Scholz trifft Wirtschaftsvertreter "Eine Phase großen Wachstums"
Nach Ansicht von Kanzler Scholz wird die deutsche Wirtschaft deutlich wachsen. Als Grund sieht er den Wandel zu klimafreundlichen Technologien mit milliardenschweren Investitionen. Die Wirtschaftsverbände sind weniger optimistisch.
Die Wirtschaft klagt über hohe Energiepreise, Inflation und den Krieg in der Ukraine, doch für Bundeskanzler Olaf Scholz ist das kein Grund, pessimistisch in die wirtschaftliche Zukunft zu blicken. Im Gegenteil: Bei einem Treffen mit Spitzen der deutschen Wirtschaftsverbände auf der Handwerksmesse in München zeigte er sich zuversichtlich.
"Wir haben allen Grund, optimistischer in die Zukunft zu blicken als noch vor einem Jahr, was unser eigenes Land betrifft", sagte der Kanzler. Es sei gelungen, Deutschland in kürzester Zeit unabhängig von russischen Energieimporten zu machen und eine Energie- und Wirtschaftskrise zu verhindern. Auch auf den kommenden Winter sei man vorbereitet, betonte er.
"Milliardenschwere privatwirtschaftliche Investitionen"
Scholz' Zuversicht geht noch weiter: Der SPD-Politiker sieht wirtschaftliche Hochzeiten für Deutschland: "Zunächst mal gehe ich davon aus, dass Deutschland vor einer Phase großen Wachstums liegt." Scholz begründete seinen Optimismus mit dem Ziel, dass Deutschland bis 2045 Klimaneutralität erreichen müsse. Die Umsetzung des Klimaschutzgesetzes setze "milliardenschwere, hunderte milliardenschwere privatwirtschaftliche Investitionen" in einem Ausmaß voraus, "wie wir das über viele Jahrzehnte gar nicht mehr gewohnt waren".
Als Beispiele nannte Scholz Investitionen in neue Erzeugungsanlagen für Windkraftanlagen auf hoher See oder an Land. Auch in das Stromnetz, neue Produktionstechniken und Produktionsverfahren, die Dämmung und den Neubau von Häusern sowie die Infrastruktur werde investiert. Während Deutschland diese Aufgabe zu bewältigen habe und dabei wachse, ruckele es manchmal auch, so Scholz - wohl im Hinblick auf koalitionsinterne Streitpunkte. Dies sei aber "das bessere Problem".
"Erheblicher Nachholbedarf"
Im Gegensatz zum zuversichtlichen Kanzler ist die deutsche Wirtschaft im Dauer-Sorgen-Modus: Zwar stellten die Spitzen der vier großen Wirtschaftsverbände BDI, BDA, DIHK und ZDH der Ampelregierung ein eher positives Zeugnis für ihre Krisenpolitik aus - mahnten aber, sich für die Zukunft zu wappnen.
Deutschland brauche eine längerfristige Strategie, um weltweit erfolgreich zu bleiben, sagte der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Siegfried Russwurm, schon vor dem Treffen. Deutschland habe hier "noch erheblichen Nachholbedarf". Problematisch seien die hohen Energiekosten, die Inflation, aber auch die Bürokratie. Zugleich habe Deutschland im weltweiten Vergleich die höchsten Steuern, was der globalen Wettbewerbsfähigkeit der Industrie "ganz schön zu schaffen" mache.
Fachkräftemangel bekämpfen
In einem gemeinsamen Positionspapier klingen die Verbände noch dramatischer: "Der Verlust industrieller Wertschöpfung ist keine theoretische Gefahr mehr. Er findet bereits statt." Sie fordern eine Steuersenkung für Kapitalgesellschaften auf 25 Prozent, die Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren, flexiblere Arbeitszeitmodelle hin zu Wochenhöchstarbeitszeiten, modernere Ruhezeitregelungen und eine schnellere Zuwanderung von Fachkräften.
Auch Scholz erklärte die Sicherstellung von Fachkräften zur drängenden Herausforderung, sowohl durch Ausbildungen an Hochschulen als auch im Handwerk. Unter anderem müsse man sicherstellen, die Erwerbstätigkeit von Frauen durch gute Kinderbetreuung zu steigern und dafür zu sorgen, dass das Arbeitsleben möglichst lange attraktiv bleibe. Mit Blick auf die Zuwanderung von Arbeitskräften erklärte Scholz, dass sich diese "in diesem Jahr erheblich beschleunigen" werde.
Experten sehen keine Pleitewelle
Trotz der pessimistischen Töne aus der Wirtschaft sehen Fachleute bisher keine Anzeichen für einer Pleitewelle deutscher Unternehmen. In der Breite der Wirtschaft waren zuletzt zwar die Insolvenzzahlen auf Jahressicht gestiegen, lagen aber immer noch unter den langjährigen Werten.
Zumindest unter den großen Konzernen sind einige bisher sogar sehr gut durch die Krisen gekommen. Viele meldeten hohe Gewinne, teils auf Rekordniveau. Der Rüstungskonzern Rheinmetall etwa schaffte den Sprung in den DAX, nachdem sich die Aktie seit Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine vor gut einem Jahr fast verdoppelt hatte.