Polen zu Scholz' Äußerungen "Das ist eine außergewöhnliche Frechheit"
Polen hat empört auf die Bemerkungen von Kanzler Scholz zur Visa-Affäre reagiert. Außenminister Rau warf ihm eine Einmischung in den polnischen Wahlkampf vor. Justizminister Ziobro sprach von einer "außergewöhnlichen Frechheit".
Polens Außenminister Rau machte den Anfang mit seiner scharfen Kritik an Äußerungen des deutschen Bundeskanzlers zur polnischen Visa-Affäre. Dann schossen sich weitere Regierungsmitglieder auf Olaf Scholz ein. "Das ist eine außergewöhnliche Frechheit des deutschen Kanzlers", sagte Justizminister Zbigniew Ziobro zu Scholz' Bemerkungen bei einem Wahlkampfauftritt in Bayern.
Kulturminister Glinski sprach von deutschem Hochmut und unterstellte: "Deutschland will in Europa regieren und alle belehren, das können wir nicht zulassen." Zuvor hatte Außenminister Rau dem deutschen Bundeskanzler Einmischung in den polnischen Wahlkampf vorgeworfen.
Scholz: Migranten nicht durchwinken
Scholz hatte mit Blick auf die steigende Zahl von Migranten an der deutsch-polnischen Grenze gesagt, er wolle nicht, dass aus Polen einfach durchgewinkt werde. Es müsse so sein, dass "wer in Polen ankommt, dort registriert wird und dort ein Asylverfahren macht". Und nicht dass Visa, die irgendwie für Geld verteilt worden seien, das Problem noch vergrößerten.
Tatsächlich gelangen über die sogenannte Belarus-Route seit längerem Menschen aus dem Nahen Osten und Afrika nach Polen und reisen dann weiter nach Westen.
Regierungspartei unter Druck
Vor allem aber setzt der Skandal um die Visavergabe die nationalkonservative Regierungspartei PiS im Wahlkampf stark unter Druck. Gerade sie tritt in der EU für eine harten Kurs in der Migrationspolitik ein. Nun heißt es, polnische Konsulate hätten gegen Geld massenweise Arbeitsvisa für Bürger afrikanischer und asiatischer Staaten bewilligt. Polnische Oppositionsparteien behaupten, es gehe um bis zu 350.000 Migranten.
Justizminister Ziobro sagte jetzt dagegen, die Zahl der Fälle bewege sich im Mikrobereich. Und er behauptete, dem deutschen Bundeskanzler gehe es gar nicht um Fakten, sondern darum, "dass Tusk Premierminister wird."
Donald Tusk, ehemaliger EU-Präsident und jetzt Spitzenkandidat der größten Oppositionspartei Bürgerplattform bei den Wahlen Mitte Oktober, wird vom rechten Regierungslager immer wieder als Sachwalter deutscher Interessen diskreditiert.
"Das ist einfach unzutreffend"
Der polnischen Rechtsexperte Artur Nowak-Far mahnte die Regierung in Warschau jetzt zu Sachlichkeit: "Der Partner im Schengen-Raum erwartet, dass rechtliche Vorschriften korrekt angewandt werden. Und dann wird ihm geantwortet, diese Erwartung verstoße gegen die Souveränität Polens. Das ist einfach unzutreffend."
Unterdessen hat auch EU-Innenkommissarin Johansson eine Klärung der Vorwürfe verlangt. Deutschlands Innenministerin Faeser will mit ihrem polnischen Kollegen noch in dieser Woche über zusätzliche Grenzkontrollen sprechen.