Begrenzung der Migration Merz bietet Scholz gemeinsame Lösungssuche an
Kanzler Scholz hat die Migrationspolitik zur Chefsache erklärt. Die Zahl ankommender Geflüchteter sei zu hoch. CDU-Chef Merz bot ein Treffen zur gemeinsamen Lösungssuche an. Innenministerin Faeser reagierte skeptisch.
Der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz hat Bundeskanzler Olaf Scholz zur Suche nach gemeinsamen Wegen in der Migrationspolitik aufgerufen. Er schlug ein erstes Treffen unmittelbar nach den Landtagswahlen in Bayern und in Hessen vor, die am 8. Oktober stattfinden. In einer Rede auf dem Landesparteitag der CDU in Magdeburg bot Merz dem Bundeskanzler an, "dass wir am Morgen des 9. Oktober mit ihrer Innenministerin oder ohne ihre Innenministerin, am Morgen des 9. Oktober zusammenkommen und nach gemeinsamen Lösungen suchen, um dieses Problem in Deutschland schnell zu lösen".
Nach Scholz' Ankündigung eines "Deutschlandpakts" sei nichts passiert. "Wenn es mehr sein soll als nur ein PR-Gag, dann wird es jetzt wirklich Zeit, dass wir uns zusammensetzen", sagte Merz mit Blick auf die gestiegene Zahl von Migranten.
Faeser reagiert zurückhaltend auf Angebot
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) reagierte zurückhaltend auf das Angebot des CDU-Vorsitzenden. "Ich finde das etwas entlarvend", sagte Faeser, die auch SPD-Spitzenkandidatin für die hessische Landtagswahl ist. Es gehe bei dem Thema um Leid von Menschen und darum, den Zusammenhalt in Deutschland zu organisieren. "Da ist das Thema sicherlich nicht geeignet für Wahlkampf", sagte Faeser. "Ich hoffe, dass Herr Merz das beherzigt." Scholz habe der Opposition Anfang September die Hand gereicht. "Ich werte das mal als Annehmen dieser Hand."
Ein Sprecher der Bundesregierung sagte auf Anfrage der Nachrichtenagentur dpa, über eine konkrete Terminfindung könne er derzeit nichts berichten. Er verwies auf ein Interview des Bundeskanzlers im ARD-Hörfunk, in dem Scholz gesagt habe: "Herr Merz kann immer einen Termin mit mir haben."
Scholz: "Es kann ja nicht bleiben wie bisher"
Der Bundeskanzler machte in mehreren Interviews deutlich, dass er dringenden Handlungsbedarf sieht. "Die Zahl der Flüchtlinge, die nach Deutschland streben, ist im Moment zu hoch", sagte Scholz dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). "Es kann ja nicht bleiben wie bisher: Mehr als 70 Prozent aller Flüchtlinge, die in Deutschland ankommen, sind vorher nicht registriert worden, obwohl sie nahezu alle in einem anderen EU-Land gewesen sind."
Der SPD-Politiker betonte, Deutschland unterstütze den Schutz der europäischen Außengrenzen, setze zusätzliche Grenzsicherungsmaßnahmen zu Österreich fort, habe mit der Schweiz und Tschechien gemeinsame Kontrollen auf deren Seite vereinbart. Moldau und Georgien, die in die EU streben, würden zu sicheren Herkunftsländern erklärt. Die polnische Regierung in Warschau sei aufgefordert, dass nicht weiter Visa verkauft und Flüchtlinge nach Deutschland durchgewunken werden, ergänzte Scholz. Deshalb seien die Kontrollen an der Grenze zu Polen verschärft worden. Auf die Frage, ob die steigende Zahl Geflüchteter damit unmittelbar eingedämmt werde, antwortete Scholz: "Wir hoffen, dass sich das schnell bemerkbar macht."
Scholz für "atmenden Deckel" bei Kosten
Bei irregulärer Migration gehe es darum, einen klaren Kurs zu haben, erläuterte Scholz in einem Interview mit dem SWR. Dazu gehört für ihn, dass diejenigen abgeschoben werden, die illegal im Land sind. "Das sind klare Sätze und wir müssen sehr klare, präzise Politik machen, damit wir unsere Gesetze auch durchsetzen können. Aber das muss einen nicht dazu verführen, mit seinen Worten ungeschickt zu sein", sagte Scholz in Richtung von CDU-Chef Merz, der mit Aussagen zu Zahnarztbesuchen für heftige Kritik gesorgt hatte - teils auch in der eigenen Partei.
Mit den Bundesländern will Scholz bei der für November geplanten Ministerpräsidentenkonferenz "ein dauerhaftes System für die Kommunen" entwickeln, wie er dem RND sagte. Kernpunkt sei ein "atmender Deckel"; so würde eine Pauschale pro Flüchtling festgelegt. Trotz der Streitigkeiten in der Ampelkoalition zur Verschärfung des europäischen Asylsystems betonte er: "Die Bundesregierung ist sich völlig einig darin, die irreguläre Migration in die Europäische Union zu stoppen. Das geht nur gemeinsam und solidarisch. Deutschland wird dort nach Kräften mithelfen."
