Habeck und die Wirtschaft Geschichte einer Entfremdung
Wirtschaftsminister Habeck hatte schon bessere Tage. Zu Beginn seiner Amtszeit kam der Grüne sogar in der Wirtschaft gut an. Inzwischen ist das Verhältnis merklich abgekühlt.
Aus dem Mund eines Grünen-Politikers klang das unerwartet: "Wir müssen darauf vertrauen, dass die Effizienzkraft des Marktes die günstigsten und innovativsten Techniken nach vorn bringt." Ganz bewusst stellte sich Robert Habeck nach der Übernahme seines Amtes als Wirtschafts- und Klimaminister in die Tradition von Ludwig Erhard. Habeck lobte nicht nur die Kreativität der Märkte, sondern warnte auch vor ständig neuen Subventionen. Die seien lediglich die "Ultima Ratio der Wirtschaftspolitik".
Bei Unternehmern und Verfechtern der Sozialen Marktwirtschaft kam das gut an. Auf großen Tagungen - ob beim Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) oder sogar beim Wirtschaftsrat der CDU - konnte Habeck mit seiner offenen Kommunikation und seiner zupackenden Art punkten. Natürlich könne man darüber klagen, wie groß die Herausforderungen seien. Aber er wolle lieber gemeinsam mit der Wirtschaft nach Lösungen suchen, insbesondere für die Verbindung von wirtschaftlichem Erfolg und Klimaschutz. Da klatschten auch Unternehmer, die politisch eher bei CDU/CSU oder FDP angesiedelt sind.
Habeck imponierte erst ...
Dass Habeck nach dem Einmarsch Russlands in der Ukraine schnell begann, Alternativen zum russischen Gas voranzubringen, imponierte Unternehmern ebenfalls. Erst die schnelle Genehmigung von LNG-Terminals und dann die Bereitschaft, Gas durch Kohle zu ersetzen - und das gegen Widerstände in den eigenen Reihen.
Doch mit den immer weiter steigenden Energiepreisen ist das Verhältnis zwischen Habeck und Wirtschaft deutlich abgekühlt. Vieles werde angekündigt, aber nicht umgesetzt, heißt es oft. "Wir würden ja gerne Gas sparen", sagt Daimler Truck-Vorstand Martin Daum gegenüber der FAZ, "wir dürfen aber nicht". Die Möglichkeit, Gas durch Öl zu ersetzen - Fachleute reden vom Fuel Switch - sei mit so großen Hürden bei der Genehmigung verbunden, dass man dies bisher noch nicht realisieren konnte: Die Genehmigungsprozesse dauerten nicht weniger als ein Jahr, beklagt Daum.
... und enttäuschte bald
Ähnliches weiß Reinhold von Eben-Worlée zu berichten, der Präsident des Verbands "Die Familienunternehmer". Vieles, was Habeck versprochen habe, wie die Beschleunigung von Genehmigungsverfahren und den Abbau von Bürokratie, habe er bis heute nicht eingehalten: "Hier ist sein Ministerium einfach zu langsam und er ist zu träge."
Nicht nur bei Familienunternehmern hat sich Frust aufgebaut. Viele Wirtschaftsvertreter fragen sich, ob Habeck den Ernst der Lage begriffen habe. Seine Aussage, es gebe die Chance, trotz fehlender Gaslieferungen gut über den Winter zu kommen, wenn viel gespart werde und man "ein bisschen Glück mit dem Wetter" habe, sorgt für Unverständnis.
Dabei gebe es jetzt nichts Wichtigeres, als den Energiesektor zu stabilisieren, sagt Reinhold von Eben-Worlée. Die Politik müsse alles tun, um die Energiepreise runterzukriegen und die Energieverfügbarkeit zu sichern: "Dafür brauchen wir alle Energieformen, sowohl Kohle als auch Kernkraft, um das zu gewährleisten." Ganz ähnlich steht es in einer Resolution des DIHK: Alle verfügbaren Kraftwerke müssten ans Netz - "ohne Wenn und Aber".
Wenig Verständnis für "Reservebetrieb"
Verständnis für Habecks Votum für einen so genannten "Reservebetrieb" von zwei süddeutschen Atomkraftwerken? In der Wirtschaft Fehlanzeige. BDI-Präsident Siegfried Rußwurm hatte schon im Sommer gewarnt: "Es brennt lichterloh." Nun ruft inständig dazu auf, noch einmal über einen längeren Betrieb der Atomkraftwerke nachzudenken. Eine einmalige Verlängerung mit neuen Brennstäben würde gerade einmal 1,3 Prozent mehr Atommüll produzieren, sagt Rußwurm im Morgenmagazin von ARD und ZDF. Um die Strompreise zu senken, müsse alles an Strom produziert werden, was geht. In der aktuellen Situation drei grundlastfähige Kernkraftwerke abzuschalten, sei jedenfalls "verdammt mutig", so Rußwurm.
Für Enttäuschung sorgt in der Wirtschaft auch, dass in den bisherigen Entlastungspaketen fast nichts für sie vorgesehen ist. Im Gegenteil: Die Gasumlage treffe die Wirtschaft mit voller Wucht, und die geplante Absenkung der Mehrwertsteuer auf Gas stellt für Unternehmen in der Regel keine Entlastung dar.
Die inzwischen angekündigte Ausweitung von Energiehilfen auf den Mittelstand müsse baldmöglichst kommen, mahnt denn auch Handwerks-Präsident Hans Peter Wollseifer. Man brauche binnen kürzester Zeit Soforthilfen: "Wenn uns die Hilfen erst irgendwann im nächsten Jahr erreichen, dann wird es viele Tausend Betriebe im Handwerk nicht mehr geben."
In Hintergrundgesprächen verweisen Unternehmer nicht zuletzt auf den unglücklichen Beitrag von Habeck in der Sendung "Maischberger" vor zwei Wochen. Die Vorstellung, Betriebe könnten längerfristig überleben, wenn sie wegen der hohen Energiepreise kurzfristig nicht mehr produzieren könnten, quittieren sie mit einem Kopfschütteln. Es scheint, dass einiges zu tun ist, um das angeschlagene Verhältnis zwischen Wirtschaft und Minister wieder zu kitten.