Streit mit der Bundesregierung Merz lehnt weitere Migrationsgespräche ab
Union und Ampel scheinen von einem Kompromiss bei der Migrationspolitik weiter entfernt denn je. CDU-Chef Merz lehnt weitere Gespräche ab. Kanzler Scholz will diese Tür noch nicht ganz zuschlagen, spart aber nicht mit Vorwürfen.
Im Streit um eine Verschärfung der Migrationspolitik scheinen die Fronten zwischen der Ampelkoalition und der Union zunehmend verhärtet. Nachdem Vertreter von CDU und CSU am Dienstag eine zweite Gesprächsrunde mit den Ampelparteien abgebrochen hatten, bekräftigte CDU-Chef Friedrich Merz im Bundestag, dass es keine weiteren gemeinsamen Beratungen mehr geben solle.
"Wir begeben uns mit Ihnen nicht in eine Endlosschleife von Gesprächen", betonte Merz während der Generaldebatte in Richtung der Koalitionsparteien. Gleichzeitig wies er den von Bundeskanzler Olaf Scholz nach dem Aus der Beratungsrunde vorgebrachten Vorwurf klar zurück, es habe für die Union schon von Vorneherein festgestanden, die Gespräche abbrechen zu wollen. "Die Behauptung, dass dies eine Inszenierung mit den Ministerpräsidenten in Deutschland gewesen sei, Herr Bundeskanzler, ich kann es nicht anders sagen: Diese Behauptung ist infam", kritisierte Merz.
Merz pocht auf umfassende Zurückweisungen
Er warf der Ampel vor, die vorgebrachten Vorschläge für ein härteres Vorgehen in der Migrationspolitik blieben "weit hinter den Notwendigkeiten" zurück. Der CDU-Chef forderte die auf Zeit angelegte Zurückweisung aller Asylbewerber an den deutschen Grenzen und pochte auf das sogenannte Dublin-Verfahren, nach welchem Asylsuchende in dem EU-Land einen Antrag stellen müssen, dessen Grenze sie als erstes überschreiten. "Nach unserer festen Überzeugung sind und bleiben umfassende Zurückweisungen an den deutschen Staatsgrenzen rechtlich zulässig, praktisch möglich und im Lichte der gegenwärtigen Lage sogar politisch geboten", betonte Merz.
Gerade die rechtliche Umsetzung der von der Union geforderten Verschärfungen ziehen die Ampelparteien teils infrage. Mehrere Nachbarstaaten Deutschlands hatten zudem bereits deutlich klargestellt, dass sie nicht bereit sind, zurückgewiesene Migranten aufzunehmen.
Gleichzeitig mahnte Merz, Deutschland müsse "ein offenes und ausländerfreundliches Land bleiben". Ohne Menschen mit Migrationshintergrund könnten Krankenhäuser, Altenpflegeheime und andere soziale Einrichtungen, aber auch Schulen, Gastronomiebetriebe und viele Unternehmen in Deutschland "keinen Tag erfolgreich arbeiten." Deutschland brauche diese Fachkräfte, sie seien willkommen. Die Union stehe "klar und unmissverständlich gegen jede Form von Fremdenhass und Ausländerfeindlichkeit", so Merz.
"Nicht motzen, sondern handeln und anpacken"
Zuvor hatte Scholz den Abbruch der Gespräche erneut scharf kritisiert und war dabei auch Merz direkt angegangen. "Sie haben sich in die Büsche geschlagen - das ist nicht gut für Deutschland", sagte Scholz und blieb bei seiner Aussage, das vorzeitige Verlassen der Gesprächsrunde sei von der Union schon vor zwei, drei Wochen geplant gewesen. Ähnlich wie direkt nach dem Aus der Beratungen bezeichnete er das Verhalten der Unionsparteien als "Theateraufführungen".
Und dann schoss der Kanzler gegen den CDU-Chef: "Sie sind der Typ von Politiker, der glaubt, mit einem Interview in der Bild am Sonntag hätte er schon die Migrationsfrage gelöst", so Scholz und mahnte: "Nicht motzen, sondern handeln und anpacken. Das ist die Devise." Er kündigte an, dass seine Regierung die eigenen Vorschläge umsetzen werde, auch ohne die Union. Zu den Vorschlägen zählen etwa beschleunigte Zurückweisungen von Migrantinnen und Migranten an deutschen Grenzen in das gemäß des Dublin-Verfahrens zuständige EU-Land.
