Deutscher Ärztetag Lauterbach wirbt für "Entökonomisierung" von Kliniken
Gesundheitsminister Lauterbach hat auf dem Deutschen Ärztetag erneut für seine geplante Krankenhausreform geworben. Doch deren Kernpunkte stoßen im Gesundheitswesen teilweise auch auf deutliche Bedenken.
So langsam drängt die Zeit für das Bundesgesundheitsministerium: Bis zur Sommerpause des Bundestages will es die Eckpunkte für die geplante Krankenhausreform vorlegen. Ressortchef Karl Lauterbach hat beim Auftakt des Deutschen Ärztetages nochmals kräftig für die angedachten Maßnahmen geworben. Doch seine Pläne stoßen nur zum Teil auf positives Echo.
Die Reform werde dringend benötigt - und das eigentlich bereits seit Jahren, betonte der Gesundheitsminister in Essen. Bis Freitag kommen hier beim 127. Ärztetag etwa 250 Vertreter aus Medizin- und Gesundheitsbranche zusammen.
Der SPD-Politiker verspricht sich durch die Reform eine qualitativ bessere Versorgung für Patientinnen und Patienten - und das verbunden mit weniger bürokratischem Aufwand für die Beschäftigten des Gesundheitswesens. Und allem voran stellt Lauterbach auch in Essen erneut die "Entökonomisierung" des Gesundheitssystems.
Vorhalteleistungen statt Fallpauschalen
Die soll vor allem durch die Abkehr von den Fallpauschalen funktionieren, welche Kliniken pro behandelten Patienten ansetzen. Mit dieser Art der Vergütung hätten Krankenhäuser nur die Wahl, mehr Behandlungen auszuführen oder die Behandlungen billiger zu machen, warnte Lauterbach. "Das kann kein gutes System sein."
Stattdessen sehen die Reformpläne deutlich mehr sogenannte Vorhalteleistungen vor. Für Personal oder auch für notwendige Technologie sollen feste Beiträge an die Krankenhäuser fließen.
Des Weiteren sollen Kliniken mittels der Reform aufgeteilt werden: in Kategorien und Leistungsgruppen. Bei den Kategorien soll es zum einen Einrichtungen geben, die der ortsnahen Grundversorgung der Bevölkerung dienen. Stufe zwei bilden Kliniken für die "Regel- und Schwerpunktversorgung" mit weiteren Leistungen, und dann soll es noch die Krankenhäuser für die "Maximalversorgung" geben, beispielsweise Universitätskliniken.
Die Einteilung in die sogenannten Leistungsgruppen soll gewährleisten, dass nur solche Kliniken bestimmte Behandlungen abrechnen können, die über die notwendigen Fachabteilungen verfügen, also für die jeweilige Behandlung technisch ausgerüstet sind und das dafür spezialisierte Personal beschäftigen.
Kritik an Drei-Stufen-System
Doch bei Klaus Reinhardt, Präsident des Deutschen Ärztetages, stößt die vorgesehene Einteilung der Kliniken in drei Stufen auf Kritik. Zwar befürworte er durchaus eine Spezialisierung einzelner Krankenhäuser auf bestimmte Felder, sagte er im gemeinsamen Morgenmagazin von ARD und ZDF. Doch eine "starre Einteilung" in Grundversorger, spezialisierte Häuser und Maximalversorger lehne er ab. Stattdessen müssten die bestehenden Strukturen weiterentwickelt werden.
Lob kommt vom Ärztepräsidenten hingegen für das angestrebte Aus der Fallpauschalen. Damit erfülle Lauterbach eine seit langem von Ärztinnen und Ärzten gestellte Forderung.
Laumann zeigt sich kompromissbereit
Auch Nordrhein-Westfalens Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann schlug beim Ärztetag in der Debatte um die Krankenhausreform eine entschärfte Tonlage an. Entscheidend sei, dass am Ende "Qualität und Erreichbarkeit des Gesundheitssystems in allen Regionen" sichergestellt würden, sagte er. "Ich finde, wir beide haben eine Verantwortung, dass die Krankenhäuser anschließend auch mit dem umgehen können, was wir da machen."
In der Vergangenheit hatte Laumann mit zu den schärfsten Kritikern von Lauterbachs Plänen gezählt. Auch vor dem Hintergrund, dass Nordrhein-Westfalen eine landeseigene Krankenhausreform anstrebte. Zudem zweifelte er die Rechtmäßigkeit einer bundesweiten Reform an, da Krankenhausplanung Sache der einzelnen Bundesländer sei. Gemeinsam mit Bayern und Schleswig-Holstein beauftragte NRW daher ein Rechtsgutachten, das den Bedenken der Länder in Grundzügen recht gab.
Doch Ende März näherten sich die Länder und der Bund im Streit um die Reform wieder an. Die Ampelkoalition habe eingesehen, dass sie nicht zu stark in Länderkompetenzen eingreifen dürfe, sagte Laumann damals.
"Keine Versuchslabore für unausgereifte Technik"
Doch nicht nur die Länder sollten bei der Neuaufstellung der Krankenhäuser miteinbezogen werden, betonte Ärztepräsident Reinhardt. Auch die Akteure des Gesundheitswesens müssten bei der Umsetzung politischer Vorhaben stärker gehört werden.
Auch Bedenken der Beschäftigten des Gesundheitswesens müssten wahrgenommen werden, etwa beim Thema Digitalisierung. Dem stünde die Branche zwar offen gegenüber. Doch viele Ärztinnen und Ärzte seien frustriert, weil die Technik nicht stabil funktioniere. "Politik und Industrie sollte klar sein, dass Arztpraxen und Kliniken keine Versuchslabore für unausgereifte Technik sind", betonte Reinhardt.
Patienten müssen mit E-Akte umgehen können
Auch beim Thema digitale Patientenakte sieht Reinhardt noch Nachholbedarf. Die Bundesregierung plant, dass alle gesetzlich Versicherten bis Ende 2024 automatisch eine E-Akte bekommen - außer, man lehnt das aktiv ab. Bisher muss man aktiv einwilligen, wenn man eine will.
Voraussetzung dafür sei, dass Patientinnen und Patienten die Daten in ihrer eigenen Akte selbst steuern und deren Nutzung auf einfache Art widersprechen könnten. Zudem forderte Reinhardt, dass über die elektronische Patientenakte auf unkompliziertem Weg über die Freigabe eigener Daten für Forschungszwecke entschieden werden kann.
Immer mehr Herausforderungen an Gesundheitsschutz
Für Reinhardt steht der Gesundheitsschutz vor immer breiter gefächerten Herausforderungen. Gesundheit müsse bei zahlreichen gesellschaftlichen Themen von der Schule über die Familie bis zur Stadtplanung mitgedacht werden, betonte er zum Start des Ärztetages.
Als ein Problem führte Reinhardt den Klimawandel an - in Form von Hitzewellen etwa. Das erfordere von der Gesundheitsbranche entsprechende Aktionspläne, bauliche Veränderungen und Aufklärung. Des Weiteren warnte Reinhardt vor einem wachsenden Risiko der krankmachenden Vereinsamung älterer Menschen in der Gesellschaft.
Doch auch die Versorgung von Geflüchteten - die neben körperlichen Folgen oft auch unter psychischen Belastungen litten - stelle das Gesundheitswesen vor eine Herausforderung.