Messerangriff in Illerkirchberg Ein traumatisierter Ort
Heute beginnt der Prozess gegen einen Mann aus Eritrea, der in Illerkirchberg zwei Mädchen auf dem Schulweg niedergestochen haben soll. Die Tat hat tiefe Spuren hinterlassen - auch wenn nichts mehr an sie erinnert.
Es war ein Angriff, der Illerkirchberg schwer traumatisiert hat. Am frühen Morgen des 5. Dezember stach ein 27-jähriger Geflüchteter scheinbar wahllos auf zwei Mädchen auf dem Schulweg ein. Ein 14-jähriges Mädchen starb noch am Tatort, ihre 13-jährige Freundin wurde schwer verletzt - so stellt es die Staatsanwaltschaft dar. Die Schock in der beschaulichen Gemeinde sitzt tief, die Anteilnahme ist groß. Mehr als 1000 Menschen kamen zur Beerdigung.
Das Haus ist abgerissen
Heute, ein halbes Jahr später, erinnert in Illerkirchberg allerdings nichts mehr an die Tat. Die Mauer, an der die 14-Jährige niedergestochen wurde, hat die Gemeinde penibel reinigen lassen. Das Haus, in dem der Mann aus Eritrea zusammen mit drei weiteren Geflüchteten lebte, ist abgerissen - auch auf Wunsch der Familie des Opfers, teilt die Gemeinde mit. Es sei ohnehin marode gewesen, heißt es.
Das Haus, in dem der Mann aus Eritrea zusammen mit drei weiteren Geflüchteten lebte, wurde abgerissen.
Ein Abschluss für die Menschen der 5000-Einwohner-Gemeinde? "Es macht nicht wirklich einen Unterschied", sagt Fynn Raminger, der in Illerkirchberg wohnt. Ob noch viele über die grausame Tat sprechen? Er schüttelt den Kopf. "Ich weiß aber nicht, ob schon alles beredet ist oder es einfach unter den Teppich gekehrt wird."
Viele Illerkirchberger wollen sich nicht öffentlich äußern. "Wir reden nicht darüber in der Nachbarschaft", sagt eine Frau, die ihren Nachnamen nicht nennen will."Ich halte mich da immer raus, denn egal was man sagt, man wird automatisch in die eine oder andere Ecke gedrängt."
Rechte Gruppierungen und Anfeindungen
Tatsächlich kreuzten schon kurz nach der Tat rechte Gruppierungen im Ort auf. Die AfD hielt eine Kundgebung gegen die Migrationspolitik der Bundesregierung ab, kurze Zeit später kam die als rechtsextrem geltende Kleinpartei "Der III. Weg". Anwohner Rudolf Fenker kann damit bis heute nichts anfangen. "Die Tat ist eine schlimme Sache, aber so werden alle Ausländer über einen Kamm geschert", sagt er.
Auch der Helferkreis Illerkirchberg, eine ehrenamtliche Organisation, die auch den Angeklagten nach seiner Ankunft im Ort betreute, habe nach der Tat Anfeindungen erlebt, sagt ein Mitarbeitender. Deshalb wolle man sich nicht mehr äußern.
Markus Häußler, parteiloser Bürgermeister, lässt sich auf Anfrage von tagesschau.de ebenfalls entschuldigen - mit Hinweis auf die zahlreichen Medienanfragen und seinen übervollen Terminkalender. Der Nachrichtenagentur dpa teilte er Anfang der Woche mit, dass er auch nach einem halben Jahr immer noch von großer Traurigkeit erfüllt sei. Der 5. Dezember habe in der Geschichte der Gemeinde tiefe Spuren hinterlassen.
Die Frage nach dem Warum
Spuren, über die jedoch nur wenige im Ort offen sprechen möchten. Bis heute rätselt Illerkirchberg über das Motiv des Mannes. Anwohnerin Anna Daubner erzählt, sie sei öfter an dem Haus vorbeigekommen, in dem der Angeklagte gewohnt hatte. "Die waren sehr freundlich und haben gegrüßt", sagt sie. Mehr habe man im Ort allerdings mit den vier Männern aus Eritrea nicht zu tun gehabt.
Der Mann selbst soll in den Vernehmungen durch die Polizei angegeben haben, er habe mit dem Messer auf der Ausländerbehörde einen Pass erpressen wollen. Nach wenigen Metern habe er aber Panik bekommen. Daraufhin habe er auf die Mädchen eingestochen, weil er fürchtete, sie hätten sein Messer gesehen und könnten ihn bei der Polizei anzeigen.
Weitere Details soll der Prozess vor dem Landgericht Ulm zu Tage fördern. Das Verfahren rüttelt die Gemeinde Illerkirchberg einmal mehr auf. Ob sie nach einem Urteil zur Ruhe kommt, ist mehr als fraglich. Die Wunden werden wohl noch lange bleiben - auch wenn die oberflächlichen Spuren der Tat im Ort beseitigt sind.