Todesurteil gegen Deutsch-Iraner Kritik an "stiller Diplomatie" der Regierung
Nach dem Todesurteil gegen den Deutsch-Iraner Jamshid Sharmahd fordert seine Tochter öffentlichen Druck vonseiten der Bundesregierung. Sie stellt sich damit gegen die Strategie der "Stillen Diplomatie".
Die Entführung ihres Vaters in den Iran vor zweieinhalb Jahren hat Gazelle Sharmahd zur Aktivistin gemacht. "Mein Vater braucht Öffentlichkeit, um zu überleben. Deshalb bin ich zu seiner Stimme geworden", sagt sie kurz nach ihrer Landung in Deutschland.
Vor einem Monat wurde Jamshid Sharmahd im Iran in einem Schauprozess zum Tode verurteilt. Die Sharmahds sind deutsche Staatsbürger. Sie haben lange in Hannover gelebt, bevor sie in die USA gezogen sind. "Deshalb bin ich nach Berlin gekommen, um Druck zu machen und mit den Entscheidungsträgern persönlich zu sprechen", sagt die 41-Jährige.
Ihr Vater sei eine politische Geisel des iranischen Regimes. Jeden Tag befürchtet Gazelle Sharmahd seine Hinrichtung. Drei Tage hatte sie Zeit, um die Bundesregierung davon zu überzeugen, sich öffentlich für ihren Vater einzusetzen.
"Stille Diplomatie" statt Öffentlichkeit
Bis zu seiner Verurteilung äußerte sich die Bundesregierung nicht öffentlich zu dem Fall. Das Auswärtige Amt gibt an, sich von Anfang an und "auf allen Ebenen" für Sharmahd eingesetzt zu haben - nur eben hinter den Kulissen.
"Stille Diplomatie" wird das genannt. Die Regierung wähle diese Strategie, "wenn ihre Verhandlungsposition schwach ist", erklärt Nahost-Experte Guido Steinberg von der Stiftung Wissenschaft und Politik. "Die Bundesregierung wollte verbergen, dass sie unter Umständen erpressbar ist."
Offiziell macht das iranische Regime Sharmahd für einen Terroranschlag auf eine Moschee mit mehreren Toten verantwortlich. Die Vorwürfe lassen sich nicht unabhängig überprüfen. Amnesty International spricht von einem Schauprozess. Sharmahd ist ein bekannter Regimegegner. In den USA engagierte er sich für die Exil-Oppositionsgruppe "Tondar", die einen Sturz der Islamischen Republik herbeiführen will.
"Jamshid Sharmahd ist schwer krank, er bekommt keine Medikamente und keinen Rechtsbeistand", sagt die Menschenrechtsaktivistin Düzen Tekkal, die Gazelle Sharmahd nach Deutschland eingeladen hat. "Das Regime möchte an ihm ein Exempel statuieren. Er wird als Faustpfand eingesetzt."
"Strategie ist gescheitert"
Seine Todesstrafe wurde kurz nach der Verabschiedung des fünften EU-Sanktionspaket verkündet. Wegen "Korruption auf Erden" - ein Urteil, das häufig gegen Regimekritiker ausgesprochen wird. Danach äußerte sich die Bundesregierung erstmals öffentlich: Außenministerin Annalena Baerbock kritisierte die fehlende Rechtsstaatlichkeit des Verfahrens und wies zwei iranische Diplomaten aus.
Doch Gazelle Sharmahd reicht das nicht. Sie möchte, dass sich die Bundesregierung öffentlich für die Freilassung ihres Vaters ausspricht. "Die Bundesregierung muss einsehen, dass ihre Strategie gescheitert ist", sagt sie.
Auch der Iran-Experte Ali Fathollah-Nejad sieht das so: "Diese Zurückhaltung wird in Teheran als ein Zeichen der Schwäche wahrgenommen und ermutigt die Islamische Republik, diese Praxis weiterzuführen."
Merz übernahm "Patenschaft"
Deshalb tourt Gazelle Sharmad weiter durch Berlin. Ein Termin reiht sich an den nächsten. Sie trifft Bundespolitiker, spricht mit politischen Stiftungen, gibt TV-Interviews. Was Druck aus der Politik bewirken kann, zeigt ihr das Treffen mit Friedrich Merz. Der CDU-Chef ist "politischer Pate" für Jamshid Sharmad. Auf diesem Weg setzen sich mehrere Bundestagsabgeordnete für politische Gefangene im Iran ein.
"Als Herr Merz die Patenschaft übernommen hat, hat sich alles geändert", erzählt sie. Es gebe mehr Presse, Kontakte, Aufmerksamkeit - und auch die Strategie des Regimes habe sich verändert. "Sobald Herr Merz gesagt hat, dass er sich diesen Prozess genau anschauen wird, haben sie ihn hinter geschlossenen Türen weitergeführt", erzählt sie.
CDU-Chef Friedrich Merz ist Jamshid Sharmahds "politischer Pate".
Auch das Kanzleramt lädt Gazelle Sharmahd zu einem Gespräch ein. Dass das Treffen unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfindet, scheint aber ein weiterer Hinweis darauf zu sein, dass die Bundesregierung an ihrer Strategie der "Stillen Diplomatie" festhält.
Nach dem Termin ist Gazelle Sharmahd erleichtert, dass sich das Kanzleramt Zeit für sie genommen hat. Doch an ihrem Kampf um Aufmerksamkeit hält sie fest: "Mir wird seit zwei Jahren gesagt, dass man sich hochrangig für meinen Vater einsetzt. Und was ist das Resultat? Das Todesurteil."
Nahost-Experte warnt vor öffentlichem Druck
Nahost-Experte Steinberg, der bis 2005 selbst im Kanzleramt gearbeitet hat, sagt: "Öffentlicher Druck kann den Preis bei solchen Verhandlungen in die Höhe treiben." Wenn Teheran bemerke, dass die Bundesregierung unter großem öffentlichem Druck stehe, stärke das die iranische Verhandlungsposition.
Gazelle Sharmahd und ihre Unterstützer sehen das anders. Mehr als 320.000 Menschen haben eine Petition unterschrieben, in der sie und ihre Unterstützer Außenministerin Baerbock auffordern, sich stärker für ihren Vater einzusetzen.
Am letzten Tag ihrer Reise ist Gazelle Sharmahd erschöpft, aber auch zufrieden. "Ich kann mir nicht vorwerfen, dass ich nicht alles versucht habe und mit jedem gesprochen habe", sagt sie.
Niemand könne ihr jetzt noch sagen, dass er vom Schicksal ihres Vaters nichts wisse. "Jetzt kommt es darauf an, dass den Worten auch Taten folgen", sagt sie und steigt ins Auto. Weiter zum nächsten Termin.