Eine Computergrafik zeigt die in Magdeburg geplante Chipfabrik des US-Konzerns Intel.
analyse

Nebenhaushalt der Ampel Wenn der Klimafonds zur Allzweckwaffe wird

Stand: 09.08.2023 17:52 Uhr

In der Finanzpolitik der Ampel spielen Nebenhaushalte wahrlich keine Nebenrolle. Jüngstes Beispiel: der milliardenschwere Klima- und Transformationsfonds. Mit ihm lassen sich neuerdings sogar Chiphersteller ködern.

Von Martin Polansky, ARD-Hauptstadtstudio

Es war im Dezember 2021. Die Ampel-Regierung war gerade erst im Amt, da beschloss sie kurzerhand einen Nachtragshaushalt. Wichtigster Zweck: Das Sondervermögen "Energie- und Klimafonds" sollte üppig ausgestattet werden. Wegen der Corona-Pandemie war die Schuldenbremse zu der Zeit ausgesetzt. Aber 60 Milliarden Euro an Kreditermächtigungen zur Bewältigung der Pandemie wurden gar nicht gebraucht. Also entschied sich die Ampel-Regierung, die Gunst der Stunde zu nutzen, und verschob die 60 Milliarden Euro in den damaligen Energie- und Klimafonds - zur späteren Verwendung für den klimagerechten Umbau des Landes.

Bereits seit 2010 gibt es den Fonds, der inzwischen Klima- und Transformationsfonds (KTF) heißt. Aber erst die Ampel-Regierung hat den KTF mit ihrer 60-Milliarden-Euro-Überweisung zu dem gemacht, was er heute ist. Der Fonds ist für die Ampel das wichtigste Sondervermögen, der wichtigste Nebenhaushalt zur Finanzierung besonderer Ausgaben, die mit Klimaschutz und Transformation zu tun haben. Fördermittel jenseits des regulären Bundeshaushalts, der durch die strengen Regeln der Schuldenbremse nur begrenzten Spielraum für Investitionen lässt.

Ampel setzt auf Nebenhaushalt

Jetzt brachte das Bundeskabinett den aktuellen Wirtschaftsplan des KTF auf den Weg. Das Zahlenwerk zeigt, dass die Ampel-Regierung stärker denn je auf den Nebenhaushalt setzt. Waren im vergangenen Wirtschaftsplan noch Gesamtausgaben in Höhe von 177 Milliarden Euro vorgesehen, geht die Bundesregierung nun bis einschließlich 2027 von knapp 212 Milliarden Euro aus. Allein im kommenden Jahr sollen gut 57 Milliarden Euro fließen. Zum Vergleich: Für das Sondervermögen Bundeswehr sind bis 2027 insgesamt 100 Milliarden Euro vorgesehen.

Insbesondere für das grün-geführte Bundeswirtschaftsministerium ist der Fonds von immenser Bedeutung. Robert Habecks Ministerium verfügt über mehr als 80 Prozent der Mittel. Fast 19 Milliarden Euro sollen im kommenden Jahr in die energetische Gebäudesanierung fließen. Dazu zählen auch Mittel zur "sozialen Abfederung des Gebäudeenergiegesetzes", wie das Wirtschaftsministerium mitteilt. Sprich: Aus dem Fonds soll der im Heizungsgesetz vorgesehene Austausch von Öl- und Gasheizungen finanziell gefördert werden. Allerdings wird an der genauen Ausgestaltung der Programme noch gearbeitet. Zudem sind 800 Millionen Euro für das Wärmenetz vorgesehen.

Neuer Förderzweck: Subventionen für Chip-Fabriken

Auch industriepolitisch ist der Fonds von Bedeutung. Allein im nächsten Jahr sollen rund 3,7 Milliarden Euro in den Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft fließen. Die Bundesregierung setzt darauf, dass Industriebranchen wie Stahl, Zement oder Chemie zukünftig klimafreundlichen Wasserstoff in der Produktion einsetzen können, um den CO2-Ausstoß zu reduzieren.

Bemerkenswert ist, dass aus dem KTF zukünftig auch Investitionen in die Mikroelektronik gefördert werden sollen. Im Wirtschaftsplan ist von einem "neuen Förderzweck" die Rede. Und: "Die Halbleiterproduktion hat eine hohe Relevanz für klimaneutrale Technologien und ist damit für eine erfolgreiche Transformation der deutschen Wirtschaft hin zu Klimaneutralität von großer Bedeutung."

