Maas verlässt Bundestag Im Zickzack-Kurs durch die Politik
Nach 28 Jahren beendet Heiko Maas seine politische Karriere. Aufwärts ging es für ihn eigentlich erst, nachdem er im Saarland dreimal scheiterte. Nun wechselt der Bundesminister a. D. in eine Anwaltskanzlei.
Es ist das vielleicht größte Paradox in der Karriere von Heiko Maas: Dass er seine größten politischen Erfolge wohl nie erreicht hätte, wenn sein größter politischer Wunsch in Erfüllung gegangen wäre: nämlich Ministerpräsident im Saarland zu werden. Dreimal war er angetreten, dreimal hat er verloren.
Dabei galt Maas schon früh als großes politisches Talent, nicht nur für saarländische Verhältnisse. Noch bevor er Juso-Landesvorsitzender wurde, war bereits Oskar Lafontaine auf ihn aufmerksam geworden, damals Ministerpräsident, Bundesvorsitzender und Übervater der Saar-SPD. Lafontaine erkannte das Talent im jungen Juristen, der dann auch 1994 mit gerade einmal 28 Jahren in den Landtag einzog.
Nur vier Jahre später - unter eben jenem Lafontaine - wurde Maas Minister für Umwelt, Energie und Verkehr und damit der bis dato jüngste Landesminister der Republik. Das Amt hatte Maas jedoch nicht lange, denn kurz darauf verließ Lafontaine das Saarland, um als Bundesfinanzminister nach Berlin zu gehen. Die SPD verlor ihr stärkstes Zugpferd und nur wenig später die Landtagswahl.
Maas wurde mit 33 Jahren Oppositionsführer im saarländischen Landtag und wenig später Landesvorsitzender. Die Aufgabe war denkbar groß, die Saar-SPD wieder aufzubauen während Übervater Lafontaine an der Seitenlinie stand und sich immer mehr von dieser SPD entfremdete - und umgekehrt. "Es ging für mich viele Jahre nur darum, den Laden zusammenhalten", sagte Maas später.
"Keinen Bock mehr" auf Lafontaines Stil
Das Verhältnis bekam erste Risse, bis es dann endgültig zerbrach, als Lafontaine mitten im Wahlkampf 2004 laut über die Gründung einer Linkspartei nachdachte. Maas verlor die Wahl - und damit wurden aus Förderer und Gefördertem endgültig Gegner. Lafontaine nannte Maas "undankbar", Maas sagte, er habe auf Lafontaines Stil "schon lange keinen Bock mehr".
Bei der Wahl 2009 holte die Maas-SPD mit 24,5 Prozent ein historisch schlechtes Ergebnis, Lafontaines Linke kam auf 21,3 Prozent. Und statt der ersten rot-rot-grünen Regierung stand am Ende das erste Jamaika-Bündnis Deutschlands. Dass die Koalition aus CDU, FDP und Grünen kaum drei Jahre hielt, half Maas nicht - trotz bester Ausgangslage unterlag er 2012 erneut.
Kein Landesvater
Die Liste der Gründe für Maas' Scheitern im Saarland ist lang und komplex. In keinem anderen westdeutschen Flächenland war die Linkspartei so stark und wilderte dank Gallionsfigur Lafontaine so arg im SPD-Revier wie hier. Erschwerend hinzu kam eine SPD, die sich nach 14 Jahren Lafontaine-Regierung erst wieder neu erfinden musste. Und vor allem: So groß sein politisches Talent war, so schwer tat sich Maas in der Rolle als potenzieller Landesvater. Wo die Kontrahenten und auch seine eigene Nachfolgerin an der SPD-Spitze, Anke Rehlinger, auch die volkstümlichen Noten der Klaviatur beherrschen, blieb Maas in dieser Rolle immer distanziert - als Landesvater konnten ihn sich viele nicht vorstellen.
