Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow
Analyse

Bodo Ramelow und die Linke Der Alternativlose

Stand: 10.12.2022 06:42 Uhr

Die Linke ist mitten in der Krise. Dass Thüringens Ministerpräsident Ramelow wieder für das Amt des dortigen Regierungschefs kandidieren will, ist eine der wenigen guten Nachrichten für die Partei. Doch wie geht es weiter?

Eine Analyse von Sarah Frühauf, ARD-Hauptstadtstudio

Es ist ein Wochenende Ende November in Erfurt. Ein Termin, der Bodo Ramelow gut gefallen dürfte. Es geht nur um ihn. Um seine Spitzenkandidatur bei der nächsten Landtagswahl in Thüringen, die planmäßig 2024 stattfinden soll. Der 66-Jährige bedankt sich zunächst bei seiner Frau für ihre Unterstützung. Deren Lebensplanung deute darauf hin, dass es in Ordnung sei, dass er noch mal antrete.

Ramelow macht Witze, ist gut drauf. Das ist keine Selbstverständlichkeit. Es gibt Pressekonferenzen, da gibt sich Ramelow weniger redselig. Nicht immer ist der Landeschef mit Fragen und Berichterstattung der Journalisten zufrieden. Das lässt er sie auch spüren. An diesem Samstag aber erklärt er sich ausführlich. Er stellt klar, dass er eine eigene Mehrheit anstrebt. Die Genervtheit über die aktuelle rot-rot-grüne Minderheitsregierung ist unüberhörbar. Er wolle sich die Spielchen ersparen, die er gerade erleben muss. Ein Seitenhieb an die CDU, ohne deren Stimmen die Landesregierung so gut wie handlungsunfähig ist.

Es wäre seine dritte Legislatur als Ministerpräsident, sollte Ramelows Linke wieder stärkste Kraft werden. Am Ende der fünf Jahre Amtszeit wäre er fast Mitte 70. Doch wer soll es sonst machen? "Attila", scherzt Ramelow und meint seinen Hund, der zumindest schon mal über ein eigenes Twitter-Profil verfügt, auf dem er als "Firstdog" von Thüringen beschrieben wird.

Eine Art Elder Statesman in der Partei

Die Nachfolge Ramelows ist aber tatsächlich ein ernsthaftes Problem. Es fehlt der Linken in Thüringen an charismatischen Köpfen, wie es Ramelow einer ist. Auch Thüringens Linke-Chefin Grosse-Röthig hat keine Antwort auf die Frage, wer die Alternative zu Ramelow gewesen wäre. Da der es wieder mache, habe man ja zum Glück gar nicht suchen müssen. Dass Ramelow den Ruhestand verschiebt, ist auch für den Linken-Bundesvorstand ein Glücksfall. Linken-Chef Martin Schirdewan ist sogar extra für Ramelows Kandidatur-Verkündung nach Erfurt gekommen. Mit Ramelow hat die gebeutelte Partei mal wieder eine Chance, auf einen Erfolg anstoßen zu können, und nicht wie bei zuletzt bei allen Landtagswahlen versuchen muss, den Frust zu ertränken.

Weil er so erfolgreich ist, hat Ramelow einen Sonderstatus in der Linken. Er kann sich mehr erlauben als andere. Ramelow macht immer wieder mit Äußerungen Schlagzeilen, die nicht auf Parteilinie liegen. Zuletzt verteidigte er Waffenlieferungen an die Ukraine. Jeder, der angegriffen wurde, habe das Recht sich zu verteidigen. Der Linken-Vorsitzende Schirdewan war daraufhin zu einer Klarstellung gezwungen: Die Position der Partei sei eine andere.

Anders als bei Sahra Wagenknecht nimmt das Ramelow aber kaum einer übel. Denn Ramelow ist mittlerweile eine Art Elder Statesman in der Partei, so wie es Gregor Gysi einer ist und Oskar Lafontaine vielleicht mal war. So gab es vor dem Bundesparteitag der Linken einen Aufschrei in Partei und Öffentlichkeit, als bekannt wurde, dass für Ramelow nur zehn Minuten Redezeit eingeplant waren. Aus dem Parteivorstand heißt es mittlerweile geknickt, das sei unglücklich gelaufen. Ramelow hatte sich aber sowieso nicht beirren lassen und fast doppelt so lang gesprochen.

Ministerpräsident und Thüringer-Werbebotschafter

Die Rolle des Übervaters ist eine, die Ramelow auch in Thüringen zu spielen versucht. Kaum ein öffentlicher Termin vergeht, an dem er nicht auf die Erfolge des Bundeslandes rekurriert. Ramelow wird in solchen Momenten zum Thüringer Werbebotschafter. Man fragt sich, ob er deswegen so leidenschaftlich ist, um jeglichen Zweifel im Keim zu ersticken, dass er, der Zugezogene, kein echter Thüringer sei.

Ramelow stammt ursprünglich aus Niedersachsen, kam aber bereits kurz nach der Wiedervereinigung als Gewerkschafter in den Osten und zog Anfang der 2000er-Jahre in den Thüringer Landtag ein. Seine zweite Legislatur startete holprig. Rot-Rot-Grün in Thüringen bekam keine eigene Mehrheit und dann wurde auch noch der FDP-Politiker Thomas Kemmerich mit Stimmen von AfD und Union zum Ministerpräsidenten gewählt. Thüringen brachte auch das politische Gefüge im Bund ins Wanken. Mittlerweile haben sich die Wogen im Freistaat geglättet. Es knirscht zwar zwischen CDU und Rot-Rot-Grün immer wieder, die Minderheitsregierung arbeitet aber relativ geräuschlos. Auch wenn große Reformen ob dieser politischen Konstellation nicht zu erwarten sind.

Keine stabile Mehrheit in Sicht

Doch ob Ramelow nach der nächsten Landtagswahl mehr Handlungsspielraum haben wird, ist fraglich. Eine stabile Mehrheit ist laut Umfragen für Rot-Rot-Grün gerade nicht in Sicht. Es läuft auf ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen AfD und Linke hinaus. Der Rechtsextreme Björn Höcke hat bereits angekündigt, für die AfD als Spitzenkandidat antreten zu wollen. Ramelow winkt zwar ab, bei der Frage, ob es ein Wahlkampf "er gegen Höcke" werde. Er wird sich aber wohl nicht entziehen können.

Dabei hat Ramelow aber wohl einen Vorteil: den Amtsbonus. Beim ThüringenTrend im August dieses Jahres zeigten sich mehr als die Hälfte der Befragten mit Ramelows Arbeit zufrieden. Sogar 20 Prozent der AfD Wähler stimmten dem zu. Doch der Name Ramelow allein wird wohl nicht reichen, um die Landtagswahl zu gewinnen. Es geht um die Partei, für die er antritt. Die Linke befindet sich derzeit in einem Zersetzungsprozess. Es gibt Gerüchte darüber, dass Sahra Wagenknecht und ihre Unterstützer eine Abspaltung planen. Eine schwache Linke im Bund schadet auch der Partei im Land. Dann wird es nicht mehr nur darum gehen können, was Ramelow für die Linke, sondern auch was die Partei für ihn tun kann.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 03. November 2022 um 19:23 Uhr.