Deutscher Botschafter in Russland "Eine sehr schwierige Aufgabe"
Es ist derzeit einer der schwierigsten Jobs in der Diplomatie: deutscher Botschafter in Moskau. Der FDP-Politiker Alexander Graf Lambsdorff wird diesen Posten im Sommer antreten. Ganz fremd ist ihm Russland nicht.
Ob er sich vorstellen könnte, Botschafter in Moskau zu werden, das fragte Außenministerin Annalena Baerbock den FDP-Politiker Alexander Graf Lambsdorff vor einigen Monaten. "Ich habe erst mal durchgeatmet, denn das ist ja absehbar eine sehr schwierige Aufgabe", erzählt Lambsdorff im Gespräch mit dem ARD-Hauptstadtstudio. Also bat er die Ministerin um ein Wochenende Bedenkzeit.
Soll er wirklich auf Abstand gehen - zur Heimat in Bonn und Berlin? Zur aktiven Politik im Bundestag? Schnell steht für den 56-Jährigen fest, dass er das will. Weil er sich freut, dass man ihm die große Aufgabe zutraut in Kriegszeiten in Europa den Draht zur russischen Regierung zu halten. Aber auch, weil sich für Lambsdorff - den gelernten Diplomaten - damit persönlich Kreise schließen. "Ich komme tatsächlich wieder an, wo ich war."
Auf dem Fußballplatz bei minus 20 Grad
Die Diplomatie und Russland - für Lambsdorff, der aus deutsch-baltischen Adelskreisen stammt, ist das eine lange Geschichte. Manche seiner Vorfahren waren in russischen Staatsdiensten, noch vor der Oktoberrevolution. Ein entfernter Verwandter namens Wladimir Lamsdorf, also in etwas anderer Schreibweise, war sogar Anfang des 20. Jahrhunderts russischer Außenminister.
Für den FDP-Politiker persönlich geht die Sache mit der Diplomatie und Moskau auf gewisse Art vor 40 Jahren los: In den 1980er Jahren besucht er als Teenager seinen Vater, der damals an der Deutschen Botschaft in Moskau arbeitet. Später macht Lambsdorff selbst eine Diplomatenausbildung. Und landet 1996 zum Sprachunterricht wieder in Russland - in Sibirien.
Dort spielt er in der Freizeit beim "Club der aufrechten Verehrer des Fußballsports". "Ein wunderbarer Name für eine Fußballmannschaft", erinnert sich Lambsdorff. "Da haben wir auf geschlossener Schneedecke bei minus 20 Grad das Winterturnier gespielt. Ich habe selten so viel Spaß beim Fußball gehabt wie damals." Es sind nostalgische Erinnerungen an eine bessere Zeit. Da entwickelt Lambsdorff auch seine Zuneigung zu den Menschen in Russland, wie er erzählt.
Klare Sprache, kontroverse Debatten
Dennoch geht es für ihn erst mal anderswo weiter und zwar in der Politik. Ein politisches Vorbild war sein Onkel Otto Graf Lambsdorff. Und so ist es als Partei natürlich die FDP, für die Lambsdorff erst nach Brüssel ins Europäische Parlament geht und dann in den Bundestag.
Lambsdorff profiliert sich als Außenpolitiker, er mag klare Sprache und kontroverse Debatten, wird gern in Talkshows eingeladen. Muss er sich nach 20 Jahren in der Politik umstellen, wenn er jetzt Botschafter wird? Ein bisschen schon, glaubt Lambsdorff: "Einfach mal die Meinung rauszuhauen, wenn man glaubt, die Opposition macht mal wieder was, was nicht so sinnvoll ist oder auch vielleicht ein Koalitionspartner, das wird natürlich jetzt als Diplomat nicht gehen."
Diplomatie heißt für Lambsdorff aber nicht, den Mund zu halten. Die Politik von Wladimir Putin kritisiert er schon lange. Gerade das wird er nun weiter tun, wenn er als Botschafter in Moskau die deutsche Position vertritt. Er bekräftigt, dass er die russische Kultur und das Land mag und fügt hinzu: "Aber das ändert nichts daran, dass das Urteil über die Politik nüchtern und sachlich ausfallen muss. Und das nüchterne und sachliche Urteil zurzeit kann natürlich nicht positiv ausfallen."
Diplomatie-Begriff nicht missbrauchen
Lambsdorff grenzt sich deutlich von denen ab, die nach einem schnellen Deal mit Russland rufen, womöglich zulasten der Ukraine, nur damit die Kämpfe enden. Denn, Diplomatie sei das nicht. "Dann wird der Begriff missbraucht und beinhaltet nicht eine Verhandlung auf Augenhöhe, sondern die Kapitulation der einen Seite zugunsten der anderen."
Seine Aufgabe in Moskau wird es sein, überhaupt einen gewissen Kontakt zu halten zur russischen Regierung. Und Analysen der russischen Politik nach Berlin zu liefern. Schicke Empfänge und repräsentative Termine, die sonst auch zum Botschafterleben gehören, dürfte es kaum geben. Seit dem russischen Überfall auf die Ukraine liegen die deutsch-russischen Beziehungen in Trümmern.
Abschied von Berlin, Umzug nach Moskau
Eine Verbesserung hält er da höchstens langfristig für möglich: "Meine Hoffnung ist, dass wir eines Tages wieder in einer Situation sind, wo wir diesen reichen Fundus dieser tiefen bilateralen Beziehungen auch wieder nutzen können für eine bessere Zukunft."
Diese Zukunft liegt allerdings in weiter Ferne. Das ist Lambsdorff bewusst. Jetzt steht erst mal Organisatorisches auf dem Plan: das Bundestagsbüro in Berlin auflösen, den Umzug auf den Weg bringen.