Besuch in Kanada Was der Bundespräsident in der Arktis macht
Zum Abschluss seines Kanada-Besuchs ist Bundespräsident Steinmeier in den eisigen Norden geflogen. Hier zeigen sich die Folgen des Klimawandels besonders drastisch. Ein Besuch zwischen Erkenntnisgewinn und CO2-Abdruck.
"Arctic Ocean" steht auf einem großen blauen Schild an der Spitze der Halbinsel von Tuktoyaktuk. Überall Schnee und Eis. Der Ozean ist zugefroren. Aber das ist immer öfter nicht der Fall, sagt Erwin Elias, der Bürgermeister von Tuktoyaktuk. Wenn das Eis schmilzt, bedroht das die Küste:
"Hier standen mal Häuser. Aber weil die Küste erodiert, mussten die Menschen umgesiedelt werden." Das sei hart für sie, sagt der Bürgermeister. "Deshalb versuchen wir die Küste so lange es geht durch Barrieren zu schützen."
Hoch im Norden: Steinmeier und seine Frau Elke Büdenbender
Besuch mit 40-köpfiger Delegation
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier besucht die Inuit-Gemeinde an der kanadischen Polarmeerküste, um sich die Folgen des Klimawandels hier erklären zu lassen. Der Gast aus Deutschland und seine 40-köpfige Delegation werden nach einem Treffen mit dem Gemeinderat herumgeführt. Bei strahlendem Sonnenschein und Temperaturen um die minus zehn Grad. Oben der klare blaue Himmel, unten alles in Weiß. Diese eisige Schönheit sei bedroht, so Steinmeier. In etwa 50 Jahren werde es große Teile dieses Ortes nicht mehr geben.
"Es ist unglaublich, mit welcher Mühe und welchem Ehrgeiz sich die Menschen wehren gegen die Folgen des Klimawandels." Diese seien hier schon jetzt auf dramatische Weise zu sehen, so der Bundespräsident. "Das zeigt aber auch unsere Verantwortung und was von der Weltgemeinschaft noch zu tun bleibt."
900 Menschen leben hier
Steinmeier besucht Tuktoyaktuk zusammen mit der kanadische Generalgouverneurin Mary Simon, dem formellen Staatsoberhaupt Kanadas, der Vertreterin von König Charles. 900 Einwohner hat der Ort nördlich des Polarkreises, viele leben vom Fischfang oder von der Jagd.
Mit dabei in Steinmeiers Delegation ist Antje Boetius, die Direktorin des Alfred-Wegener-Instituts für Polar- und Meeresforschung in Bremerhaven. Das AWI untersucht hier in der Gegend regelmäßig die Böden, misst deren Eisstärke und beobachtet, wie sich die Küste und das Land durch das fortschreitende Abschmelzen des Eises verändern. "Die arktische Region ist diejenige, die sich auf der Erde am schnellsten erwärmt - vier Mal schneller als der globale Durchschnitt in den letzten 40 Jahren."
Blick in ein Iglu.
Meereis schützt die Küste - noch
Das Meereis sei ein natürlicher Küstenschutz ist, erläutert die AWI-Direktorin. Wo der Ozean selbst mit Eis bedeckt sei, könnten keine Wellen gegen das Land schlagen. Aber das Meereis schwinde mit 13 Prozent pro Dekade. "Und wo das Meereis weg ist, gibt es für die Wellen dann die Möglichkeit, direkt gegen die Küste zu schlagen und sich wirklich zig Meter pro Jahr zu holen."
Nach einer Analyse des Alfred-Wegener-Instituts hat der Klimawandel in der Arktis auch sicherheitspolitische Auswirkungen. Das schmelzende Eis erleichtere den Zugang zu Ressourcen wie Öl, Gas oder seltene Erden. Und das wecke neue Begehrlichkeiten - auch wenn es um neue Fischfanggebiete oder Schifffahrtswege geht.
Die kanadische Armee beobachtet verstärkte russische und auch chinesische Aktivitäten in der Region. So habe kürzlich ein chinesisches Forschungsschiff die Nordwestpassage durchfahren.
