Berichte über FDP-Pläne "Betrug", "Schmierentheater", "Bösartigkeit"
Laut Medienberichten bereitete sich die FDP akribisch auf das Ampel-Aus vor. Die Empörung vor allem beim Ex-Koalitionspartner SPD ist massiv. FDP-Lindner kann die Aufregung laut eigenen Worten nicht nachvollziehen.
Nach Medienberichten über angeblich wochenlange Vorbereitungen der FDP für ein Ampel-Aus hat SPD-Generalsekretär Matthias Miersch dem ehemaligen Koalitionspartner "politischen Betrug" vorgeworfen und eine Entschuldigung gefordert. "Von Christian Lindner erwarte ich nicht, dass er die Größe hat, sich bei den Menschen zu entschuldigen. Aber wenn in der FDP noch jemand einen Funken Ehre hat, dann wäre jetzt der Moment, dies in aller Demut zu tun", sagte Miersch der Nachrichtenagentur dpa.
SPD-Chefin Saskia Esken sagte: "Der Schaden, der der Vertrauenswürdigkeit von Politik zugefügt wurde, ist nicht zu ermessen." Wenn man nun erkennen müsse, wie gezielt diese Situation herbeigeführt worden sei, setze das ein großes Fragezeichen hinter die Glaubwürdigkeit und Ehrlichkeit von Politik. "Christian Lindner und seine FDP haben sich mit diesem Schmierentheater auf Kosten des Landes als politische Kraft disqualifiziert", sagte Esken.
"Bösartigkeit als Methode"
Arbeitsminister Hubertus Heil sagte, er sei tief erschüttert über das Verhalten: "Verantwortung als Fremdwort, Bösartigkeit als Methode", schrieb der SPD-Politiker auf dem Kurznachrichtendienst X.
SPD-Bundestagsfraktionschef Rolf Mützenich sagte dem Spiegel: "Ich fühle mich getäuscht und ich bin enttäuscht." Bis zum Schluss habe er Kompromisse ausgeleuchtet. "Dass die FDP ihr Drehbuch mit 'D-Day' und das 18-seitige Wirtschaftspapier als 'Torpedo' bezeichnet hat, lässt mich entsetzt zurück."
Die scheidende Politische Geschäftsführerin der Grünen, Emily Büning, reagierte mit Unverständnis. "Wir machen so nicht Politik", sagte sie am Rande des Bundesparteitags in Wiesbaden. "Wir sind in die Regierung gegangen, um Verantwortung zu übernehmen und nicht, um Spielchen zu spielen und Theaterszenen zu planen." Sie fügte hinzu: "Der Plan ist ja auch nicht ganz so aufgegangen."
Vorbereitungen angeblich seit Ende September
Die Wochenzeitung Die Zeit und die Süddeutschen Zeitung hatten berichtet, die FDP habe seit Ende September akribisch Vorbereitungen für ein Zerbrechen der Ampelkoalition getroffen. In mehreren Treffen seien verschiedene Szenarien durchgespielt worden. Teilgenommen hätten unter anderen die damaligen FDP-Minister. Die Zeit beruft sich auf Schilderungen mehrerer Personen, die mit den Vorgängen vertraut seien. Zudem habe die Redaktion Dokumente eingesehen, die in diesen Wochen entstanden seien.
Lindner: "Wo ist die Nachricht?"
FDP-Chef Lindner zeigte sich vor Journalisten überrascht über die Empörung: "Es ist Wahlkampf. Wo ist die Nachricht?" Schließlich habe Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) "eingeräumt, dass er bereits im Sommer über meine Entlassung nachgedacht hat".
Selbstverständlich hätte die FDP ohne eine Wende in der Wirtschaftspolitik die Koalition verlassen müssen. Deshalb habe er Scholz auch einen gemeinsamen, geordneten Weg zu Neuwahlen vorgeschlagen.
Die Beteiligten hatten sich auf Anfrage der Zeitung zunächst nicht zu der Recherche äußern wollen. Ein FDP-Parteisprecher sagte, es habe in den vergangenen Monaten "immer wieder und in verschiedenen Runden eine Bewertung der Regierungsbeteiligung" stattgefunden. "Selbstverständlich wurden immer wieder Szenarien erwogen und Stimmungsbilder eingeholt."
Fragen für die FDP
Für Wirbel hatten in dieser Woche auch Äußerungen des neuen Bundesfinanzministers Jörg Kukies (SPD) zum Ablauf des Zerbrechens der Koalition gesorgt. Kukies war beim Wirtschaftsgipfel der Süddeutschen Zeitung gefragt worden, wann er gewusst habe, dass er eine neue Aufgabe bekomme. Der bisherige Wirtschaftsberater des Kanzlers antwortete: "sehr kurz davor". Auf Nachfrage präzisierte er: "Einen Tag vor dem Mittwoch, dem Koalitionsausschuss, haben wir zum ersten Mal abstrakt darüber gesprochen, dass das eine Möglichkeit sein könnte."
Aus den Reihen von Union und FDP wurde dem Kanzler daraufhin vorgeworfen, er habe den Rauswurf des bisherigen Finanzministers Lindner und damit den Bruch der Ampelkoalition beim Koalitionsausschuss vor einer Woche gezielt herbeigeführt.