Geplante Teillegalisierung von Cannabis CDU warnt vor "komplettem Kontrollverlust"
Während Bundesgesundheitsminister Lauterbach für seine Pläne für eine begrenzte Legalisierung von Cannabis wirbt, reißt die Kritik wegen befürchteter Risiken nicht ab. Im Fokus der Gegner: die Jugend und die Justiz.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach will heute seine Pläne für eine Teillegalisierung von Cannabis vorstellen. Schon Ende dieses Jahres soll das entsprechende Gesetz in Kraft treten. Doch trotz Abschwächung des ursprünglichen Entwurfs des Bundesgesundheitsministeriums hält die Kritik an dem Vorhaben weiter an.
Vor allem die Union stellt sich nach wie vor gegen die begrenzte Legalisierung. Sachsens Innenminister Armin Schuster von der CDU warnte gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland sogar vor einem "kompletten Kontrollverlust", der mit dem geplanten Gesetz einherzugehen drohe.
Bei ihrer Kritik führen die Christdemokraten vor allem eine größere Gefährdung für Minderjährige an und eine mögliche Überlastung von Justiz und Behörden. Schuster sieht in den Plänen des Gesundheitsministers ein Risiko für die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen. Ebenso rechne er damit, dass sich mit einer Teillegalisierung auch die Zahl erwachsener Konsumenten erhöhen werde. Schon in den vergangenen Wochen hatten CDU-Politiker wiederholt vor negativen Auswirkungen einer - wenn auch eingeschränkten - Legalisierung von Cannabis gewarnt, durch welche junge Menschen nicht etwa vor Drogenkonsum gewarnt, sondern regelrecht an Drogen herangeführt würden, wie es die stellvertretende Unionsfraktionsvorsitzende Dorothee Bär formulierte.
Im gemeinsamen Morgenmagazin von ARD und ZDF warnte auch CDU-Gesundheitsexpertin Simone Borchardt vor Cannabis als "Einstiegsdroge", die oft verharmlost werde. Sie warnte vor drohenden gesundheitlichen Schäden, vor allem für jüngere Menschen, da das menschliche Hirn erst mit 25 Jahren voll entwickelt sei.
CDU warnt vor "Nachteilen auf allen Seiten"
Der nordrhein-westfälische CDU-Innenminister Herbert Reul konzentrierte sich in seiner jüngsten Kritik auf Punkt Nummer zwei: einen befürchteten Mehraufwand für die Behörden. "Das geplante Cannabisgesetz beinhaltet eine Vielzahl von Regeln, Verboten und Beschränkungen. All das muss kontrolliert und Verstöße müssen strafrechtlich verfolgt werden", betonte er. Polizei und Justiz würden mit der Teillegalisierung nicht, wie von Bundesgesundheitsminister Lauterbach erhofft, weniger belastet, sondern mehr.
Ganz ähnlich äußerte sich Hessens Justizminister Roman Poseck. Der "faule Kompromiss", der die begrenzte Straffreiheit für den Besitz und Anbau von Cannabis ermöglichen soll, werde "Nachteile auf allen Seiten" mit sich bringen. Vom bayerischen Gesundheitsminister Klaus Holetschek kam die deutliche Forderung, den Gesetzentwurf wieder einzukassieren. "Wenn Lauterbach immer noch nicht zur Vernunft kommt, muss Bundeskanzler Scholz die Notbremse ziehen und den aberwitzigen Legalisierungskurs stoppen", so der CSU-Politiker.
Buschmann verteidigt Gesetzespläne
Lauterbach selbst wirbt für seinen Gesetzentwurf mit den darin enthaltenen strikten Auflagen in Sachen Jugendschutz und betont, dass mit der Teillegalisierung die Justiz sogar entlastet werden könne. Nicht nur dadurch, dass weniger Delikte Straftatbestand werden, sondern auch finanziell. Immerhin rechnet sein Ministerium mit milliardenschweren Entlastung für Strafverfolgungsbehörden, Gerichte und Gefängnisse.
