Reaktionen auf Flüchtlingsgipfel Enttäuschung und Schock
Nach dem Flüchtlingsgipfel kritisieren die Kommunen eine "Vertagung drängender Probleme". Der Städtetag spricht von einer "ziemlichen Enttäuschung." Unzufrieden ist auch "Pro Asyl".
Die Kommunen haben sich enttäuscht über die Bund-Länder-Beschlüsse in der Flüchtlingspolitik geäußert. Der Präsident des Deutschen Landkreistages, Reinhard Sager, beklagte eine "Vertagung drängender Probleme".
"Zeit, die wir nicht haben"
Sager sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe: "Wenn einzelne Punkte bis zum Sommer weiter ausgearbeitet werden sollen, um dann im November beschlossen zu werden, suggeriert das Zeit, die wir nicht haben." Die Forderungen nach einer Begrenzung des Zustroms an Flüchtlingen, nach Rückführung von Menschen ohne Bleiberecht und nach einer besseren finanziellen Unterstützung der Kommunen blieben auf der Tagesordnung.
Wir brauchen die vollständige Übernahme der Unterkunftskosten für anerkannte Flüchtlinge.
Enttäuscht äußerte sich auch der Präsident des Deutschen Städtetages, Markus Lewe: "Dieses Treffen war für uns unterm Strich eine ziemliche Enttäuschung."
Nächstes Treffen im November
Der Bund hatte den Ländern gestern in Berlin eine Milliarde Euro mehr an finanzieller Unterstützung für die Versorgung von Flüchtlingen zugesagt. Ein an der Zahl der Flüchtlinge ausgerichtetes Finanzmodell setzten die Länder beim Flüchtlingsgipfel im Kanzleramt allerdings nicht durch. Darüber soll in Arbeitsgruppen weiter gesprochen und endgültig im November entschieden werden.
Der Bund hatte bislang für dieses Jahr 2,75 Milliarden Euro zugesagt. Die zusätzliche Milliarde sollen die Länder dafür nutzen, ihre Kommunen zu entlasten.
Landsberg: "Zu kurzfristig und zu allgemein"
Auch der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, zeigte sich im ARD-Morgenmagazin unzufrieden mit dem Ergebnis des Gipfels. Landsberg bezeichnete die Einigung als "zu kurzfristig und zu allgemein" und forderte eine langfristige Perspektive. Natürlich sei eine Milliarde viel Geld, aber die Kommunen bräuchten Planungssicherheit, erklärte Landsberg weiter.
Die Kommunen bauen jetzt Unterkünfte, sie müssen wissen, was von wem bezahlt wird.
Außerdem kritisierte Landsberg, man habe in Deutschland bislang keine nachhaltige Strategie für den Umgang mit Geflüchteten - die Menschen würden aber weiterhin kommen. Er ergänzte: "Die Begrenzung der Zuwanderung ist zwar diskutiert worden, aber ob das konkret wird, das wissen wir nicht - und das auf den November zu verschieben, das verstehe ich nicht, die Fakten liegen auf dem Tisch."
"Pro Asyl" zeigt sich schockiert
Die Flüchtlingsorganisation "Pro Asyl" fand klare Worte nach dem Treffen. Die rechtspolitische Sprecherin von "Pro Asyl", Wiebke Judith, sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe, die Organisation sei "schockiert, dass der Gipfel zu einer Finanzeinigung auf Kosten der Menschenrechte fliehender Menschen geführt hat".
"Haftzentren an den EU-Außengrenzen sind das Rezept für ein menschenrechtliches Desaster", kritisierte sie und forderte, die Bundesregierung müsse "dringend zu einer menschenrechtsbasierten Politik" zurückkehren. Es sei zu hoffen, "dass in wenigen Wochen nicht die gleiche Debatte tobt - denn diese öffentliche Diskussion war Wasser auf den Mühlen der Rechtspopulisten", monierte sie.
Merz warnt vor neuer "Migrationskrise"
Der Unionsfraktionsvorsitzende Friedrich Merz (CDU) bezeichnete die Ergebnisse des Treffens ebenfalls als enttäuschend. Gleichzeitig warnte er vor einer neuen "Migrationskrise". Den Zeitungen der Funke Mediengruppe sagte Merz, ohne wirksamen Grenzschutz, Druck auf die Herkunftsstaaten und eine echte Rückführungsoffensive schlittere Deutschland "in eine neue Migrationskrise". Die irreguläre Migration müsse spürbar begrenzt werden. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) warf er das Aussitzen der Probleme vor:
Bundeskanzler Scholz spielt auf Zeit und will die Probleme bis zum November aussitzen.
Damit werde die Situation für Helfer, Landräte und Geflüchtete immer schwieriger.
Nouripour zeigt Verständnis für Kommunen
Der Grünen-Co-Parteichef Omid Nouripour äußerte im ARD-Morgenmagazin ebenfalls Verständnis für den Frust der Kommunen. Er sagte: "Die Kommunen tragen eine große Last" - gerade einige Kommunen seien da am Limit. Er verstehe alle, die sagten, man müsse eine langfristige Lösung für diese Fragen finden. "Wer sich von Gipfel zu Gipfel hangelt, der kriegt keinen Boden unter die Füße", fügte er hinzu.
Nouripour wertete die Einigung zwischen Ländern und Bund aber als Etappensieg. Er sagte: "Jenseits aller Diskussionen ist es gelungen, dass jetzt Geld fließt."
Faeser: "Ich freue mich sehr über die Einigung"
Positiv bewertete Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) die Ergebnisse des Bund-Länder-Treffens. "Ich freue mich sehr über die Einigung, die zeigt, dass alle staatlichen Ebenen gemeinsam ihrer großen humanitären Verantwortung gerecht werden", teilte Faeser mit.
Dieses Maßnahmenpaket spiegelt exakt die Grundlinien unserer Flüchtlingspolitik wider: Wir schützen die Menschen, die vor Krieg und Terror geflüchtet sind.
Damit man hierzu weiter in der Lage sei, das zu leisten, begrenze man die "irreguläre Migration", führte Faeser weiter aus.