Reform der Einbürgerung Lob von Experten, Kritik von der Union
Deutschland brauche "bessere Regelungen für all diese tollen Frauen und Männer" - so wirbt Kanzler Scholz für die Reform der Einbürgerung. Lob kommt auch von Experten. Die Union hingegen spricht vom "Verramschen der Staatsbürgerschaft".
Die Reaktionen auf die Pläne der Ampel-Koalition für eine Reform des deutschen Staatsbürgerschaftsrechts fallen gemischt aus. Kritik kommt vor allem aus den Reihen der Union, Lob kommt unter anderem aus Wirtschaft und Wissenschaft sowie von Verbänden, die Menschen mit Migrationshintergrund vertreten.
Bundeskanzler Olaf Scholz warb für "bessere Regelungen" für die Einbürgerung. In seiner Videobotschaft "Kanzler kompakt" erinnerte er vor allem an die Bedeutung der Einwanderung für den Wohlstand: "Deutschland ist ein Land geworden, das für viele das Land der Hoffnung ist. Und die Frauen und Männer und auch manchmal Kinder, die nach Deutschland gekommen sind, haben sehr dazu beigetragen, dass unsere Wirtschaft so stark ist, wie sie heute ist."
Es sei sehr gut, "wenn diejenigen, die so lange bei uns leben, sich auch dafür entscheiden, die deutsche Staatsbürgerschaft zu erwerben", so der Kanzler. Deutschland brauche "bessere Regelungen für die Einbürgerung all dieser tollen Frauen und Männer".
DIW: Wichtiges Element für Attraktivität
Auch der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, unterstützt die Pläne: "Deutschlands Fachkräfteproblem wird sich durch die Demografie und durch den zunehmenden Wettbewerb um die klügsten Köpfe massiv verschärfen, wenn die Politik nicht viel entschiedener als bisher handelt", sagte Fratzscher dem "Handelsblatt". Eine klare Perspektive auf Staatsangehörigkeit sei ein wichtiges Element, um Deutschland attraktiver für ausländische Fachkräfte zu machen.
"Nicht mehr der Realität unserer Tage"
Der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde, Gökay Sofuoglu, sprach von einem "Paradigmenwechsel". Das deutsche Staatsbürgerschaftsrecht entspreche "nicht mehr der Realität unserer Tage; es muss von Grund auf angepackt werden", sagte Sofuoglu den Zeitungen des "Redaktionsnetzwerks Deutschland". Es gehe auch darum, eine gewisse Gleichstellung zu erreichen und damit mehr Menschen politische Partizipation zu ermöglichen.
Ähnlich äußerte sich auch die Migrationsexpertin Petra Bendel. Die Reform könne dazu führen, dass sich mehr Menschen einbürgern ließen und nicht länger von politischer Teilhabe ausgeschlossen blieben, sagte die Vorsitzende des Sachverständigenrats für Integration und Migration im tagesschau.de-Interview.
Die Demokratie legitimiere sich insbesondere durch Wahlen, so Bendel. Und sehr viele Menschen, die hier leben, seien bislang von dieser Form der Teilhabe ausgeschlossen, die nur durch die Staatsbürgerschaft garantiert werde.
Besitz mehrerer Staatsbürgerschaften einfacher
Nach Angaben von Bendel leben in Deutschland rund neun Millionen Menschen, die nicht die deutsche Staatsangehörigkeit haben. Viele von ihnen könnten bereits jetzt eingebürgert werden, wenn sie dies wollten, andere erfüllen die Voraussetzungen für eine Einbürgerung hingegen noch nicht. Die Hürden dafür will der Gesetzentwurf von Bundesinnenministerin Nancy Faeser, der nach Angaben des Ministeriums "so gut wie fertig" ist, in einigen Punkten nun senken.
Wer schon viele Jahre in Deutschland mit Aufenthaltstitel lebt, soll bereits nach fünf anstatt wie bisher nach acht Jahren eingebürgert werden können. Bei Senioren, die älter als 67 Jahre alt sind, will Faeser die bisher verlangten formellen Sprachnachweise streichen. Stattdessen soll künftig die "Fähigkeit zur mündlichen Verständigung" ausreichen. Und der Besitz mehrerer Staatsbürgerschaften soll mit der Reform viel einfacher werden.
"Ich schwätz besser Schwäbisch wie Türkisch"
Änderungen sieht die Reform auch für in Deutschland geborene Kinder ausländischer Eltern vor. Sie sollen automatisch Deutsche werden, wenn ein Elternteil bereits seit fünf Jahren "seinen rechtmäßigen gewöhnlichen Aufenthalt" in Deutschland hat. Bislang war das erst nach acht Jahren der Fall.
Wie es ist als Kind in Deutschland aufzuwachsen, ohne auf dem Papier Deutscher zu sein, illustriert auch das Beispiel des Grünen-Politikers Cem Özdemir. Der Bundeslandwirtschaftsminister beschreibt es so:
Ich schwätz besser Schwäbisch wie Türkisch und trotzdem war ich die ersten 18 Jahre meines Lebens, in meinem Land, dem Land, in dem ich das Licht der Welt erblickt habe, Ausländer. Macht das Sinn? Es macht keinen Sinn. Es führt nicht dazu, dass wir darüber Integration fördern, sondern sie signalisieren damit einem hier geborenen Kind: Das ist nicht dein Land.
Bundeslandwirtschaftsminister Özdemir wurde in Bad Urach auf der Schwäbischen Alb geboren, Deutscher war er aber als Kind nicht. Seine Eltern kamen Anfang der 1960er-Jahre als Gastarbeiter nach Deutschland.
CSU: "Pulleffekte bei der illegalen Migration"
Die Pläne Faesers entsprechen weitgehend dem, was SPD, Grüne und FDP in ihrem Koalitionsvertrag verabredet hatten. Kritik daran kommt - außer von der AfD - vor allem von der Union. "Die deutsche Staatsbürgerschaft zu verramschen fördert nicht die Integration, sondern bezweckt geradezu das Gegenteil und wird zusätzliche Pulleffekte bei der illegalen Migration auslösen", sagte CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt der "Bild"-Zeitung.
Der CDU-Bundestagsabgeordnete und Innenexperte Stefan Heck sprach von einer "inflationären Vergabe deutscher Pässe", die enormen sozialen Sprengstoff berge. Faeser müsse die Pläne stoppen, forderte er.