justiz führen". Das Ergebnis eines Vermittlungsausschusses könnte dann zwar der Bundestag einfach überstimmen. Bis es soweit ist, dürfte es jedoch dauern.
Aus Ampelkreisen wird auch darauf verwiesen, dass ab April der CDU-Abgeordnete Hendrik Hoppenstedt Vorsitzender des Vermittlungsausschusses ist. Man befürchtet offenbar, dass er sich mit dem Thema Zeit lässt. Selbst der Start zum Oktober könnte dann wackeln. Die grüne Bundestagsfraktion glaubt, die Union werde alles tun, um die Legalisierung etwas aufzuhalten: Wegen der "leider generell zunehmenden Neigung, Gesetzesprojekte zu blockieren", rechne man nicht damit, dass die Union "sich im Vermittlungsausschuss konstruktiv verhalten wird".
Ungewissheit für Cannabis Clubs
Viel Ungewissheit für alle, die legal Joints rauchen wollen - und sich dafür zum Beispiel in einem Cannabis Social Club organisieren: "Der Club zögert, eine Anbauhalle anzumieten, bevor das Gesetz wirklich durch ist", sagt Christoph Lehner, der sich den "Rising Flowers Heidelberg" angeschlossen hat. "Für einen mitgliederstarken Verein, der hochwertig produzieren will, sind Investitionen bis zu 200.00 Euro nötig, etwa für LED-Lampen und Klimakontrolle." Doch die Szene brauche konkrete Zeitpläne und Zusagen, um Investoren zu finden. Nach dem Start dauere es dann mehrere Monate, bis die Ernte wirklich verwendbar ist, sagt Lehner.
Dass der Termin weiter unklar ist, dürfte also auch dazu führen, dass legales Gras über Vereine erst deutlich später verfügbar ist. In den ersten Monaten nach der Teillegalisierung würde damit der Schwarzmarkt profitieren. "Das kann doch von der Politik nicht so gewollt sein", sagt Lehner. Er überlege noch, ob er dann Eigenanbau macht: "Ich hätte Platz für ein bis zwei Zuchtzelte in der Wohnung, aber der Aufwand ist sehr hoch." Wenn es unerwartet doch zum 1. April 2024 klappt, will Christoph Lehner das auf jeden Fall mit einem Joint feiern. Das sei für ihn dann ein "Tag der Verhältnismäßigkeit", aber auch eine "Befreiung", sagt er. Vielleicht meldet er spontan noch ein Smoke-Inn an.