Wüsts Verzicht auf Kanzlerkandidatur Klare Botschaften Richtung Bayern
Die überaus deutlich formulierte Unterstützung Wüsts für Merz ist ein klares Zeichen an Söder, analysiert Michael Heussen. Beobachter werten seine Aussagen als Bewerbung für 2029 oder spätestens 2033.
Hendrik Wüst hält sich an sein Manuskript: Nichts will er dem Zufall überlassen, kein unbedachtes Wort soll ihm rausrutschen. Und bei den wenigen Nachfragen der Journalisten, bei denen er frei, ohne Skript, antworten muss, bleibt er wortkarg. So bleibt es vage, ob das, was er da verkündet, in irgendeiner Form abgesprochen war mit anderen Unions-Landesfürsten, vor allem mit dem in München.
Denn für Bayerns Ministerpräsidenten Markus Söder muss es sich wie ein Schlag ins Gesicht anfühlen, was sein Kollege in Nordrhein-Westfalen verkündet: Dass er selbst nicht Kanzlerkandidat der Union werden will und stattdessen CDU-Chef Friedrich Merz unterstützt - das habe der Vorstand der NRW-CDU am Montagnachmittag so beschlossen. Nicht per Abstimmung, sondern mit Kopfnicken, wie man im Nachgang am Rande erfuhr.
Nach dem Verzicht von NRW-Ministerpräsident Wüst auf die Kanzlerkandidatur der Union laden CDU-Chef Merz und CSU-Chef Söder nun zu einer gemeinsamen Pressekonferenz ein. Diese soll heute um 12 Uhr stattfinden, wie die CSU-Landesgruppe mitteilte. Es wird erwartet, dass sie sich dort zum Thema Kanzlerkandidatur äußern.
Unterstützung für Merz vom Heimatverband
In Bayern scheint man überrascht zu sein: Zunächst gab es keine offizielle Reaktion aus München. Markus Söder war wohl von einem anderen Prozedere der Kandidatenkür ausgegangen. Er werde sich nicht ducken, wenn er gerufen werde, hatte er gesagt. Zumindest aus Düsseldorf wird er nun nicht gerufen: Der größte Landesverband der CDU setzt auf einen Kandidaten aus den eigenen Reihen.
"Friedrich Merz ist für die Christdemokraten in Nordrhein-Westfalen nicht nur unser Bundesvorsitzender. Friedrich Merz ist einer von uns, tief verwurzelt im Sauerland. Friedrich Merz hat politische Verantwortung übernommen. Er war bereit, in einer für die deutsche Christdemokratie sehr schwierigen Zeit die Führung und damit das Ruder zu übernehmen. Er hat unsere Partei wieder geeint und in ruhiges Fahrwasser gebracht", heißt es. Und weiter: "Friedrich Merz kann sich auf die Unterstützung seines Heimatverbandes verlassen." Rund ein Dutzend Mal fällt der Name Merz in der 20-minütigen Rede.
"Vertrauen in Demokratie ist gefährdet"
Der Bogen, den Wüst spannt bis zu den entscheidenden Sätzen zu seinem Verzicht, ist weit. Es stehe nicht gut um Deutschland im Spätsommer 2024 nach dem Terrorakt von Solingen und den Wahlen in Sachsen und in Thüringen: "Deutschland erlebt eine Krise, die den gesellschaftlichen Zusammenhalt und das Vertrauen in unsere Demokratie gefährdet."
Es werde offenbar, dass die Fundamente der drei zentralen Versprechen der deutschen Demokratie beschädigt seien: "Erstens das Sicherheitsversprechen, nach innen wie nach außen. Zweitens das Wohlstandsversprechen der sozialen Marktwirtschaft. Drittens das Versprechen vom Aufstieg durch Bildung. In den Augen vieler Menschen haben diese zentralen Versprechen an Gültigkeit verloren. Wir müssen diese Fundamente wieder instand setzen, um unsere Demokratie zu sichern."
"Schlechteste Regierung" ablösen
Um dieses Fundament wieder aufzubauen, sei ein Regierungswechsel nötig, so Wüst: "Es grenzt an Tragik, dass ausgerechnet in dieser Zeit historischer Herausforderungen in Deutschland die schlechteste Bundesregierung der Geschichte regiert." Nur einer starken und einigen Union werde es gelingen, die Ampel-Regierung abzulösen.
Und - hier wird die Argumentation etwas holperig und Wüst klebt an den Worten im Manuskript:
Als Vorsitzender des größten Landesverbandes der CDU ist es meine Pflicht, diese Geschlossenheit zu fördern und zu sichern. Deswegen habe ich heute dem Landesvorstand der CDU Nordrhein-Westfalen mitgeteilt, dass ich aktuell und unter den gegebenen Umständen für die Kanzlerkandidatur der Union bei der Bundestagswahl 2025 nicht zur Verfügung stehe. Meine Aufgaben liegen hier in Nordrhein-Westfalen. Gleichzeitig habe ich den Landesvorstand darum gebeten, unseren Bundesvorsitzenden Friedrich Merz als Kanzlerkandidaten zu unterstützen.
Bitte keine Störfeuer
Und als Warnschuss in Richtung München können seine Worte gedeutet werden, dass er sich gut an die Gründe erinnere, warum die Union den letzten Bundestagswahlkampf verloren hat: "Die Lehre aus 2021 ist, dass es für den gemeinsamen Wahlerfolg eine Grundvoraussetzung gibt: die Geschlossenheit der CDU und der Union insgesamt." Also bitte keine Störfeuer und Sticheleien von CSU-Chef Söder wie damals gegen den Spitzenkandidaten Armin Laschet.
Wüst: "Niemals nie nie sagen"
Ob und wann andere Unions-Landesfürsten dem Beispiel Wüsts folgen, steht noch nicht fest. Am kommenden Sonntag wird in Brandenburg gewählt. Die CDU könnte dabei auf dem dritten oder vierten Platz landen. Trotzdem wird damit gerechnet, dass Merz am folgenden Montag offiziell seine Kanzlerkandidatur verkünden wird.
Und die weiteren Karrierepläne von Wüst? Beobachter werten diese Sätze als Bewerbung für 2029 oder spätestens 2033: "Ein Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen ist immer ein möglicher Kanzlerkandidat. Wer das große Land Nordrhein-Westfalen regiert, muss auch bereit sein, für unsere ganze Nation Verantwortung zu übernehmen. Das gilt auch für mich. Anders gesagt: Man sollte niemals 'nie, nie' sagen."