Doch im Gegensatz zu Merz wollte Scholz weiteren Gesprächen mit der Union keine komplette Absage erteilen - sieht es aber bei CDU und CSU, wieder aktiv zu werden. "Die Tür ist nicht zu", betonte der SPD-Politiker. Die Ampelparteien seien immer noch bereit, weiter nach einem Kompromiss zu suchen.
Appell von der FDP, Vorwürfe von den Grünen
Auch FDP-Fraktionschef Christian Dürr rief die Union auf, offen für einen Kompromiss zu bleiben. "Ich glaube, für eine Blockade in der Frage der Ordnung und Begrenzung der Migration haben die Menschen in Deutschland kein Verständnis mehr", betonte er. Die Migrationspolitik stehe bei vielen Bürgerinnen und Bürgern "im Zentrum dessen, was sie bewegt". Darum sei es notwendig, dass demokratische Parteien, Länder und Kommunen an einem Strang ziehen.
Deutlich schärfere Töne kamen von der Fraktionsvorsitzenden der Grünen, Katharina Dröge. "Sie hatten an einem vernünftigen Dialog einfach kein Interesse und das ist eine große verpasste Chance", zielte sie gegen CDU-Chef Merz und kritisierte:
Die Bürgerinnen und Bürger erwarten zu Recht in diesem Land, dass sich nicht jeder wie ein Kind im Sandkasten hinsetzt und sagt: 'Wenn ich nicht alleine bestimmen darf, dann spiele ich nicht mehr mit'".
Dröge warf der Union vor, "mit den Ängsten der Menschen" Wahlkampf zu betreiben und bezog sich dabei auch auf den von CDU und CSU geforderten Aufnahmestopp für Flüchtlinge aus Syrien und Afghanistan. "Wer einen Vorschlag macht, der nicht mehr differenziert zwischen den Terroristen und ihren Opfern, der scheitert zu Recht", so die Grünen-Politikerin. Sie betonte jedoch zugleich, dass Gefährder und Verbrecher keinen Schutz in Deutschland verdienten und das Land verlassen müssten. Doch "kluge Politik" behalte "den Überblick".
Polizeigewerkschafter stellen Nutzen zusätzlicher Grenzkontrollen infrage
Als einen Schritt hin zum härteren Vorgehen in Sachen Migrationspolitik hatte Bundesinnenministerin Nancy Faeser am Montag angekündigt, dass Grenzkontrollen ab der kommenden Woche vorübergehend auf alle deutschen Landesgrenzen ausgeweitet werden sollen.
Von Gewerkschaften der Polizei kommen allerdings Zweifel, ob dieser Schritt auch die gewünschte Wirkung hat. "Also der große Wurf ist das nicht", sagte Heiko Teggatz, Vorsitzender der Bundespolizei-Gewerkschaft innerhalb der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), im Gespräch mit dem WDR. An den Grenzen zu Österreich, Polen, Tschechien und der Schweiz sei die Bundespolizei bereits im Einsatz. Die geplanten zusätzlichen Kontrollen würden an Grenzen stattfinden, "die migrationstechnisch jetzt nicht so der Schwerpunkt sind". Kontrolliert werden soll nun etwa auch an den Grenzen zu Luxemburg oder den Niederlanden.
Grundsätzlich könnten die Grenzkontrollen nach Einschätzung des Polizeigewerkschafters aber helfen, ungeregelte Einwanderung zu verhindern, da an den Grenzen sofort die Personalien festgestellt würden. Das könne eventuelle spätere Rückführungen erleichtern, "weil wir eben belegen können, dass die Menschen Deutschland über einen anderen, sicheren EU-Staat erreicht haben".
Der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP) für den Bereich Bundespolizei und Zoll, Andreas Roßkopf, äußerte gegenüber der Frankfurter Rundschau Bedenken wegen des benötigten personellen Aufwands. "Deutschland hat 3.800 Kilometer Grenze" betonte er und sei angesichts dieser Länge "nicht lückenlos zu überwachen". Bereits jetzt fehle es an Personal und materieller Ausstattung, um eine flächendeckende Kontrolle der Grenzen zur Schweiz, zu Österreich, Tschechien und Polen zu gewährleisten. "Menschen, die Böses im Schilde führen, Terroristen, Islamisten, die unseren Rechtsstaat schaden wollen, werden sicher einen Weg finden, diese Kontrollen zu umgehen", betonte Roßkopf.