Auch Bundesjustizminister Marco Buschmann verteidigte die Pläne im Gespräch mit der Funke-Mediengruppe erneut: "Ich bin sehr zuversichtlich, dass eine pragmatischere Drogenpolitik zu einer Entlastung der Gerichte führen wird." Die Einwände der CDU, welche auch vom Deutschen Richterbund geteilt werden, weist er mit dem Argument ab, "dass man generell bei diesem Vorhaben politische Vorbehalte hat".
Die repressive Drogenpolitik der vergangenen Jahrzehnte habe aus Sicht Buschmanns "den Konsum nicht eingedämmt, sie hat unzählige Menschen in die Kriminalität gedrängt und einen blühenden Schwarzmarkt geschaffen". "Wir müssen Realismus mit Prävention verbinden", forderte der FDP-Politiker und verwies auf die im Gesetzentwurf enthaltenen Vorgaben, die "Aufklärung und Prävention" von Jugendlichen garantieren sollen.
Drogenbeauftragter fordert mehr Mittel für Prävention
Einer der Befürworter von Lauterbachs Gesetzesentwurf ist der Sucht- und Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Burkhard Blienert. Allerdings macht auch er den Schutz von Kindern und Jugendlichen zur wichtigsten Grundvoraussetzung. Dafür müssten die Mittel für eine umfassende Prävention aufgestockt werden. "Wirklich gelingen wird die neue Politik nur, wenn ein zentraler Baustein von Beginn an mitbedacht und umgesetzt wird: die Prävention und der Blick auf den zusätzlichen Jugendschutz", mahnte Blienert gegenüber "Zeit Online".
Eine ausführliche Prävention und Aufklärung gehört aus Sicht Blienerts an jede Schule. Gerade darum müsse Schluss sein mit "der Rotstiftmentalität" - "nicht nur wegen Cannabis, aber auch". Der Drogenbeauftragte räumte aber auch ein, dass jede Prävention ihre Grenzen habe: "Eine Schule ohne Drogen ist offen gestanden Wunschtraum und Illusion zugleich und sicher nicht die Realität."
Grote fürchtet "Cannabis-Überwachungsbürokratie"
Doch nicht alle in den Reihen der Ampelkoalition stehen hinter einer Teillegalisierung von Cannabis. "Wenn wir irgendetwas jetzt nicht brauchen, dann ist es dieses Gesetz", sagte Hamburgs Innensenator Andy Grote dem NDR. Der SPD-Politiker stimmt umfassend in die Kritik der CDU ein. "Erfahrungen aus anderen Ländern zeigen, dass mit der Legalisierung der Konsum deutlich zunimmt - mit allen Risiken und Nebenwirkungen", warnte er und bezweifelte, dass der illegale Handel mit Cannabis durch eine begrenzte Legalisierung eingedämmt werden könne. "Es ist zu befürchten, dass illegales Cannabis aufgrund höherer Wirkungsgrade und günstiger Preise stark nachgefragt wird und sich Schwarz- und Legalmarkt hier vermischen", betonte Grote. Der Kampf gegen diesen Schwarzmarkt und eine gleichzeitige Kontrolle der legalen Cannabis-Vereine drohe zu einer "umfangreichen Cannabis-Überwachungsbürokratie" auszuarten.
Doch nicht nur politisch ist der Gesetzentwurf umstritten. Auch Ärzteverbände hatten mehrfach Bedenken geäußert, ebenfalls die Gewerkschaft der Polizei (GdP), welche ihre Argumente gegen Lauterbachs Vorhaben erneut bekräftigte. Der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft, Jochen Kopelke, forderte Lauterbach ebenfalls dazu auf, den Gesetzesentwurf komplett zu stoppen und massiv nachzubessern. Es fehle eine ausreichend lange Übergangsphase bei der Umsetzung einer Teillegalisierung, was "zwangsläufig zu massiven Unsicherheiten, wenn nicht Konflikten zwischen Behörden und Bevölkerung" führen werde.