Reden im Bundestag Klartext oder Fachchinesisch?
Ein Forscherteam hat untersucht, wie verständlich Reden im Bundestag sind. Ganz vorne im Ranking: eine Bundesministerin, ganz hinten: ebenfalls Vertreter der Regierungsparteien.
Für Bettina Stark-Watzinger kommt die Nachricht überraschend. "Da bin ich furchtbar stolz drauf", freut sich die Bundesbildungsministerin im Interview mit dem ARD-Hauptstadtstudio.
Stark-Watzinger hat in der Haushaltswoche im Bundestag die verständlichste Rede gehalten. Zu diesem Ergebnis kommt ein Forscherteam der Universität Stuttgart-Hohenheim. Die Kommunikationswissenschaftler haben 96 Reden aus der Haushaltsdebatte im vergangenen September analysiert.
Es ging nicht darum, ob der Inhalt der Reden verständlich war, sondern mehr um formale Kriterien wie: kurze Sätze, wenig Fremd- und Fachwörter sowie Anglizismen. Gerade die sind den Forschern bei Bundesfinanzminister Christian Lindner aufgestoßen, wenn er über ein "Turnaround-Potenzial" spricht.
Oder bei Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck, der den Begriff "incentiviert" in seine Rede eingebaut hat. Solche oder ähnliche Begriffe hat Bettina Stark-Watzinger nicht verwendet und kommt auch deshalb auf 19,2 von 20 Punkten im sogenannten Hohenheimer Verständlichkeitsindex.
Lindner und Habeck fallen mit Fachbegriffen negativ auf
"Da werde ich zuhause gleich mal sagen: Warum versteht ihr mich nicht? Im Bundestag versteht man mich schließlich", sagt die Ministerin lachend.
Ihre Strategie für eine gute Bundestagsrede: Komplexe Zusammenhänge so ausdrücken, dass die Menschen sie auch verstehen. Und zwar kurz und knackig, gerne auch mit Bildern und Metaphern, erklärt die FDP-Politikerin. Den Glauben, es wirke besonders klug, wenn man lange Bandwurmsätze spricht, müsse man zur Seite schieben. Dann verstehe einen keiner, so die Ministerin.
Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger hat in der Haushaltswoche die verständlichste Rede gehalten.
Schlusslichter kommen von Grünen und FDP
Agnieszka Brugger von den Grünen und Claudia Raffelhüschen von der FDP tun sich mit einfachen Sätzen in ihren Bundestagsreden dagegen schwer. Sie kommen in der Untersuchung nur auf 8,0 von 20 Punkten und hielten damit die unverständlichsten Reden.
"Die sind formal eben etwas komplizierter", sagt Kommunikationswissenschaftlerin Claudia Thoms von der Uni Hohenheim. Nach ihrer Analyse sind die Sätze der beiden Letztplatzierten im Schnitt doppelt so lang wie die Sätze von Gewinnerin Stark-Watzinger.
Wenn man in die Haushaltsreden aus dem Herbst reinhört - abrufbar in der Mediathek des Bundestages - fallen noch deutlichere Unterschiede auf. Brugger sagte beispielsweise: "Wir wissen als Abgeordnete der demokratischen Fraktionen im Verteidigungsausschuss, dass wir in die ohnehin unzureichende Ausstattung der Bundeswehr große Lücken reißen, die sie gerade bei Übungen und Ausbildung beeinträchtigen." 29 Wörter.
Die Rede der Bildungsministerin begann dagegen so: "Wer zu Forschern reist, reist in die Zukunft." Acht Wörter.
Umweltministerin ist Verliererin im Kabinett
Bei den Mitgliedern des Bundeskabinetts schneidet Umweltministerin Steffi Lemke am schlechtesten ab. Kanzler Olaf Scholz schafft es immerhin auf den Wert 14,3.
Sein Rivale, CDU-Chef Friedrich Merz, liegt mit 13 Punkten knapp hinter ihm. Seine Haushaltsrede war demnach etwas unverständlicher.
Kommunikationswissenschaftlerin Thoms gibt allen Abgeordneten diese Tipps für eine verständliche Bundestagsrede: "Eine Wortwahl, die an meine Zielgruppe angepasst ist. Vielleicht auch eine aktive Sprache anstatt einer passiven. Also klar zu sagen: Wer ist denn jetzt für etwas verantwortlich."
Keine Floskeln und kein Fachchinesisch also. Aber selbst wenn sich das doch mal in den Text einschleicht: Wer die Rede dann immerhin noch gut vortrage, könne viel retten, sagt die Expertin.