Unterbringung von Geflüchteten Woran es den Kommunen fehlt
Die zunehmende Zahl der Geflüchteten in Deutschland bringt viele Kommunen an ihre Grenzen. In einer Umfrage von Report Mainz sagen 17 Prozent, sie seien bereits über dem Limit. Das zeigt auch ein exemplarischer Blick nach Oberbayern.
Akram kommt aus dem Jemen. Sein neues Zuhause im Landkreis Dachau: eine Parzelle in einem ehemaligen Reitsport-Geschäft - ein Schrank, ein Bett und ein bisschen Licht. Seine Nachbarn sind etwa 70 weitere Flüchtlinge, die eng an eng leben müssen, in kleinen Parzellen, getrennt von Bauzäunen und Aktenschränken. Trotz der bescheidenen Lebensverhältnisse ist er froh hier zu sein. Es sei viel besser als in einem Bürgerkriegsland.
Eigentlich war das hier alles nur als Provisorium gedacht, für ein paar Tage. Doch inzwischen kommen so viele Flüchtlinge in den Landkreis, dass Landrat Stefan Löwl nicht mehr weiß, wohin mit ihnen. "Wir haben einfach keine Ressourcen mehr für die Unterbringung, zumindest keine adäquaten", sagt der CSU-Politiker. Und deswegen benötige man hier Hilfe.
"Besser als im Jemen" - Akram auf seinem Bett in der provisorischen Unterkunft im Landkreis Dachau bei München.
Zahl der Anträge um 73 Prozent gestiegen
Der Hilferuf von Landrat Löwl ist nicht der einzige in diesen Tagen. Auch andere Kommunen brauchen mehr Geld und mehr Wohnraum. Denn die Zahl der Asylanträge in Deutschland ist nach Behördenangaben in den vergangenen vier Monaten im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um mehr als 73 Prozent gestiegen. Damit müssen die Kommunen jetzt fertig werden.
Das ARD-Magazin Report Mainz hat bundesweit alle 400 kreisfreien Städte und Landkreise befragt, wie hoch sie belastet sind. Fast die Hälfte hat geantwortet: 69 Prozent sagen, der Zustrom sei gerade noch so zu bewältigen. 17 Prozent geben an, sie seien bereits über dem Limit.
Deutschland gehen die Flüchtlingshelfer aus
Hinzu kommt, dass den Kommunen immer weniger freiwillige Helfer zur Verfügung stehen - auch in Dachau: 2016 gab es rund 1000 Helfer, heute sind es nur noch 100. Die Lage hier ist inzwischen so ernst, dass selbst erfahrene Flüchtlingshelfer wie Joachim Jacob Alarm schlagen. Seit über zehn Jahren engagiert er sich in der Flüchtlingshilfe und ist heute Vorsitzender des Bayerischen Helferverbandes.
"Alles das, was sehr wichtig war und was wesentlich für die Integration war, das findet nicht mehr statt", sagt Jacob. Die Flüchtlinge blieben sich selbst überlassen. "Da liegt ein sozialer Sprengstoff, der auch nicht zu ignorieren ist." In einer Umfrage von Report Mainz unter 52 sogenannten Helferkreisen, also Zusammenschlüssen von Ehrenamtlern, beklagen mehr als zwei Drittel einen Rückgang der freiwilligen Helfer.
Die Unterkunft in einem ehemaligen Reitsport-Geschäft sollte eigentlich nur ein Provisorium für ein paar Tage sein.
Die Krise wird zur Schulkrise
Und auch an den Schulen spitzt sich die Lage immer weiter zu, wie zum Beispiel in Schwäbisch Hall. Fast alle in der Klasse 5c haben einen Migrationshintergrund. Einige von ihnen sind Flüchtlinge, können zum Teil kaum oder gar kein Deutsch. Und Klassenlehrer Marco J. muss trotzdem unterrichten. Verständigung gehe hier mit Händen und Füßen.
Die Probleme spüre man längst nicht mehr nur in dieser Klasse. Mittlerweile sind laut Schulleitung viele geflüchtete Kinder an der Schule, immer wieder kommen neue dazu. Sie bekämen zwar Sprachförderung, würden aber trotzdem von Anfang an am Unterricht teilnehmen. Und das stellt die Lehrkräfte vor große Herausforderungen. Eine Pädagogin erzählt, sie könne diese Herausforderung trotz größten Einsatzes kaum noch leisten, das Lernniveau sinke.
Das zeigt auch eine repräsentative Umfrage der Robert-Bosch-Stiftung. Ende 2022 gaben 53 Prozent der Schulleiterinnen und Schulleiter an, keine Kapazität mehr zu haben für die Aufnahme weiterer Flüchtlinge. 72 Prozent halten die personellen Mittel für unzureichend.
"Das ist keine Politik, das ist Naturwissenschaft"
Schulen in Not, überforderte Kommunen. Ein Land ringt um Lösungen, die kompliziert sind. Auch ob es mehr Geld für die Kommunen gibt, wird auf dem Flüchtlingsgipfel entschieden werden müssen.
Der Landrat des Kreises Dachau, Löwl, appelliert an die Verhandlungspartner in Berlin und Bundeskanzler Olaf Scholz: "Wenn hier nicht auf unsere Nöte reagiert wird, dann werden wir es irgendwann hier unten nicht mehr schaffen. Das ist keine Politik, das ist Naturwissenschaft."