Sommerinterview mit Janine Wissler "Brauchen einen Neustart für die Linke"
Selbstkritisch, aber optimistisch - so hat sich Linkspartei-Chefin Wissler im ARD-Sommerinterview präsentiert. Deutliche Ansagen machte sie nicht nur im Wagenknecht-Streit, sondern auch zur Ukraine und beim Klimaschutz.
In vielen Umfragen auf Bundesebene kämpft die Linkspartei mit der Fünf-Prozent-Hürde. Diese kritische Situation ist auch der Parteivorsitzenden Janine Wissler bewusst. Im ARD-Sommerinterview des Berichts aus Berlin räumte sie ein: "Uns müssen die Umfrageergebnisse schon große Sorgen machen."
Ihre Partei müsse sich fragen, was sie anders machen müsse, machte sie im Gespräch mit Tina Hassel deutlich. Trotz interner Auseinandersetzungen zeigte sie sich aber zuversichtlich für die politische Zukunft. Der Parteivorstand arbeite an einem Plan, um bis 2025 wieder gestärkt in den Bundestag einziehen zu können.
"Wir brauchen so etwas wie einen Neustart für die Linke", sagte Wissler. Nötig sei zum Beispiel die Öffnung zu sozialen Bewegungen, zu Gewerkschaften und zur Klimabewegung. "Gerade in Zeiten wie diesen braucht es eine linke Opposition, die sich stark macht für soziale Gerechtigkeit."
Streit mit Wagenknecht
Klare Kante zeigte Wissler in der Causa Sahra Wagenknecht. Linkspartei-Abgeordnete sollten nicht öffentlich die eigene Partei infrage stellen und "damit kokettieren, eine neue Partei zu gründen". Inzwischen fehle ihr jedes Verständnis dafür, dass sich Abgeordnete an der Partei abarbeiten, statt gesellschaftliche Probleme zu bekämpfen.
Dafür, dass Wagenknecht vom Parteivorstand aufgefordert wurde, ihr Bundestagsmandat niederzulegen, gebe es in der Partei und auch in den Landesverbänden große Unterstützung, so Wissler. Ihrer Ansicht nach habe auch nicht der Parteivorstand mit Wagenknecht gebrochen, sondern Wagenknecht habe deutlich gemacht, dass sie nicht mehr für die Linkspartei kandidieren werde.
Wissler räumte aber ein, dass der erbitterte interne Streit von den Menschen im Land abgelehnt werde. Die Entwicklung sei "sehr bedauerlich", aber der Parteivorstand habe sich schützend vor die Mitglieder stellen müssen.
Sozial gerechter Klimaschutz
Als ein wichtiges Thema für die Partei identifizierte Wissler den Klimaschutz - bekanntermaßen das Kernthema der Grünen. Die Bundesregierung tue nichts für den Klimaschutz, so Wissler. Die Ampelkoalition weiche die Klimaziele auf und komme bei der Verkehrswende überhaupt nicht voran. Deshalb müsse man beim Klimaschutz mehr Druck auf die Ampel ausüben.
Klimaschutz müsse aber sozial gerecht sein. Die Wärmewende dürfe nicht auf die Mieterinnen und Mieter abgewälzt werden. Der Kohlendioxidausstoß der Menschen sei eben nicht gleich, sondern stark vom Einkommen abhängig. Wissler nannte in diesem Zusammenhang reiche Menschen, die über Privatjets oder große Jachten verfügten. Die Linkspartei wolle deshalb Menschen mit niedrigen Einkommen stärker unterstützen.
Wer das Klima schützen will, muss auch bereit sein, sich auch mit den Energiekonzernen und der Industrie anzulegen. Das sind die Grünen nicht, wie wir in Lützerath gesehen haben.
"Russische Truppen haben in der Ukraine nichts zu suchen"
In Hinblick auf den Krieg gegen die Ukraine forderte Wissler eine "diplomatische Offensive". Sie habe große Zweifel daran, dass Waffenlieferungen diesen Krieg schnell beenden könnten. Dazu müsste natürlich auch mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin gesprochen werden.
Der russische Angriffskrieg sei durch nichts zu rechtfertigen, machte Wissler gleichzeitig deutlich. "Russische Truppen haben in der Ukraine nichts zu suchen." Deshalb fordere sie auch den Abzug der russischen Truppen.
Ob die Ukraine für ein Ende der Kämpfe auf Staatsgebiet verzichtet, müsse die ukrainische Seite entscheiden. Ihr fehle die Phantasie dafür, wie die Ukraine militärisch die Krim wiedererobern könne. "Wir brauchen Verhandlungen, wir brauchen einen dauerhaften Frieden."