Auf einem Bildschirm in einer Apotheke sind Hinweise zu E-Rezepten angezeigt.
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E-Rezept und Patientenakte Digitale Krankengeschichte auf Knopfdruck

Stand: 14.12.2023 13:57 Uhr

Der Bundestag hat das E-Rezept und die elektronische Patientenakte für alle auf den Weg gebracht. Wie soll das funktionieren? Wie wird dadurch das Gesundheitssystem reformiert? Und was ist problematisch?

Per Fax versendete Arztbriefe, Aktenordner voller Befunde, Röntgenbilder auf CD: Das Gesundheitswesen in Deutschland steckt noch im 20. Jahrhundert. Das soll sich ändern. Der Bundestag hat zwei Gesetze beschlossen, die einen Schub für die Digitalisierung bringen sollen. Zentrale Bestandteile sind die Einrichtung der elektronischen Patientenakte für alle und die Durchsetzung des E-Rezepts. Worum geht es und wo liegen die Probleme?

Was will die Bundesregierung konkret?

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach hat eine Digitalstrategie ausgerufen: Das "Gesetz zur verbesserten Nutzung von Gesundheitsdaten" soll der medizinischen Forschung in Deutschland einen Schub bringen - durch eine vereinfachte Nutzung von Gesundheitsdaten in Forschung und Pharmaindustrie. Das "Digital-Gesetz" soll insbesondere den Durchbruch für die elektronische Patientenakte und das E-Rezept bringen.

Digitale Patientenakte soll ab 2025 eingesetzt werden

Nadine Bader/Thomas Denzel, ARD Berlin, tagesthemen, 14.12.2023 22:15 Uhr

Was bringt das neue Gesetz für das elektronische Rezept?

Fast 500 Millionen Rezepte lösten die Menschen in Deutschland im vergangenen Jahr ein, die meisten davon aus Papier. Das soll sich ändern: Das E-Rezept soll zum 1. Januar 2024 verbindlicher Standard in der Arzneimittelversorgung werden. Dabei bekommen Patientinnen und Patienten statt des gewohnten rosa Zettels einen Code aufs Handy oder auf die elektronische Gesundheitskarte, mit dem sich in Apotheken Medikamente abholen lassen. Auch per App soll das Rezept eingelöst werden können.

Was bringt die E-Akte Patienten und Ärzten?

In der Akte wäre die gesamte Krankengeschichte eines Patienten per Knopfdruck einsehbar - von Behandlungen, Operationen über Vorsorgeuntersuchungen, Röntgenbildern bis zu verschriebenen Medikamenten. Der große Vorteil: Behandelnde Ärztinnen und Ärzte könnten auch bei neuen Patienten sofort sehen, was bisher gemacht wurde, wo Risiken liegen und zusätzliche Vorsorge sinnvoll ist. Bei der Verschreibung von Medikamenten könnten sie zudem erkennen, ob unerwünschte Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln drohen.

Wo steht die Patientenakte bisher?

Seit Anfang 2021 können Versicherte die elektronische Patientenakte (ePa) auf freiwilliger Basis über Angebote ihrer Krankenkassen nutzen. Bundesgesundheitsminister Lauterbach zufolge tun das bisher aber erst weniger als ein Prozent der rund 73 Millionen gesetzlich Versicherten. Grund sind komplizierte Anmeldeverfahren und teils nicht ausgereifte Apps zur Nutzung.

Wie will Lauterbach das ändern?

Anstatt aktiv die ePa beantragen zu müssen, sollen gesetzlich Versicherte sie Anfang 2025 automatisch bekommen. Nur wenn sie ausdrücklich widersprechen, soll dies unterbleiben (Opt-out). Lauterbach geht davon aus, dass nicht viele Versicherte die E-Akte ablehnen werden. Ein ähnliches Vorgehen in Österreich habe gezeigt, dass nur "ungefähr drei Prozent widersprochen" hätten, so der SPD-Politiker.

Wer bestimmt, was gespeichert wird?

Die Daten gehören den Patientinnen und Patienten. Sie können deshalb auch bestimmen, welche Daten in der ePA gespeichert werden und auch, welche wieder gelöscht werden sollen. Wer beispielsweise nicht will, dass der Zahnarzt die psychologische Diagnose einsehen kann, kann dies sperren. Patienten können auch entscheiden, dass die Ärztin oder der Arzt in die Patientenakte nur hineinschreibt, aber nicht sieht, was dort schon enthalten ist.