Aufwändige Anreise
Insgesamt vier Tage Zeit hat sich Bundespräsident Steinmeier für seinen ersten Kanada-Besuch genommen. Der Abstecher in die Arktis ist Abschluss und Höhepunkt zugleich. Schon die Anreise ist ziemlich aufwändig. Zuerst rund zweieinhalb Stunden Flug im Regierungsflieger, dem großen Airbus A350, von Vancouver nach Yellowknife, der Hauptstadt der kanadischen Nordwest-Territorien. Dort nach kurzem Zwischenstopp Umstieg auf ein kleineres, gechartertes Propeller-Flugzeug vom Typ ATR 72. Noch mal gut zweieinhalb Stunden Flug. Die große Präsidentenmaschine könnte auf dem kleinen Flugplatz von Tuktoyaktuk gar nicht landen.
Das erste Mal in der Arktis
Mit dabei in der Delegation eine Handvoll Journalisten, die Forschungsministerin Bettina Stark-Watzinger, drei Staatssekretäre und drei Bundestagsabgeordnete. Für alle ist es das erste Mal in der Arktis.
Unter Klimagesichtspunkten ist der Abstecher ins schmelzende Eis mit rund vierstündigem Aufenthalt durchaus zwiespältig. Viel Kerosin, um sich selbst ein Bild zu machen. "Man muss zwar überhaupt nichts gesehen haben, aber ich denke schon, dass es sinnvoll ist", sagt Dietmar Bartsch, der Vorsitzende der Linken-Fraktion im Bundestag. "Wir treffen ja Entscheidungen im Deutschen Bundestag, es ist eine Ehre den Bundespräsidenten zu begleiten."
Die CDU-Abgeordnete Silvia Breher hält den Austausch und das Vor-Ort-Erleben für wichtig. Denn Kanada betrachte den Klimaschutz wegen der eigenen Betroffenheit aus einer anderen Warte als Deutschland.
Und der SPD-Abgeordnete und Vorsitzende der Deutsch-Kanadischen Parlamentariergruppe, Bernd Rützel, betont, dass die Reise mit Respekt für die Inuit in Kanada zu tun habe. "Stellen Sie sich vor, in Deutschland würden alle Besucher nur in Berlin sein - aber nicht in München oder Hamburg."
Erst Wirtschaft, dann Klimakrise
Bundespräsident Steinmeier versucht auf der Kanada-Reise die Themen Klimawandel und Transformation der Wirtschaft zu verbinden. Vor dem Abstecher in der Arktis war eine große Wirtschaftsdelegation mit dabei in der Hauptstadt Ottawa und in der West-Küstenmetropole Vancouver. Dort auf dem Programm stand etwa der Besuch des Werks von Cellcentric, wo Daimler Trucks und Volvo Prototypen für zukünftige LKW-Antriebe mit Brennstoffzellen entwickeln. An der University of British Columbia geht es um die Wissenschafts-Zusammenarbeit für mehr Nachhaltigkeit.
"Klar ist, dass wir entschieden sein müssen auf dem Weg, CO2-Emissionen einzusparen und diese zu ersetzen durch andere und neuere Technologien", so der Bundespräsident. Und dazu brauche es die Zusammenarbeit mit Kanada auf allen Ebenen.
Der kurze Abstecher in die Arktis ist aus Steinmeiers Sicht daher wichtig, zumal er dazu von der kanadischen Generalgouverneurin eingeladen worden sei. Nicht jeder könne und solle in die Arktis reisen, so der Bundespräsident. "Deshalb müssen diese Reisen dazu dienen, die Informationen und auch die Gespräche, die wir mit den Inuit haben, weiter zu transportieren und die Sensibilität für die Klimafragen zu stärken."
Der Besuch in Tuktoyaktuk endet mit einem Empfang und Musikvorführungen im Gemeindezentrum. Der halbe Ort ist gekommen, der Saal ist voll. Freude über den Besuch an diesem sonnigen Tag. Auch wenn die Zukunft hier an der Polarmeerküste ungewiss ist.