
Pläne zur Neuaufstellung Wie die SPD den Neustart wagen will
Nach der Wahl beginnt für die SPD die Aufarbeitung: Wie konnte es zum schlechten Abschneiden kommen? Eine Kommission mit Experten soll nun laut einem internen Papier für frischen Wind sorgen - und Fehler im Wahlkampf offenlegen.
Für die Sozialdemokraten war es eine historische Wahlniederlage: Mit 16.41 Prozent haben sie im Vergleich zur vorangegangen Bundestagswahl 9,29 Prozentpunkte verloren. Und auch innerhalb der Partei gibt es Herausforderungen: Im vergangenen Jahr hat die SPD erneut Mitglieder verloren. Das geht aus einer internen Mail an den Parteivorstand hervor, die dem ARD-Hauptstadtstudio vorliegt. Demnach hatte die Partei zum Stichtag 31.12.2024 insgesamt 357.117 Mitglieder. Zum Stichtag 2023 waren es noch 365.190.
Doch obwohl die Sozialdemokraten damit einen Rückgang bei den Mitgliedszahlen verkraften mussten, gewannen sie auch neue Mitglieder hinzu: 15.599 Menschen sind demnach 2024 in die Partei eingetreten. Auch in den ersten zwei Monaten des Jahres 2025 seien mehr als 6.000 Menschen online eingetreten. Hinzu kämen weitere analoge Eintritte in den Gliederungen vor Ort.
Weg in die Opposition scheint ausgeschlossen
Die Stimmung in der SPD scheint nach dem desaströsen Wahlergebnis bei der Bundestagswahl eher reif für die Opposition. Die Seele der Partei müsse sich eigentlich erstmal erholen, heißt es immer wieder von Sozialdemokraten. Der Oberbürgermeister von Kiel, Ulf Kämpfer, hat das vergangene Woche in der Bild-Zeitung auch öffentlich gesagt. Doch der Weg in die Opposition ist vermutlich ausgeschlossen.
Die SPD muss Verantwortung in einer möglichen schwarz-roten Koalition übernehmen und gleichzeitig das Wahlergebnis aufarbeiten. Wer trägt die Verantwortung für 16,5 Prozent der Zweitstimmen? Gestern hat der Parteivorstand sich nun offiziell auf den Weg gemacht, das Wahlergebnis zu analysieren und Schlüsse daraus zu ziehen.
Papier sieht SPD in der Defensive
In einem vierseitigen Dokument beschreibt die Partei den Weg zu einer möglichen Neuaufstellung. Der Wahltag habe auch über die erwartete Niederlage hinaus "bittere Erkenntnisse" gebracht. Nur noch zwölf Prozent der Arbeiterinnen und Arbeiter hätten der SPD das Vertrauen geschenkt, heißt es dort. Bei den Erstwählenden sei man abgeschlagen auf Platz vier gelandet. Das Potenzial bei Frauen sei nicht mobilisiert worden.
Im Osten sei die Partei bei nur noch zehn Prozent gelandet. Bei den wahlentscheidenden Themen innere Sicherheit, Migration und Wirtschaft habe die SPD schlechte Kompetenzwerte, schreiben die Autoren der Beschlussfassung. Man brauche nun ein umfassendes Verständnis dafür, wo und wie man seit 2021 die Bürgerinnen und Bürger verloren, wo man in der Vorbereitung und Umsetzung der Kampagne Fehler gemacht habe und welche gesellschaftlichen Veränderungen die SPD in die Defensive bringen.
Inhaltliche Neuaufstellung ist das Ziel
Nur wenn man die richtigen Schlüsse ziehe, werde man als Volkspartei der linken Mitte wieder mehrheitsfähig. Dafür will man laut Papier die Entwicklung der vergangenen Jahre durch eine Kommission aufarbeiten lassen, zu der auch externe Expertise hinzugezogen werde. Unterstützt werde die Arbeit der Kommission durch Befragungen der Wahlkreise und Ortsvereine, eine gemeinsame Auswertung unter anderem mit Kommunalpolitikern und externen Analysen.
Der Prozess soll in einen Parteitagsbeschluss münden. Koordiniert werde das alles vom Generalsekretär der Partei. Zusätzlich zu dieser Aufarbeitung will die Partei auch einen Prozess starten, der die SPD inhaltlich neu aufstellen soll. Dieser dürfe keine reine Selbstbeschäftigung sein, sondern müsse der Partei "Fenster und Türen öffnen, um Impulse aus der Gesellschaft aufzunehmen".
Am Ende könne eine neue Grundsatzprogrammatik entstehen. Ziel müsse es sein, soziale Politik im 21. Jahrhundert zu formulieren. Starten soll dieser Prozess mit einem vorgezogenen Parteitag noch vor der Sommerpause. Das Ende des Prozesses ist auf die Bundestagswahl 2029 ausgerichtet.