Ex-US-Präsident in Berlin Wie Obama einen Draht zu Merkel fand
Barack Obama tritt am Abend in Berlin auf. Ein Ticket mit Foto kostet mehr als 2000 Euro. Ex-Kanzlerin Merkel hat er gestern schon getroffen. Die Freundschaft zwischen beiden musste erst wachsen.
Die Altkanzlerin hat er gestern Abend schon getroffen. Beim Edelitaliener in Schöneberg. Angela Merkel samt Ehemann Joachim Sauer und Barack Obama in trauter Runde. Die Altkanzlerin und der Rockstar der Politik. Das war beileibe nicht immer so.
August 2008: Obama, ein junger Senator aus Illinois, der damals beste Chancen, aber eben noch nicht das Ticket sicher hatte, Präsidentschaftskandidat der Demokraten zu werden, kommt nach Berlin. 200.000 Menschen wollen ihn sehen und reden hören.
"Jeder Piesepampel"
Merkel nicht. Im Gegenteil: Eigentlich wollte Obama - auch der schönen Bilder wegen - vor dem Brandenburger Tor reden. Die Kanzlerin verhinderte das. Motto: Er ist ja noch nichts dieser Obama. Sie will, dass Wahlkampfveranstaltungen nicht überall in der Stadt stattfinden müssen. "Das mag manchen altmodisch vorkommen", sagt sie. Ihr nicht.
FDP-Chef Guido Westerwelle fand das damals wie so viele andere auch kleinkariert. "Lächerlich", nannte der Oppositionspolitiker Merkels Begründung. Vor dem Brandenburger Tor habe schon ein Joschka Fischer und ein Gerhard Schröder gesprochen. "Jeder Piesepampel konnte dort eine Rede halten. Aber Herrn Obama wird’s verweigert."
Obama im Juli 2008 vor der Siegessäule in Berlin. Vor dem Brandenburger Tor durfte er nicht auftreten.
"Yes, we can" an der Siegessäule
Obama sprach schließlich an der Siegessäule. Ein Auftritt wie ein Rockkonzert. "Völker der Welt, tut Eure Pflicht. Völker der Welt, schaut auf Berlin", zitierte Obama an dem Abend damals Ernst Reuter, den einstigen Berliner Bürgermeister. "Yes we can", rufen Hunderttausende zurück. Und die Kanzlerin? Fuhr am Abend zu den Wagnerfestspielen nach Bayreuth. "Um 19 Uhr bin ich hoffentlich in Bayreuth", sagte sie damals spöttisch. "Vielleicht schalte ich den Fernseher ein." Der Personenkult um einen, der erst noch etwas werden wollte, war der eher nüchternen Kanzlerin hörbar fremd.
Heute also wieder Obama. Dieses Mal kostenpflichtig. Tickets in der 17.000 Menschen fassenden Mercedes-Benz-Arena in Berlin kosten zwischen 61 und 550 Euro. Davor allerdings gibt es ein kostenloses Mittagessen für Obama mit Olaf Scholz im Kanzleramt.
Obama und Scholz: Charismatiker besucht Aktentasche
Charismatiker besucht Aktentasche. Die Deutschen haben Olaf. Die Amerikaner Obama. Thomas Gottschalk brachte die heimliche Faszination der Deutschen am Politzirkus in den USA und dem Starkult rund um Obama einst so auf den Punkt: Er habe mal die Ehre gehabt, mit einem Kanzler zu Abend zu essen. "Da fuhren dann zwei lausige schwarze Audis vor. Das war's." An ihm aber sei einmal die Kolonne des US-Präsidenten vorbeigefahren. "Am Ende habe ich die Nationalhymne gesungen, obwohl ich so lange warten musste."
Deutschland und Obama - es gab Zeiten, da war der Hoffnungsträger, der Friedensnobelpreisträger, in Deutschland beliebter als bei sich zu Hause. Als Obama 2009 die Wahl gewann, die Welt jubelte, war die Kanzlerin allerdings erst weiter eher nüchtern. Sie habe in der Wahlnacht kurz auf das Ergebnis geschaut, sei dann aber wieder eingeschlafen, um danach ihr Tagwerk zu beginnen, erzählt Merkel am Tag danach.
Der damalige Finanzminister Peer Steinbrück spottete sanft, als sein Kabinettskollege, Wirtschaftsminister Michael Glos, verliebt vom Obama-Effekt sprach. "Den Obama-Effekt schätzen wir auf genau 1,7134 Prozent." Das habe er ausgerechnet, ätzte Steinbrück nach Obamas Wahlsieg unter dem Gelächter der Journalisten.
Es wächst eine Freundschaft
Als die Kanzlerin Obama dann zum ersten Mal als US-Präsident auf deutschem Boden empfing, verrutschte der Gruß in einem der selten Merkelmomente, in denen selbst bei ihr ein Hauch Kanzlerinnennervosität zu hören war: "Wir freuen uns, dass Sie als Präsident zum ersten Mal die Vereinigten Staaten besuchen. Äh, nein. Die Bundesrepublik natürlich. Pardon", sagte Merkel und Obama lächelte lässig.
Aber langsam wächst dann damals, was heute eine enge Freundschaft zwischen der 68-jährigen ersten ostdeutschen Kanzlerin und dem 61-jährigen ersten schwarzen Präsidenten der USA ist. Merkel lernt den nachdenklichen, intelligenten, besonnenen Obama zu schätzen. Er lobte sie einst als "gradlinig, intelligent, fokussiert, als einen instinktiv guten Menschen".
2011 überreichte der US-Präsident der Kanzlerin im Rosengarten des Weißen Hauses die Freiheitsmedaille, die höchste zivile Würdigung des Landes. Obama nannte Merkel ein "Symbol des Triumphes der Freiheit", sie nannte ihn einen "Mann mit starken Überzeugungen", der mit seiner Leidenschaft auch die Menschen in Deutschland berühre.
"Das lag jenseits all meiner Vorstellungskräfte": Barack Obama ehrt Angela Merkel 2011 mit der amerikanischen Freiheitsmedaille.
Merkels Sympathie blieb - trotz NSA-Affäre
Dass in die Präsidentschaftsjahre Obamas auch die NSA-Abhöraffäre fiel und US-Dienste selbst das Kanzlerinnenhandy anzapften, hat Merkels Zuneigung zu dem Mann, den sie zu Anfang so skeptisch betrachtete, keinen Abbruch getan.
Helge Braun, Merkels einstiger Kanzleramtschef, spricht gegenüber dem ARD-Hauptstadtstudio von einer "engen politischen Freundschaft" zwischen Merkel und Obama. Sie hätten gemeinsam sehr, sehr viel bewegt. "Ich glaube, so gut wie zu Zeiten von Obama und Angela Merkel war das deutsch-amerikanische Verhältnis auf der Ebene der Regierungschefs lange nicht mehr", sagt Braun.
Heute gibt es erneut einen "Abend mit Präsident Obama", so der Titel des Auftritts in Berlin, für den es offenbar mehr Restkarten gibt als eigentlich erwartet. Die teuersten Tickets allerdings sind bereits weg. Für mehr als 2000 Euro nämlich konnte man heute Abend auch ein Foto mit dem Mann bekommen, der - so heißt es in der offiziellen Ankündigung - "über die großen Herausforderungen und Chancen unserer Zeit" sprechen will.