Treibhausgas-Emissionen Expertenrat kritisiert Klimapolitik der Ampel
Reichen die Bemühungen der Bundesregierung im Kampf gegen die Erderwärmung aus? Ein Expertenrat hat nun seine Einschätzung dazu abgegeben - und kommt dabei zu einem kritischen Urteil.
Der Expertenrat für Klimafragen stellt der Bundesregierung kein gutes Zeugnis aus. Die Klimaschutzmaßnahmen gingen zwar in die richtige Richtung, reichten aber noch immer nicht aus, teilte das unabhängige Gremium mit.
"Bei etlichen Maßnahmen sehen wir die Realisierungswahrscheinlichkeit und die Abweichung zwischen der Realität und den Annahmen der Bundesregierung in den Unterlagen kritisch", sagte Hans-Martin Henning, der Vorsitzende des Expertenrats.
Die Regierung habe mit ihren 130 Maßnahmen zwar einen hohen Anspruch formuliert, aber keinen ausreichenden, so Henning. "Die Maßnahmen im Klimaschutzprogramm können signifikante Treibhausgasminderungen ermöglichen, gerade in den Sektoren Energie und Industrie, aber auch im Gebäudesektor", erklärte er. Letzteres hänge allerdings von der Umsetzung des bislang nicht vom Bundestag verabschiedeten Gebäudeenergiegesetzes (GEG) ab.
Große Lücke und kein Gesamtkonzept
Im Gebäudebereich bleibe den Experten zufolge bis 2030 eine Lücke von insgesamt 35 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten, die eingespart werden müssten, um die Klimaziele zu erreichen. Im Verkehrsbereich sind es bis 2030 zwischen 117 und 191 Millionen Tonnen.
Zur besseren Vergleichbarkeit werden andere Treibhausgase in CO2-Äquivalente umgerechnet, Maßstab ist ihr jeweiliger Beitrag zur Erderwärmung im Vergleich zu Kohlendioxid.
Zudem werde nicht deutlich, wie die restliche Lücke geschlossen werden solle. Die Lücke werde vermutlich auch bei vollständiger Umsetzung der geplanten Maßnahmen größer sein als von der Regierung angegeben. Auch sonst gebe es in dem Programm "erhebliche Unschärfen und Unsicherheiten", heißt es in der Stellungnahme. "Die erwartete Gesamtminderung wird daher vermutlich überschätzt."
Die fünf Wissenschaftler im Gremium kritisierten, es fehle ein zusammenhängendes, in sich schlüssiges Gesamtkonzept. "Wir sehen Handlungsbedarf für die Bundesregierung sowohl hinsichtlich der Verbesserung der Datengrundlage der Klimapolitik, bezüglich des Schließens der verbleibenden Ziellücke als auch bei der Entwicklung eines Gesamtkonzepts", so die stellvertretende Vorsitzende Brigitte Knopf. Unzureichend sei das Klimaschutzprogramm außerdem "wegen der fehlenden Abschätzung von ökonomischen, sozialen und weiteren ökologischen Folgewirkungen".
Entwurf soll nach Experten-Einschätzung überarbeitet werden
Die Bundesregierung hatte den Entwurf ihres Klimaschutzprogramms 2023 im Juni veröffentlicht und im Kabinett beraten. Der Entwurf soll unter Berücksichtigung der Stellungnahme des Expertenrats überarbeitet und dann beschlossen werden.
Der zuständige Wirtschaftsminister Robert Habeck hatte schon bei der Vorlage des Entwurfs eingeräumt, dass die enthaltenen Maßnahmen nicht ausreichen würden, um die Lücke vollständig zu schließen. Mit dem Programm werde die mittelfristige Lücke bei den angestrebten CO2-Minderungen um bis zu 80 Prozent reduziert, hieß es.
Das Klimaschutzgesetz verpflichtet Deutschland dazu, die Treibhausgasemissionen bis 2030 um 65 Prozent verglichen mit dem Stand von 1990 zu verringern. Zulässig sind dann noch CO2-Emissionen von etwa 440 Millionen Tonnen statt erfolgter Emissionen von 746 Millionen Tonnen im Jahr 2022. Zwar hat die Bundesregierung eine Neufassung des Klimaschutzgesetzes vorgelegt, die derzeit im Bundestag beraten wird - die Emissionsziele bleiben darin aber unverändert.