An Bord des Pannenfliegers "So etwas ist noch nie passiert"
Der Flugkommandant ringt um Worte - und die Ministerin verpackt ihre Wut auf klemmende Landeklappen diplomatisch. Über ein technisches Desaster, das auch politische Folgen hat.
"Das ist alles mehr als ärgerlich." So klingt es wohl, wenn eine Chefdiplomatin sich wirklich bemühen muss, ruhig und diplomatisch zu bleiben.
Annalena Baerbock jedenfalls kann auf das Wort Flugbereitschaft der Bundeswehr in den kommenden Tagen vermutlich gut verzichten. Zum jetzt zweiten Mal binnen zweier Tage musste ihr Regierungsflieger umkehren. Wieder funktionierten die Landeklappen nicht. Wieder hieß es: Zurück auf Los.
Nicht nur im Außenministerium reiben sie sich heute die Augen.
Auch der Flugkommandant ringt um Worte
"Ich bin schon einige Jahre dabei. Aber so etwas ist bei der Flugbereitschaft noch nie passiert." Nachts um 1.20 Uhr steht der Flugkommandant der A 340 hinten im Passagierteil des Airbus, der einst auf den Namen "Konrad Adenauer" getauft war, hoch über den Gewässern vor Abu Dhabi und versucht den mitreisenden Journalisten zu erklären, was er selbst auch nicht wirklich begreift.
Während links und rechts aus den Flügeln wieder 80 Tonnen Kerosin in die Nacht abgelassen werden, weil das Flugzeug für eine erneute Landung in Abu Dhabi viel zu schwer ist, sagt der erfahrene Pilot, dass man gerade einen technischen Fehler erlebe, den es eigentlich nicht geben könne. Aber hier gibt es ihn.
"Manchmal ist es eben verflixt", lässt Baerbock schriftlich mitteilen. Was sie im Flugzeug sagt, ist nicht zur Veröffentlichung bestimmt. Im Außenministerium sind sie schlicht sauer, dass die immens wichtige Indo-Pazifik-Reise ausfallen muss, weil die Luftwaffe das Gerät nicht im Griff hat.
Reibungsloser Testflug
Noch am Abend vor dem zweiten Desaster hatten die Piloten hier in Abu Dhabi mit dem leeren A340 tatsächlich noch einen Testflug unternommen. Runden gedreht, um sicherzugehen, dass jetzt beim zweiten Mal alles wirklich klappt. Dann das Signal: Wir können fliegen. Aufatmen bei allen Reisenden.
Das Auswärtige Amt hatte vorsorglich Linienflüge geblockt. Die wurden jetzt abgesagt, weil die Flugbereitschaft so zuversichtlich war. Ein Irrtum.
Um 1.15 Uhr und 2000 Meter hoch im Airbus über den Vereinigten Arabischen Emiraten wurde aus Zuversicht dann Entsetzen. Der Flugkommandant, ein Mann mit Humor, wandte sich lakonisch über die Bordlautsprecher an die Ministerin und die Mitreisenden: "Wenn sie auf die Flurmonitore schauen, werden sie das gleiche Flugverhalten wie gestern erkennen. Wir fliegen Kreise." Es lachte niemand.
Zu dem Zeitpunkt hatte die Maschine kaum an Höhe und Geschwindigkeit gewonnen und ihre Flugbahn auf dem 12.500 Kilometer langen Weg nach Sydney bereits verlassen. Irgendwann verschwand dann auf dem Display Sydney als Zielort.
Erstaunen und Ärger an Bord
Abu Dhabi war erneut Start und Endpunkt der Reise. Wieder klemmten die Landeklappen. "Nach dem Doppeldesaster mit der Klappe haben sie wohl die Schnauze voll", sagt ein Mitreisender und spiegelt die Stimmung an Bord. Es ist eine Mischung aus ungläubigem Staunen und Ärger, dass erneut passiert, was laut Flugkommandant nicht hätte passieren können.
"Für alle, die ängstlich unterwegs sind, es gibt überhaupt keinen Grund zur Unruhe", versucht der Kommandant die Mitreisenden an Bord mit Blick auf die anstehende Landung zu beruhigen. Aber aus Unruhe scheint längst Ärger geworden zu sein.
Zum fünften Mal in Abu Dhabi
Als um 2.57 Uhr der Airbus zum mittlerweile fünften Mal auf der Start- und Landebahn in Abu Dhabi ausrollt, ist die Außenministerin zunächst wild entschlossen, sich ihre Indo-Pazifik-Reise nicht von einer defekten Landeklappe kaputt machen zu lassen.
Baerbock lässt die Option prüfen, per Linienflug nach Sydney, dann später nach Fidschi und am Sonntag ebenfalls via Linie von Fidschi nach Deutschland zu fliegen. Motto: Es geht auch ohne Flugbereitschaft. Der Nachteil: Für alle Mitreisenden steigen die Kosten immens und die Delegation ist auf freie Plätze angewiesen.
Aber im Außenministerium wissen sie längst, dass nicht nur die Menschen in Deutschland darüber schmunzeln, dass die Luftwaffe die Außenministerin offenbar in zwei Versuchen nicht nach Australien fliegen kann. Auch im Ausland wird das registriert. Mails von befreundeten Nationen mit der süffisanten Botschaft "Können wir helfen?" machen die Sorge über Ansehen und Image Deutschlands in der Welt nicht kleiner.
Mehr als nur peinlich
Baerbock hatte sich für die Reise viel vorgenommen. Indigene Kunstgüter sollten in Australien zurückgegeben werden. Eine außenpolitische Grundsatzrede zur Werteordnung im indopazifischen Raum wollte sie halten. Das Halbfinale der Frauen Fußball-WM anschauen.
Dass ihre australische Amtskollegin Penny Wong trotz eines Parteitages alle Termine so legte, dass sie genug Zeit für Baerbock hatte, erhöhte den Druck, die Reise unbedingt durchzuführen. Die Region im Indopazifik werde die Weltordnung des 21. Jahrhunderts entscheidend prägen. So denkt Baerbock.
Dass eine Landeklappe ihren Antrittsbesuch verhindert, ist mehr als nur peinlich. Monatelange Planungen steckten in dieser einen Woche, die jetzt an einem technischen Fehler scheitert, den es angeblich nicht geben kann.
"Wir haben alles versucht"
Der Kanzler hat den Luxus, stets auf zwei Flugzeuge zugreifen zu können, sollte eines defekt sein. Bei der Außenministerin ist das komplizierter. Dass sie zuletzt häufiger wegen technischer Probleme Reisepläne ändern musste, ist für Baerbock vermutlich Grund genug, über Zustand und Menge der Flugzeuge der Flugbereitschaft zu reden.
Gegen 7.30 Uhr aber ist die Hoffnung, trotz verkürzter Zeitpläne dennoch nach Australien, Neuseeland und Fidschi fliegen zu können, für die deutsche Außenministerin endgültig am Ende. "Wir haben alles versucht", schreibt sie auf X, dem ehemaligen Twitterkanal. Leider sei es logistisch nicht möglich, die Indo-Pazifik-Reise ohne den defekten Flieger fortzusetzen. "Das ist mehr als ärgerlich." Und da ist sie dann wieder - die diplomatisch verpackte Wut einer Ministerin auf klemmende Landeklappen und kaputte Flugzeuge.