Kanzlerkandidatur der Union Warum Söders Kalkül nicht aufging
CSU-Chef Markus Söder scheitert auch im zweiten Anlauf: Die Kanzlerkandidatur muss er dem CDU-Vorsitzenden Merz überlassen. Warum das Kalkül des machtbewussten Bayern nicht aufging.
Den Vortritt lässt CDU-Chef Friedrich Merz dem CSU-Vorsitzenden nur beim gemeinsamen Pressetermin. Markus Söder darf in der Bayerischen Landesleitung in Berlin als Erster sprechen, in der entscheidenden Frage der Kanzlerkandidatur aber musste er sich geschlagen geben. Der Bayer kommt ungewöhnlich schnell zum Punkt: "Um es kurz zu machen: Die K-Frage ist entschieden. Friedrich Merz macht's."
Damit besiegelt Söder etwas, wovon viele in der Union seit Monaten ohnehin schon ausgegangen waren und was spätestens seit dem Vorabend unausweichlich schien. Am Montagabend hatte der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Hendrik Wüst die Unterstützung des größten CDU-Landesverbands für Parteichef Merz verkündet.
Söder bemüht sich vor laufenden Kameras, den Eindruck eines Getriebenen zu zerstreuen. "Der Termin heute ist nicht spontan, er ist länger vorbereitet." Entscheidend seien die Parteivorsitzenden. "Es gibt viele Ministerpräsidenten, aber nur zwei Parteivorsitzende in der Union." Aus dem Mund von Merz hört sich das etwas anders an. Er hebt die Zustimmung von CDU-Landesverbänden zu seiner Kandidatur hervor, dankt insbesondere den Parteifreunden in Nordrhein-Westfalen für die Unterstützung.
Schon zum zweiten Mal ist Söders Versuch gescheitert, Kanzlerkandidat der Union zu werden. 2021 hatte er sich nach hartem Machtkampf wenige Stunden lang schon am Ziel gesehen, musste sich dann aber doch dem damaligen CDU-Chef Armin Laschet geschlagen geben. Dieses Mal wurde ihm früher klar, dass er keine Chance hat - aus gleich mehreren Gründen.
Keine "Söder"-Rufe aus der CDU
Vor dreieinhalb Jahren fühlte sich Söder durch prominente CDU-Politiker ermutigt, nach der Kandidatur zu greifen. Die Hoffnung darauf, dass aus der Schwesterpartei erneut solche Rufe kommen könnten, dürfte den CSU-Chef denn auch bewogen haben, in die Offensive zu gehen. Vor zwei Wochen verkündete er ungefragt: "Ich würde mich nicht drücken, Verantwortung für unser Land zu übernehmen." Söders Kalkül ging nicht auf: Die Rufe blieben gänzlich aus.
Das lag zu einem großen Teil auch an starken Vorbehalten in der CDU gegen Söder. Selbst Christdemokraten, die 2021 noch Sympathien für eine Kandidatur des Franken hatten, stehen ihm heute kritisch gegenüber. In der CDU verübelt man dem CSU-Chef nicht nur, dass er zur Demontage des gemeinsamen Kanzlerkandidaten Laschet beitrug - und damit auch zur Wahlniederlage der Union. Auch Söders erneute Eigenwerbung in der K-Frage, die dem Vernehmen nach teils als aufdringlich und unangemessen empfunden wurde, kam nicht gut an.
Söders Taktik, sich durch sein klares Nein zu Schwarz-Grün nach der Bundestagswahl von Merz abzugrenzen, erzeugte in der CDU ebenfalls Unverständnis: "Mit mir geht Schwarz-Grün nicht", sagte er im ARD-Sommerinterview Ende August. Die CDU mag es ganz und gar nicht, wenn ihr die kleine Schwester Bedingungen diktieren will. Wie Merz halten es auch andere Christdemokraten strategisch für falsch, die Koalitionsoptionen zu sehr einzuschränken.
Söder: CDU hat "erstes Zugriffsrecht"
So sehr in der CSU auch auf die deutlich besseren Umfragewerte Söders und die fehlende Regierungserfahrung von Merz verwiesen wurde - die CDU nimmt das in Kauf. Auch die Hoffnung mancher CSU-Strategen, dass sich die Tür für Söder durch einen schweren Patzer des CDU-Vorsitzenden öffnen könnte, erfüllte sich nicht. Im Gegenteil: Merz profilierte sich in den vergangenen Wochen als entschlossener Oppositionsführer und hat den Rückhalt der Union-Bundestagsfraktion. Selbst CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt nannte ihn im Sommer den "richtigen Trainer für Deutschland".
Aus den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen ging die CDU zwar nicht als strahlender Sieger hervor, die Ergebnisse waren aber solide genug, um als Erfolg gewertet zu werden. Auf Bundesebene ist die Union bei der Sonntagsfrage klar vorne - auch wenn man sich die Frage stellen kann, warum die Werte angesichts der Schwäche der Ampel nicht noch besser sind.
Mit einem angeschlagenen Merz hätte Söder es möglicherweise aufnehmen können. So aber blieb ihm letztlich nichts anders übrig, als seinen Rückzug mit Gesetzmäßigkeiten zu begründen: "Historisch gesehen" habe die CDU als größere Schwester das erste Zugriffsrecht. "Friedrich Merz als Parteivorsitzender nimmt von diesem Anrecht Gebrauch. Die CSU akzeptiert es."
Da er nicht Kanzler werden kann, will Söder nun in München bleiben. Bei dieser Ankündigung bleibt es. Er macht aber deutlich, dass mit ihm im Bund zu rechnen sein wird: In einer Koalition sei der Koalitionsausschuss entscheidend, dort sei die politische Macht konzentriert. Söder will von München aus mitregieren und in Berlin möglichst viel durchsetzen.
Ob Söder mit dem heutigen Tag seine Kanzler-Träume endgültig begraben hat, bleibt abzuwarten. Merz wäre nach einer ersten Amtszeit als Kanzler fast 74 Jahre alt. Söder ist elf Jahre jünger. Allerdings ist Hendrik Wüst, der gestern auf eine Kandidatur "aktuell" verzichtet hat, dann erst 53.