Unmut über Scholz Die SPD sucht den "Alltags"-Kanzler
Die Umfragewerte der SPD sind im Keller, die Zustimmungswerte des SPD-Kanzlers ebenfalls. In der Partei wachsen Unmut und Ungeduld. Sie will Scholz "alltagstauglich" machen. Aber geht das so einfach?
Die Stimmung war ausgelassen, die Menschen am Jubeln: Deutschland lag beim Handball-Spiel gegen Nord-Mazedonien bei der Europameisterschaft vorne - für die Fans im ausverkauften Berliner Stadion war ein "Wintermärchen" womöglich greifbar. Doch dann wurde im Stadion die Ankunft des Kanzlers angekündigt und die Stimmung schien plötzlich im Keller: Buh-Rufe folgten, der Kanzler wurde von den deutschen Fans ausgepfiffen.
Dem deutschen Handball-Verband war die Reaktion der Fans im Nachhinein unangenehm. Doch die vergangenen Wochen hätten eben auch eine bestimmte Grundstimmung in Deutschland gezeigt, heißt es. So eine Reaktion der Fans auf den Kanzler habe diese eben auch nicht unwahrscheinlich gemacht.
Kritik und Anfeindungen
Wenn Olaf Scholz in diesen Tagen auf die Deutschen trifft, sind die Begegnungen durchaus öfter von Kritik und Anfeindungen begleitet. Selbst als er zum Jahreswechsel doch die Gummistiefel anzog und im Hochwassergebiet in Sachsen-Anhalt seine Solidarität zeigen wollte, erntete er von Anwohnern Sätze wie "Geh gleich wieder zurück".
Das Scholz-Versprechen "Wir werden niemanden alleine lassen" schien bei manchen im Hochwassergebiet nicht anzukommen. Womöglich im ständigen öffentlichen Streit um knappe Gelder erscheinen solche Sätze auch nicht mehr besonders glaubwürdig. Die Ungeduld mit dem Kanzler wächst - und das auch in den eigenen Reihen.
Fehlende Kommunikation, falsche Nicht-Kommunikation
Genossen, die es noch gut mit ihrem Kanzler meinen, tun Scholz' Auftritte nur noch ab mit den Worten: "Ach, Olaf und Kommunikation - das war noch nie sein Ding". Doch hinter den Kulissen brodelt es in der Partei: Die Stimmung in Deutschland, die hohen Umfragewerte der AfD und die schlechten der SPD bereiten vielen Kopfschmerzen.
Nicht nur, dass so mancher Sozialdemokrat die öffentliche Kommunikation des Kanzlers als "misslungen" bezeichnet. Einige in der SPD-Fraktion sind auch von Scholz' Nicht-Kommunizieren von wichtigen Entscheidungen an die Partei genervt. Vieles mache er im Kanzleramt mit Kabinettskollegen Robert Habeck und Christian Lindner aus. Wichtige Entscheidungen erfahre man erst in Nachhinein - beim Thema Haushaltskürzungen für 2024 sei das zum Beispiel so gewesen.
Dass mit Landwirten nicht ausreichend über Subventionskürzungen gesprochen wurde, musste auch die SPD-Fraktion auffangen. Mit den anderen Ampel-Parteien suchte sie das Gespräch in einer Extra-Sitzung. Dialog mit den betroffenen Bauern - das ist etwas, was man im Vorhinein eigentlich hätte machen sollen. Mit der Bevölkerung reden, Entscheidungen erklären - ebenfalls etwas, wofür auch ein Kanzler da sein sollte.
Mehr "Alltagstauglichkeit" nötig
Die Nicht-Kommunikation fällt der Kanzler-Partei nun auf die Füße. SPD-Ministerpräsidenten wie Stephan Weil, Manuela Schwesig und Dietmar Woidke kritisieren bereits öffentlich Entscheidungen des Kanzlers, halten beispielsweise die Streichungen für die Landwirte für eine Kürzung "ohne Konzept".
Sehr lange haben genau diese SPD-Ministerpräsidenten geschwiegen, um dem Kanzler nicht in den Rücken zu fallen. Doch den Wählerfrust bekommen sie auch in ihren Bundesländern zu spüren. Gerade im Super-Wahljahr, in dem drei Landtagswahlen in Ostdeutschland und die Europawahl anstehen, steht die SPD zu Jahresbeginn ganz schlecht da.
Auf die Frage, wie man nun mit der Kanzler-Perfomance und den schlechten Umfragewerten der SPD umgeht, spricht Katja Mast, Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion davon, dass ihre Partei wieder mehr für "Alltagsstauglichkeit" stehen solle. Das habe sie ihrer Partei nach der Fraktionsklausur ins Stammbuch geschrieben - und das gelte auch für den SPD-Bundeskanzler.
"Mehr gute Inhalte liefern"
Doch wie "alltagstauglich" kann man Kanzler Scholz auf die Schnelle im Super-Wahljahr noch machen? Allein vor seinen Bundestagsreden wünscht sich so mancher Genosse, dass man ihm das Redemanuskript wegnehme, damit er nicht emotionslos die Zeilen abliest. Alltagstauglicher könnten auch die Themen sein, über welche die SPD spricht, heißt es immer wieder aus der Partei.
Eine bessere Kommunikation sei das eine, sagt Juso-Chef Philipp Türmer. "Die SPD muss auch die richtigen Antworten liefern. Es gibt genug Probleme, die die Menschen umtreiben, die man lösen könnte. Der Mangel an bezahlbaren Wohnraum beispielsweise - da sind die Antworten noch zu klein". Auch beim steigenden CO2-Preis und wie das sozial ausgeglichen werden soll, brauche die SPD ein klares Konzept.
Es sei natürlich am Ende vor allem der Kanzler gefragt, bei den Fragen, die den Menschen unter den Nägeln brenne, Erfolge zu verbuchen und dafür zu sorgen, dass die Ampel als Gestalterin wahr- und ernstgenommen werde.
Sorgenvoller Blick in den Osten
Mit Sorgen schauen die Genossen nun auf die AfD und die Landtagswahlen im Osten. Sich nur inhaltlich stellen, wird nicht reichen, sind sich einige Sozialdemokraten einig. Schon jetzt wird der Ton gegenüber der AfD schärfer. Der SPD-Parteivorsitzende Lars Klingbeil bezeichnet AfD-Chefin Alice Weidel als "Rechtsextreme" und ruft nun die Bevölkerung auf, auch lauter zu werden.
Auch Juso-Chef Türmer will die schweigende Mehrheit mehr mobilisieren. Mit den Straßenprotesten gegen die AfD und den Rechtsextremismus ist nun ein Momentum geschaffen. Eines, das auch der Kanzler nutzen könnte, um den Abwärtstrend der SPD zu stoppen.