Dava-Gruppierung in Deutschland "Eine türkische Version der AfD"
Die Gründung einer türkeinahen Partei in Deutschland löst zunehmend Besorgnis und Kritik aus. Politiker warnen vor einer Einflussnahme Erdogans und dessen AKP. Ein "wachsames Auge" der Sicherheitsbehörden sei nötig.
Sie will bei Türkeistämmigen punkten und nach eigenen Angaben diejenigen erreichen, die sich von anderen Parteien nicht verstanden fühlen: Die im Januar gegründete "Demokratische Allianz für Vielfalt und Aufbruch" (Dava) - formal erst eine Wählervereinigung - gilt als politischer Arm des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan und Ableger seiner Partei AKP. Bei der Europawahl am 9. Juni will die neue politische Kraft erstmals antreten.
Bei den Parteien in Deutschland lösen die Pläne zunehmend Kritik aus. Der Vorsitzende der Innenministerkonferenz, Michael Stübgen (CDU), sprach sich dafür aus, die Aktivitäten der Gruppierung in Deutschland streng zu beobachten. Die Sicherheitsbehörden sollten ihm zufolge ein sehr wachsames Auge auf die Gruppierung werfen. "Es gelten die gleichen Gesetze wie für jede andere Partei", sagte Brandenburgs Innenminister den Zeitungen der Funke-Mediengruppe.
"Schon der Name spricht Bände"
Allerdings sei besondere Skepsis angebracht. "Ich sehe nicht, warum ein Ableger der AKP das Ziel verfolgen sollte, sich zum Wohle der Bundesrepublik Deutschland einzusetzen", meinte Stübgen. "Eine solche Partei wird ausschließlich im Sinne ihrer türkischen Mutterpartei agieren und das passt nicht in die deutsche Parteienlandschaft." Schon der Name erinnere nicht ohne Zufall an den islamischen Begriff Da'wa, der für eine Missionierung von Nichtmuslimen stehe, sagte Stübgen. "Das spricht Bände."
Auch der Vorsitzende der Deutsch-Türkischen Parlamentariergruppe im Bundestag, der Grünen-Abgeordnete Max Lucks, warnte vor der neuen Partei: "Die AKP versucht, sich eine direkte Lobby im Europäischen Parlament zu schaffen und das mit ehemaligen Vorsitzenden antisemitischer und islamistischer Organisationen", sagte Lucks den Funke-Zeitungen. "Was hier entsteht, ist nichts anderes als eine türkische Version der AfD."
Spahn: "Erdogan lacht sich ins Fäustchen"
Auch in der Union wächst die Sorge vor dem Einfluss der Gruppierung. Fraktionsvize Andrea Lindholz (CSU) befürchtet durch die Gruppierung eine Zunahme gesellschaftlicher Spannung. Türken, die in Deutschland wählen dürfen, müssten sich nicht mehr von der Türkei lossagen, so Lindholz gegenüber der "Bild".
CDU-Fraktionsvize Jens Spahn sagte, der türkische Präsident Erdogan lache sich "ins Fäustchen". "Er versucht seit Jahren, die Integration von Deutsch-Türken zu sabotieren. Mit dem Doppelpass für alle macht es ihm die Ampel unnötig leicht."
In die gleiche Kerbe schlägt auch der parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Thorsten Frei. "Es zeigt sich ein stückweit, dass gerade die Änderung des Staatsbürgerschaftsrecht ein kategorialer Fehler war", fügte er mit Blick auf die ausgeweitete Doppelstaatlichkeit hinzu. "Dies wird ein weiteres Einfallstor auch für ausländische Einflussnahme auf die deutsche Politik."
"Wir müssen auch da als Rechtsstaat ganz genau hinschauen", sagte der FDP-Fraktionsvorsitzende Christian Dürr den Sendern RTL/ntv. Politischer Wettbewerb sei gut, aber wenn es um Parteien gehe, die Verfassung oder Grundrechte infrage stellen könnte, müsse man das hinterfragen, betonte der FDP-Politiker.
Dava weist Kritik zurück
Die neue Dava-Gruppierung hatte den Vorwurf zurückgewiesen, ein Ableger der AKP zu sein. Es gebe weder logistische noch finanzielle Unterstützung aus dem Ausland.
"Wir haben weder vor der Gründung und auch nicht nach der Gründung Kontakt gehabt mit Vertretern von ausländischen Regierungen", sagte Sprecher Teyfik Özcan der Nachrichtenagentur dpa. "Es ist uns wichtig, immer wieder zu betonen, dass die Dava kein verlängerter Arm irgendeiner ausländischen Regierung ist."
Die Kritik an der Gründung der Vereinigung vor der kommenden Europawahl verstehe er nicht. Ziel sei es, "für Bürger, die sich nicht von den etablierten Parteien vertreten fühlen, eine politische Heimat zu geben".
Dava will bei Türkeistämmigen punkten
Laut Statistischem Bundesamt hat Dava noch keinen Wahlvorschlag sowie Unterstützungsunterschriften bei der Bundeswahlleiterin eingereicht. Bei einer gemeinsamen Liste für alle Bundesländer seien Unterschriften von 4.000 Wahlberechtigten nötig.
Dava will unter Türkeistämmigen und wahlberechtigten Muslimen insgesamt punkten - nach eigener Aussage als Stimme gegen Diskriminierung und Rassismus. So fordert die Dava in ihrer Gründungserklärung, dass "Menschen mit ausländischen Wurzeln ihre Rechte in vollem Umfang zugesprochen bekommen".
Oft erlebten sie "bei der Suche nach Wohnungen, bei Bewerbungen, aber auch in vielen alltäglichen Situationen wie bei Behördengängen, dass sie nicht als vollwertige Mitglieder von der europäischen Gesellschaft angenommen werden". Außerdem verlangt die Dava mehr Sozialleistungen gegen Kinder- und Altersarmut und "eine pragmatische sowie ideologiefreie Flüchtlingspolitik".