Kosten für Pflegeheime Wenn der Eigenanteil steigt und steigt
Alles wird teurer - auch der Platz im Pflegeheim. Angehörige und Bewohner müssen einen immer höheren Eigenanteil schultern. Nicht alle können da mithalten.
"Bei uns geht es darum, ob wir das Haus meiner Eltern behalten können oder nicht", erzählt Andrea Waldmann, deren Mutter im Pflegeheim wohnt. Im Seniorenheim "Haus am Enzpark" in Bietigheim-Bissingen basteln die Seniorinnen und Senioren an diesem Nachmittag gemeinsam Figuren für den Weihnachtsbaum. "Ausstecherle mit Salzteig", wie es im Schwäbischen heißt.
Das Haus von Gerda Böse sollte irgendwann in den Besitz der nächsten Generation übergehen. Das klappt aber nur, wenn die Pflege ihrer Mutter nicht noch teurer wird. Mit einem Eigenanteil von mehr als 3000 Euro gehört die Pflegeeinrichtung nicht zu den günstigsten. Die Mutter von Andrea Waldmann fühlt sich in dem Heim wohl. Außerdem ist es in der Nähe der Familie.
Im Bundesdurchschnitt liegt der Eigenanteil laut Verband der Ersatzkassen im Juli 2022 bei mehr als 2350 Euro. Regional gibt es aufgrund anderer Kostenniveaus - hauptsächlich bei Personalkosten - teils starke Abweichungen. Außerdem bezahlt die Evangelische Heimstiftung, zu der auch das "Haus am Enzpark" in Bietigheim-Bissingen gehört, ihren Mitarbeitenden bundesweit einen der höchsten Tarife.
Die Rente reicht meist nicht
Inflation, Energie, Lebensmittelpreise: "Alles wird teurer", sagt die Leiterin des "Hauses am Enzpark", Simone Fink. Sie muss Bewohnerinnen, Bewohnern und Angehörigen regelmäßig erklären, warum der Platz im Haus immer mehr kostet. "Zum einen will ich für die Mitarbeiter auch, dass sie nach Tarif bezahlt werden und auch eine Tariferhöhung bekommen. Und andererseits verstehe ich auch die Angehörigen und die Bewohner, die Angst haben, das Eigenheim zu verlieren, das ganze Ersparte aufzubrauchen und dann nachher auf das Sozialamt zu gehen und Hilfe zu beantragen."
Die Hilfe vom Amt kann schwerwiegende Folgen haben, ergänzt ihre Kollegin, die Pflegerin Melanie Lutz. Sie erzählt von einem Bewohner, der sich den Pflegeplatz ohne Sozialhilfe nicht hätte leisten können. "Der musste sein komplettes Eigentum verkaufen. Er konnte sich auch sonst nichts mehr leisten. Keinen Fernseher, kein Radio, gar nichts." Die wenigsten Menschen könnten den Eigenanteil aus ihrer Rente stemmen. 99 Prozent bezahlten den Platz hier mit ihrem Vermögen, erzählt die Chefin. "Die Kosten sind so hoch, weil die Pflegekasse nicht die kompletten Pflegeaufwandskosten übernimmt."
Warum nicht ein Eigenanteilsdeckel?
Die Pflegeheime sparen unterdessen, wo sie können, sagt Bernhard Schneider, Hauptgeschäftsführer der evangelischen Heimstiftung und Sprecher der Initiative "Pro Pflegereform". 70 Prozent der Kosten in Pflegeheimen fielen auf Personalkosten zurück. Würde man entscheidend an den Gesamtkosten drehen wollen, hieße das: Absenkung der Standards und des Personalschlüssels. Das sei zurzeit überhaupt nicht vertretbar.
"Was uns besonders empört und ärgert ist, dass im Koalitionsvertrag und auch in den Wahlprogrammen das Gegenteil versprochen worden ist. Im Koalitionsvertrag steht, dass die Eigenanteile gedeckelt werden sollen. Es gibt einen Gaspreisdeckel, es gibt einen Ölpreisdeckel. Jetzt wird es wirklich Zeit für einen Eigenanteilsdeckel", meint Schneider.
Er spricht sich für einen festen Betrag für Pflegebedürftige aus. Alles, was darüber hinaus geht, Preissteigerungen durch Inflation, Energie und andere Kostentreiber soll die Pflegeversicherung auffangen. Momentan ist es umgekehrt, Mehrkosten tragen Bewohnerinnen, Bewohner und Angehörige. Damit würde der Beitrag zur Pflegeversicherung zwar erstmal teurer, die Mehrkosten könnten aber durch eine Bürgerversicherung und versicherungspflichtiges Einkommen abgefedert werden. Davon würden alle profitieren.
"Ich könnte keinen Pflegeplatz bezahlen"
Laut dem Gesundheitsreport 2022 der BKK liegen die Krankheitstage in der Alten- und Krankenpflege deutlich über denen anderer Berufsgruppen. Das sei schon seit mehreren Jahren der Fall, wobei sich das Problem durch die Pandemiejahre nochmals verstärkt habe. Die Hauptgründe dafür seien psychische Störungen und Muskel-Skelett-Erkrankungen. Pflegerin Melanie Lutz arbeitet seit vier Jahren im Beruf - nicht wegen des Geldes, sondern um Menschen zu helfen. "Es ist allgemein bekannt, dass Pflege nicht der bestbezahlte Beruf ist. Ich hoffe, da tut sich was in den nächsten Jahren. Mit meinem Gehalt könnte ich keinen Pflegeplatz bezahlen."
Die schlechte Bezahlung führt vielerorts zu Personalmangel. Im Extremfall müssen Einrichtungen geschlossen werden, wie ein Fall im Glottertal in der Nähe von Freiburg im Breisgau zeigt. 45 Bewohnerinnen und Bewohner mussten ausziehen. Der Caritasverband Breisgau-Hochschwarzwald teilte mit: "Bereits im Sommer sei absehbar gewesen, dass hierfür nicht ausreichend Pflegekräfte gefunden werden."