Das Gesetz erwähnt explizit, dass Ärztinnen und Ärzte beim Eintragen von HIV-Infektion, Schwangerschaftsabbrüchen oder einer psychische Erkrankung ihre Patienten auf die Widerspruchsmöglichkeiten der Dokumentation dieser Daten hinweisen müssen.

Wer überträgt die bisherigen Patientendaten?

Das Gesetz verpflichtet Ärztinnen und Ärzte, Medikationsdaten, Arztbriefe, Entlassbriefe und Befundberichte standardmäßig in die elektronische Akte einzustellen. Weitere Informationen, auch aus vorangegangenen Behandlungen, können sie ebenfalls einfügen - wenn dies erforderlich ist und der Versicherte es verlangt.

Die Bundesvorsitzende des Hausärztinnen- und Hausärzteverbandes, Nicola Buhlinger-Göpfarth, kritisierte vor diesem Hintergrund eine schlecht funktionierende Technik der Datenübertragung und -abrufung. Der Bund müsse "jetzt ohne Wenn und Aber garantieren, dass die Technik störungsfrei läuft", fordert Buhlinger-Göpfarth.

Können meine Daten von Pharmafirmen verwendet werden?

Ja. Ein Ziel der Reform ist es, der Pharmaforschung in Deutschland durch die Bereitstellung von Patientendaten im großen Stil einen Schub zu geben. Allerdings werden die Daten dabei mit Pseudonymen versehen, können den Patienten also nicht mehr direkt zugeordnet werden. Lauterbach versichert, es sei "kein Missbrauch dieser Daten möglich".

Warum will Lauterbach die Daten für die Forschung?

Der Bundesgesundheitsminister ist der Meinung, dass Deutschland aus Datenschutzgründen etwa in der Krebsforschung dramatisch zurückgefallen sei. Gesundheitsdaten seien derzeit die wichtigste Quelle für neue Forschung, so Lauterbach.

Der SPD-Politiker betont, es gebe schon jetzt eine riesige Menge Daten in Deutschland, die aber in getrennten Silos lägen und nicht miteinander verknüpft werden könnten. Patientinnen und Patienten sollen der Nutzung ihrer Daten zu Forschungszwecken aus der elektronischen Patientenakte aber ausdrücklich widersprechen können.

Was ist mit Menschen, die keine Apps nutzen?

Sie könnten dennoch von den Vorteilen der elektronischen Patientenakte profitieren, auch wenn sie nicht selbst von überall auf die Daten per App zugreifen können. Denn beim Arzt wäre sie abrufbar. Zudem kann die E-Akte auch über einen Desktop-Computer genutzt oder in ausgewählten Apotheken eingesehen werden.

Welche Bedenken gibt es?

Aus Sicht des Bundesdatenschutzbeauftragten bleiben bei der elektronischen Patientenakte zu viele Fragen unklar. Etwa, wie Patientinnen und Patienten ihre Daten sperren können. Patientenschützer wollen, dass man weiterhin aktiv zustimmen muss, um eine elektronische Patientenakte zu bekommen.

Bei der Nutzung von Gesundheitsdaten für die Forschung geht es Kritikern etwa darum, wie weit pseudonymisierte Daten wieder bestimmten Patienten zugeordnet werden können. Auch ist umstritten, ob die Zustimmung der Versicherten zur Datennutzung nur für bestimmte Forschungsvorhaben oder für alle Forschungsprojekte gilt.

Welche Verbesserungen sind für Telemedizin geplant?

Telemedizin soll ein fester Bestandteil der Gesundheitsversorgung werden. Insbesondere Videosprechstunden sollen noch umfassender eingesetzt und leichter genutzt werden können. Dazu wird die bisher geltende Begrenzung der Videosprechstunden in einem ersten Schritt aufgehoben. Die Videobegutachtung zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit wird eingeführt. Auch eine "assistierte Telemedizin in Apotheken" ist künftig möglich.

Wie steht es bislang um die Digitalisierung des Gesundheitswesens?

Die Digitalisierung des Gesundheitswesens verläuft bislang ziemlich schleppend. Aus Sicht von Bundesgesundheitsminister Lauterbach ist Deutschland auf diesem Gebiet Entwicklungsland und benötigt eine Aufholjagd. Spürbare Fortschritte wird es nach Überzeugung des Ministers aber nur geben, wenn die Maßnahmen bei Patientinnen und Patienten sowie Ärztinnen und Ärzten und anderen Gesundheitsfachkräften einen wahrnehmbaren Nutzen bringen.

Vera Wolfskämpf, ARD Berlin, tagesschau, 14.12.2023 13:31 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 14. Dezember 2023 um 11:00 Uhr.