Schöffen gesucht Ehrenamt mit Einfluss
Schöffen sind Laien auf der Richterbank. Ihre Stimme hat direkten Einfluss auf das Urteil. Ein verantwortungsvolles Ehrenamt, über das viele zu wenig wissen. Das wird oftmals zum Problem.
"Im Namen des Volkes ergeht folgendes Urteil": Ein Satz, der jeden Tag in deutschen Gerichten fällt. Damit er mit Leben gefüllt wird, gibt es ehrenamtliche Richter und Richterinnen. Sie sollen das Volk im Gerichtssaal abbilden. Derzeit läuft die intensive Suche nach Freiwilligen. Die neue Amtszeit beginnt Anfang nächsten Jahres.
Gleiches Stimmrecht wie Berufsrichter
Die meisten Laien werden bei den Strafgerichten eingesetzt. Bundesweit gab es 2019 rund 38.000 Hauptschöffen. Mit den Ersatz- und Ergänzungsschöffen sind es wesentlich mehr.
Schöffen sind keine Juristen, sondern Laien aus der Mitte der Gesellschaft. Interessierte können sich selbst bewerben oder sich von einer Organisation vorschlagen lassen. Kommt nicht die nötige Anzahl von Freiwilligen zusammen, können Behörden Bürgerinnen und Bürger nach dem Zufallsprinzip anschreiben, sich als Schöffe zur Verfügung zu stellen. Wer ausgewählt wurde, ist grundsätzlich dazu verpflichtet, das Ehrenamt anzunehmen. Eine Ablehnung ist nur schwer möglich.
Bewerben könne sich deutsche Staatsangehörige. Sie müssen mindestens 25 Jahre alt sein und höchsten 69 Jahre. Und sie müssen straffrei sein. Auf der Grundlage der Bewerbungen erstellen die Kommunen dann ihre Vorschlagslisten. Anschließend legen sie diese den Amtsgerichten zur Wahl vor.
Schöffen haben das gleiche Stimmrecht wie Berufsrichter. Damit können sie etwa eine Verurteilung eines Angeklagten verhindern. Denn ohne sie wird eine nötige Zweidrittelmehrheit nicht erreicht. Schöffen müssen vom Arbeitgeber für die Zeit der Sitzungstage freigestellt werden und erhalten zum Beispiel eine Entschädigung für den Verdienstausfall. Es ist ein Ehrenamt mit Macht. Auch wenn die meisten ehrenamtlichen Richter und Richterinnen sich freiwillig melden, einige große Städte haben Probleme, die benötigte Zahl an Schöffen zu finden.
Es fehlt an Aufklärung
Für Andreas Höhne, Präsident des Bundesverbandes der ehrenamtlichen Richterinnen und Richter e.V., steht fest: "Das Interesse in der Bevölkerung ist da, aber es fehlt an Aufklärung." In den ländlichen Regionen funktioniere der Austausch über das Ehrenamt.
In den Großstädten aber müsse mehr Werbung gemacht werden. So haben sich zum Beispiel in Berlin in einzelnen Bezirken nicht genügend Freiwillige gemeldet. Und auch Hamburg erklärt auf Anfrage, dass die hohe Zahl von rund 9800 Laienrichtern in der Vergangenheit nicht ausschließlich durch Freiwillige gedeckt werden konnte.
Gleiches gilt für Chemnitz, Frankfurt am Main und Mönchengladbach. Dort wurden Bürger nach dem Zufallsprinzip ausgewählt. Andere Großstädte wie etwa Köln, Dresden oder Stuttgart hingegen melden keine Probleme.
Extremistische Schöffen verhindern
Um zu verhindern, dass das Interesse an diesem Ehrenamt von der falschen Seite kommt, will Bundesjustizminister Marco Buschmann die Verfassungstreue als Voraussetzung für die Berufung in ein Schöffenamt gesetzlich festschreiben. "Unter keinen Umständen dürfen wir zulassen, dass Extremisten in unserem Land Recht sprechen", sagte der FDP-Politiker. Ein entsprechender Gesetzesentwurf liegt bereits vor. Der Vorschlag hierzu kam aus den Bundesländern.
Im Moment ist es vor allem den Kommunen überlassen, sich ein Bild von der Verfassungstreue der Bewerber zu machen. In Niedersachsen werden deshalb die Kommunen auf mögliche extremistische Kandidatinnen und Kandidaten sensibilisiert. Angehende Schöffen sollen darüber hinaus schriftlich erklären, dass sie jederzeit für die freiheitlich-demokratische Grundordnung eintreten. Gleichzeitig soll abgefragt werden, ob sie bei Bedarf mit einer Überprüfung durch den Verfassungsschutz einverstanden sind. Das soll Verfassungsfeinde abschrecken und das Vertrauen in dieses Ehrenamt stärken.
Außerdem soll die Maßnahme im Bedarfsfall die Abfrage beim Verfassungsschutz erleichtern. Weiteren Reformbedarf bei der gesetzlichen Ausgestaltung des Schöffenamtes sieht das Bundesjustizministerium allerdings nicht. Ganz anders die Vertreter der ehrenamtlichen Richter.
Keine zeitgemäße Ausgestaltung des Schöffenamtes
Höhne hält die gesetzliche Ausgestaltung des Schöffenamtes nicht mehr für zeitgemäß. Vor allem die lange Amtsperiode von fünf Jahren schrecke ab. Hier trete der Verband für eine Verkürzung auf mindestens vier Jahre ein. Gerade junge Menschen würden durch die Dauer der Amtszeit abgeschreckt.
Nach Angaben des Schöffenverbandes liegt das Durchschnittsalter der Laienrichter bei 55 Jahren plus. "Eine Verjüngung um zehn Jahre würde der Justiz guttun", so Höhne. Außerdem müsse es viel mehr Informationsveranstaltungen über die Rechte und Pflichten der Schöffen vor der Amtseinführung geben. Laienrichter sollten einmal eine Justizvollzugsanstalt von innen sehen. Denn mit ihrer Stimme können sie Bürgern "das Wichtigste nehmen: die Freiheit".
Auch eine psychosoziale Begleitung der Schöffen während ihrer Amtszeit sei wichtig. Immerhin seien sie mit Mord und Totschlag konfrontiert. Ob eine derartige Hilfestellung angeboten wird, ist jedoch Sache der Länder. So bietet etwa die Sozialberatung der Berliner Justiz im Rahmen eines Pilotprojektes eine derartige Beratung an. Und auch Bremen will die Unterstützung im Amt intensivieren.
Ein Ehrentag für Schöffen
Der Bundesverband der ehrenamtlichen Richter und Richterinnen e. V. wünscht sich eine größere Würdigung dieses Ehrenamtes. Etwa durch einen Ehrentag für Schöffen. Das würde den Fokus noch einmal auf das Amt richten. In Bremen ist etwas Ähnliches bereits geplant. Um eine größere gesellschaftliche Anerkennung zu erreichen, soll es künftig einen Empfang für Schöffen zu geben. Zum gemeinsamen Austausch und zum Ausdruck der Wertschätzung für die Tätigkeit.