Kevin Kühnert
analyse

Schlechte Umfragewerte Warum die SPD im Osten schlecht ankommt

Stand: 03.01.2024 18:57 Uhr

In drei ostdeutschen Bundesländern wird dieses Jahr gewählt. Ein Blick auf Umfragen zeigt, dass der Kanzlerpartei der Bedeutungsverlust droht. Wie will die SPD dem Höhenflug der AfD begegnen?

Eine Analyse von Torben Ostermann, ARD-Hauptstadtstudio

Als die SPD kurz vor Jahresende zum Parteitag zusammenkommt, hat sie ein hartes Jahr hinter sich: Ampel-Krise, schlechte Umfragewerte, Kritik am Kanzler. Verständlich also, dass sich die Partei für das Wochenende vorgenommen hat, den großen Streit vor der Tür zu lassen.

Dann allerdings betritt Mareike Engel die Bühne. Sie ist 23 Jahre alt und Chefin der SPD-Jugendorganisation in Sachsen. Dort wird im Herbst gewählt - und die AfD führt gerade haushoch. Engel will ihre Genossen aufrütteln, wendet sich direkt an den Kanzler und wirft ihm vor, zu wenig sozialdemokratische Politik zu machen. Es folgen Buhrufe. Engel verlässt die Bühne.

Die Buhrufe hätten sie getroffen, erzählt sie im Gespräch mit dem ARD-Hauptstadtstudio. Auf der anderen Seite zeige die Reaktion von einigen in ihrer Partei auch, wie unterschiedlich Realitäten wahrgenommen werden.

Die SPD spielt vielerorts keine Rolle mehr

Die Wahlen im Osten schweben wie eine dunkle Wolke über dem politischen Berlin. Die politische Landkarte im Osten hat sich blau gefärbt. Vor allem in Thüringen und Sachsen spielt die SPD fast keine Rolle mehr, die AfD dominiert. Wie will die Kanzlerpartei damit umgehen?

Kevin Kühnert wird ernst, wenn man ihn auf die Landtagswahlen anspricht. Als SPD-Generalsekretär ist er Chefstratege, muss gemeinsam mit den Landesverbänden vor Ort den Wahlkampf organisieren. Und das ist gar nicht so leicht. Denn die SPD ist im Osten kaum präsent, wie auch die CDU, die FDP und die Grünen. Im kleinstädtischen, dörflichen Bereich sei die SPD nicht besonders gut aufgestellt, räumt Kühnert ein. Vor allem da habe die AfD leichtes Spiel.

Geringere Löhne und Inflation

Anders, aber auch nicht gut für die SPD, ist die Lage in Brandenburg. Hier steht die Partei zwar noch deutlich besser da als etwa in Sachsen - die AfD führt das Ranking allerdings an.

Warum das so ist? Diese Frage treibt auch Mathias Papendieck um. Er ist SPD-Bundestagsabgeordneter aus Frankfurt an der Oder und blickt grundsätzlich zufrieden auf die Bilanz der SPD-geführten Regierung in seinem Bundesland. Schnell beginnt er die jüngsten Erfolge aufzuzählen: das starke Wirtschaftswachstum etwa, die Ansiedlung prominenter Unternehmen wie Tesla und schließlich der Ausbau erneuerbarer Energien. Mittlerweile produziert Brandenburg mehr grünen Strom, als das Land selbst braucht. Papendieck ist fest davon überzeugt, dass das zukunftsweisend ist.

Und trotzdem liegt seine SPD in den Umfragen nur auf Platz zwei, hinter der AfD. Papendieck glaubt, dass das auch mit der Inflation zusammenhängt und mit den immer noch geringeren Löhnen in Ostdeutschland. Unter anderem darauf stützt sich dieses Gefühl, nicht gleichbehandelt zu werden, auch mehr als 30 Jahre nach dem Mauerfall.

Wirtschaft als Hauptthema

Gefühle müssten in der Politik ernstgenommen werden, erklärt Kühnert. Zu Recht fühlten sich viele Leute in der Fläche nicht gerecht behandelt. Es ist eine Binsenweisheit, dass Gefühle in der Politik häufig mehr zählen als Fakten. Was nützen die Geschichten von Hunderten aufgestellten Windrädern und großen Fabriken, wenn sie keiner hören will? Es ist eine der Fragen, über denen die SPD-Spitze gerade brütet.

Fest steht, dass wirtschaftliche Themen in den Mittelpunkt des Wahlkampfs rücken sollen. Bloß kleine Kulturkämpfe, wie Diskussionen über gendergerechte Sprache. Diese Diskussionen würden die Wählerinnen und Wähler förmlich zur AfD treiben. Stattdessen soll über sichere Arbeitsplätze und faire Bezahlung gesprochen werden.

Ostdeutsche Erfolgsgeschichten

Kühnert will im Wahlkampf ostdeutsche Erfolgsgeschichten erzählen. Der Wahlkampf müsse sich darum drehen, wie noch mehr von ihnen geschrieben werden könnten. Mit Zuversicht und Aufbruchstimmung gegen den drohenden Rechtsruck, so lautet offensichtlich die Devise im Willy-Brandt-Haus.

Es ist mehr als fraglich, ob diese Strategie aufgehen wird. Zu groß scheint der angestaute Zorn über "die da oben". Bleibt das so bis zum Herbst, dürfte auch die beste Kampagne kaum Chancen haben, wahrgenommen zu werden.

Mareike Engel, die Chefin der SPD-Jugendorganisation in Sachsen, scheint die Hoffnung noch nicht aufgegeben zu haben. Sie will kämpfen und erwartet, dass viele Genossen aus dem ganzen Bundesgebiet sie dabei unterstützen. Es bleibt eine riskante Wette, dass sich die SPD in Sachsen noch mal erholt. Die Quoten stehen gerade schlecht.

Torben Ostermann, ARD Berlin, tagesschau, 03.01.2024 13:55 Uhr