Für die Saar-SPD stellte sich ab 2012 auch die Frage, wie es nun weitergeht. Man regierte als Juniorpartner in einer Großen Koalition unter Annegret Kramp-Karrenbauer. Maas war Vize-Ministerpräsident und Landesvorsitzender und damit eigentlich unantastbar. Trotzdem wurden die zweifelnden Stimmen lauter, ob Maas mit seinen drei Niederlagen im Gepäck noch der richtige Kandidat für die folgende Wahl wäre. Diese Frage musste jedoch nie beantwortet werden, denn 2013 klingelte das Telefon. Sigmar Gabriel, damals SPD-Bundesvorsitzender, bot Maas überraschend das Amt als Bundesjustizminister an. Maas sagte nach kurzem Überlegen zu und wechselte an die Spree.
Der "Ankündigungsminister"
Aus dem dreifachen Wahlverlierer war plötzlich ein Bundesminister geworden. Und Maas gefiel die Rolle zusehends. "Ich glaube nicht, dass ein Justizminister immer der unbekannteste Minister sein muss", sagte Maas damals und er sollte Recht behalten. Er stieß viele Projekte an, von der Mietpreisbremse über die spätere Musterfeststellungsklage und die Reform des Urheberrechts bis hin zum umstrittenen Netzwerkdurchsetzungsgesetz. In anderen Bereichen blieb es aber oft beim Plan, manch einer sprach von Maas als "Ankündigungsminister".
Doch vor allem fiel Maas in dieser Zeit als Mahner gegen rechts auf, legte sich mit den sogenannten Wutbürgern und AfD an. "Pegida" nannte er als einer der ersten eine "Schande für Deutschland". Er wurde zum Feindbild vieler, im Internet ergossen sich Hass, Hetze und handfeste Bedrohungen über ihn, bei öffentlichen Auftritten musste er immer wieder gegen einen organisierten Chor aus Buhrufen ansprechen und anschreien. "Das, was geschrieben und geschickt wird, ist unterirdisch und voller Hass", sagte er damals. Irgendwann habe er aufgehört, die Dinge zu lesen.
Der Spitzenposten im Justizministerium sollte nicht Maas' letzte Stufe auf der politischen Karriereleiter bleiben. Nach der Bundestagswahl 2018 war eigentlich Martin Schulz der natürliche Kandidat für den Job als Außenminister. Nachdem der sich im Wahlkampf aber zur Aussage hatte hinreißen lassen, er werde kein Minister unter Kanzlerin Angela Merkel, brauchte die SPD plötzlich Ersatz. Und Maas stand bereit.
Tiefpunkt: Afghanistan
An Herausforderungen mangelte es nicht, das Verhältnis zu den USA unter Donald Trump war schlecht wie nie und Europa driftete auseinander. Europa war von Beginn an Maas' bestimmendes politisches Thema, auch die damals schon kriselnde deutsch-französische Freundschaft lag dem Mann aus der Grenzregion nahe. Doch trotz des in seiner Amtszeit unterzeichneten Aachener Vertrages zwischen beiden Ländern blieb am Ende etwas anderes von seiner Amtszeit hängen: Die unrühmliche Rolle auch seines Ministeriums beim Rückzug aus Afghanistan wurde auch sein Scheitern. Er habe über Rücktritt nachgedacht, sagte Maas rückblickend.
Der war dann gar nicht nötig. Im Kabinett von Kanzler Olaf Scholz gab es keinen Platz mehr für ihn. Er wurde einfacher Abgeordneter für den Wahlkreis Saarlouis im Bundestag. Er habe immer gesagt, dass er nicht als Politiker in Pension gehen werde, ließ der inzwischen 56-Jährige Mitte Dezember via Instagram mitteilen, als er sein Ausscheiden aus der Politik bekanntgab. Maas, gelernter Jurist und Bundesjustizminister und Bundesaußenminister a.D., wechselt in eine Berliner Anwaltskanzlei.