Auf dem CDU-Landesparteitag sprach sich auch Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) für eine stärkere Begrenzung der Migration aus. Dafür brauche man keine neuen Ideen, sagte Haseloff. Er habe bereits 2015 gesagt, dass es eine faktische Integrationsobergrenze gebe. Die Ressourcen seien begrenzt. "Helfen tun wir immer. Aber Integration gelingt eben nur bis zu einem bestimmten Maße." Haseloff sagte, er wolle keinen Menschen in einem Zelt unterbringen müssen. Der Regierungschef betonte, europäische Vereinbarungen müssten auch durchgesetzt werden.
Strack-Zimmermann skeptisch bei Obergrenze
Die FDP-Spitzenkandidatin für die Europawahl, Marie-Agnes Strack-Zimmermann, zeigte sich derweil skeptisch mit Blick auf verstärkte Grenzkontrollen zu Polen und Tschechien. Punktuelle Kontrollen sollten immer nur eine Ausnahme bleiben, sagte sie den Zeitungen der Funke Mediengruppe. "Illegale Migration muss bereits an den europäischen Außengrenzen unterbunden werden." Strack-Zimmermann lobte in diesem Zusammenhang die Pläne für eine europäische Asylreform. "Wir dürfen nie außer Acht lassen, dass wir eine geregelte Einwanderung in unseren Arbeitsmarkt, nicht aber in die Sozialsysteme brauchen."
Die FDP-Politikerin sprach sich dafür aus, die Liste der sicheren Herkunftsländer zu erweitern. "Dazu gehören Moldau, Georgien und auch die Maghreb-Staaten Marokko, Tunesien und Algerien." Scharf wandte sich Strack-Zimmermann gegen die Forderung von CDU und CSU nach einer Obergrenze für Migration. "Steht da jemand an der Grenze und zählt? Und wenn die 200.000 erreicht sind, wird der Zweihunderttausendunderste abgewiesen?" sagte sie.
Die Migrationsbeauftragte der Bundesregierung, Reem Alabali-Radovan, sprach sich deutlich gegen die Einführung einer Obergrenze für Flüchtlinge aus. "Solche Diskussionen heizen nur die Stimmung weiter an, entmenschlichen Geflüchtete", sagte die SPD-Politikerin der "Neuen Osnabrücker Zeitung". Eine Obergrenze sei "vollkommen abwegig, zudem rechtswidrig". Dabei gehe es nur noch um Zahlen, persönliche Schicksale würden dahinter verschwinden.
Wissing für Bezahlkarten statt Geldauszahlung
Auch die Debatte über Änderungen von Faktoren, die Deutschland als Zielland für Schutzsuchende im Vergleich zu anderen europäischen Staaten möglicherweise attraktiv machen, ging unterdessen weiter. Bundesdigitalminister Volker Wissing (FDP) will Asylbewerber künftig mit Bezahlkarten ausstatten und im Gegenzug die Geldzahlungen einstellen. Mit einer bundesweit gültigen Bezahlkarte könnten Asylbewerber "ihren täglichen Lebensbedarf im Einzelhandel decken", sagte Wissing der "Bild". Rücküberweisungen in die Herkunftsländer der Geflüchteten seien aber ausgeschlossen. Direkte Geldzahlungen an Asylsuchende seien "ein Anreiz zur Einreise in die Sozialsysteme", sagte Wissing. "Diesen entscheidenden Pull-Faktor müssen wir angehen. Daher wollen wir als FDP die Umstellung von Geld- auf Sachleistungen."
Die Union forderte zur Umstellung von Bargeld auf Sachleistungen für Geflüchtete eine Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes. "Ich bin dafür, die Gesetzeslage so zu ändern, dass Sachleistungen während des gesamten Asylverfahrens Vorrang vor der Auszahlung von Geld haben", sagte der innenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Alexander Throm, den Zeitungen der Neuen Berliner Redaktionsgesellschaft. "Die vergleichsweise hohen Geldzahlungen für Asylantragsteller bei uns sind zweifellos ein Anreiz für viele irregulären Migranten, gerade nach Deutschland einzureisen." Allerdings sei auch die flächendeckende Einführung von Bezahlkarten in den Ländern und Kommunen "kein Allheilmittel", sagte Throm.
Bundeskanzler Scholz zeigte sich in diesem Punkt offen für Anpassungen, die darauf hinauslaufen, Leistungen an Asylbewerber nicht mehr in Form von Bargeld, sondern in Form von Gutscheinen auszuzahlen. "Wir haben die gesetzliche Möglichkeit dazu geschaffen", sagte er dem SWR. Die Bundesländer könnten es ausprobieren, hätten es bislang aber nicht getan.