Politik und Bauernproteste Sie wollen reden
An Tag vier der Bauernproteste reagiert die Ampelkoalition mit einem Gesprächsangebot. Man nehme alle Argumente auf und entscheide dann, so SPD-Fraktionschef Mützenich. Auch der Kanzler Scholz will reden - "leider viel zu spät", so der Verband.
Nach tagelangen Protesten gegen die geplanten Agrarkürzungen sucht die Ampelkoalition das Gespräch mit den Bauern. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) äußerte Verständnis für die Proteste und bot den Landwirten einen Dialog an. Die Spitzen der Koalitionsfraktionen luden die Vorsitzenden der acht Bauernverbände für Montag zu einem Gespräch nach Berlin ein.
SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich machte deutlich, dass er die Diskussion ergebnisoffen führen wolle. Änderungen beim geplanten Abbau der Steuererleichterungen für den Agrardiesel schloss er nicht grundsätzlich aus. "Wir ziehen nichts durch, sondern wir diskutieren", betonte er. "Wir nehmen alle Argumente auf und am Ende entscheiden wir."
Proteste bei Kanzler-Besuch im Bahnwerk
Die Ampel-Regierung hatte mit ihren Plänen für den Abbau der Steuervergünstigungen für Agrardiesel einen Proteststurm der Bauern ausgelöst, der auch durch Zugeständnisse der Regierung nicht gestoppt werden konnte. Beim Besuch eines neuen Bahnwerks in Cottbus bekam Scholz den Unmut auch direkt zu spüren.
Die Polizei leitete vor seiner Rede eine Kolonne mit Traktoren am Veranstaltungsort mit rund 500 Demonstranten vorbei. Dabei war lautes Hupen zu hören. "Wir leben ja in aufgeregten Zeiten, ein bisschen haben wir das auch gehört", kommentierte Scholz die Proteste. "Und auch das gehört zur Demokratie dazu, dass man sich seine Meinung sagt." Einen Auftritt bei einer Kundgebung des brandenburgischen Landesbauernverbands in Cottbus vermied der Kanzler jedoch.
Landesbauernpräsident: "Leider viel zu spät"
Scholz traf sich am Rande der Veranstaltung mit Brandenburgs Landesbauernpräsident Henrik Wendorff. Nach Angaben der Landwirte bot er dabei an, im Dialog zu bleiben, machte aber keine Zugeständnisse. "Es ist erkannt worden, dass jetzt - leider viel zu spät - in einen Dialog eingetreten wird, den wir schon lange, lange erwartet habe", sagte Wendorff nach dem Gespräch mit dem Kanzler.
Scholz habe ihm gesagt, er werde mit Bundesagrarminister Cem Özdemir (Grüne) sprechen. Mit dem Angebot eines Dialogs zur Suche nach Lösungen werde er aber die Landwirte nicht von heute auf morgen von den Straßen bekommen. "Das reicht nicht."
Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) begrüßte in einer ersten Reaktion die Initiative der Ampel. Ihr Vorsitzender Martin Schulz rief die Regierung und die Fraktionsspitzen dazu auf, "das Ruder in der Agrarpolitik endlich herumzureißen".
Ökonomin: Regierung darf "sich nicht erpressen lassen"
Die Klimaökonomin Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) äußerte zwar Verständnis für die Proteste der Bauern, weil die Subventionskürzungen sehr kurzfristig beschlossen worden seien. Dennoch forderte sie, die Bundesregierung dürfe "sich nicht erpressen lassen". Es sei richtig, Subventionen für fossile Kraftstoffe abzubauen. "Wir brauchen grundsätzlich Anreize, den Verbrauch von klimaschädlichen Kraftstoffen zu reduzieren", sagte sie dem MDR.
Die Proteste der Bauern sollen ihren Höhepunkt am kommenden Montag mit einer Demonstration in Berlin haben. Dann wollen sich Branchen wie die Fischerei und der Transportbereich anschließen. Auch der Gaststättenverband Dehoga will dabei sein. Die Gastwirte kritisieren vor allem die Anhebung der Mehrwertsteuer auf Speisen.