Zuletzt hatte das Wirtschaftsministerium Milliardensubventionen für die Ansiedlung von Halbleiterwerken in Magdeburg und Dresden angekündigt. Das Geld ließe sich aus dem auf Kante genähten Bundeshaushalt nicht aufbringen. Also greift die Bundesregierung nun auf das Sondervermögen Klimafonds zurück.

Milliarden für die Bahn

Ein ähnliches Vorgehen betrifft die Deutsche Bahn. Sie hat erheblichen Investitionsbedarf, der aus dem Bundeshaushalt nur zum kleineren Teil gedeckt werden kann. Daher sollen bis 2027 gut zwölf Milliarden Euro aus dem KTF für Investitionen in die Schiene bereitgestellt werden. Der Nebenhaushalt KTF als Allzweckwaffe.

Dabei zeigt der Wirtschaftsplan einige Finanzierungslücken. So ist im Jahr 2027 eine sogenannte globale Minderausgabe in Höhe von 7,6 Milliarden Euro verzeichnet. Das Geld fehlt nach jetziger Planung also noch. Finanzpolitiker der Ampel verweisen auf Nachfrage darauf, dass Fördermittel häufig nicht vollständig ausgeschöpft werden - Gelder also liegen bleiben, die später verwendet werden können.

Immer wieder warnen Finanzexperten aber auch davor, dass der Fonds überbucht werden könnte, weil immer mehr Ausgaben für den Klimaschutz und andere Projekte aus dem KTF finanziert werden sollen. Laut Wirtschaftsplan gilt aber, dass bis 2027 keine zusätzlichen Mittel aus dem Bundeshaushalt in den Fonds fließen sollen.

Heizen und Tanken werden teurer

So müssen die Einnahmen des KTF anderweitig erhöht werden. Der Fonds profitiert von den Erlösen aus dem Europäischen Emissionshandel und aus der nationalen CO2-Bepreisung im Verkehrs- und Gebäudesektor.

Derzeit fällt für Benzin, Erdgas oder Heizöl ein Preis von 30 Euro pro Tonne CO2 an. 40 Euro sollen es im kommenden Jahr sein, 50 Euro sind für das Jahr 2025 vorgesehen. Diese Anstiege dürften das Heizen und Tanken schrittweise spürbar verteuern. Der Branchenverband für Mineralöl und Energie AFM+E rechnet an den Zapfsäulen mit einem Plus von vier Cent pro Liter im kommenden Jahr. Gleichzeitig soll der KTF im kommenden Jahr rund 2,3 Milliarden mehr einnehmen durch den Anstieg der CO2-Bepreisung.

Ist das alles rechtlich erlaubt?

Auch nach früheren Planungen sollte der CO2-Preis schrittweise angehoben werden. Wegen der Energiekrise im vergangenen Jahr und den damit verbundenen Belastungen waren die Pläne aber ausgesetzt worden. FDP-Finanzminister Christian Lindner spricht nun von einer CO2-Bepreisung mit Augenmaß, die auch die aktuelle Wachstumsschwäche im Blick haben müsse.

Aber etwas anderes muss Lindner ebenfalls im Blick behalten. Und da ist man wieder im Dezember 2021. Die Unionsfraktion hat gegen die damalige Umwidmung der Corona-Kredite für den Klimaschutz Klage beim Bundesverfassungsgericht eingereicht, weil sie das Vorgehen für grundgesetzwidrig hält. Auch der Bundesrechnungshof kritisierte damals das Vorgehen. Denn die Schuldenbremse sei wegen der außergewöhnlichen Notsituation der Pandemie ausgesetzt worden. Es fehle also der Zusammenhang, um die Mittel für den Klimaschutz zu verwenden.

Der Klimafonds steht wegen der damaligen Überweisung in Höhe von 60 Milliarden Euro teilweise rechtlich also auf etwas unsicheren Beinen. Sollte Karlsruhe die damalige Aktion nachträglich kippen, wäre das für die Finanzierung der Klimapläne der Ampel ein schwerer Schlag.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete BR24 am 09. August 2023 um 16:09 Uhr.