Untersuchungsausschuss zu Strobl In Bedrängnis
Ein durchgestochenes Schreiben, nicht genehmigte Ermittlungen: Baden-Württembergs Innenminister Strobl muss sich einem Untersuchungsausschuss stellen und bringt damit auch Ministerpräsident Kretschmann in die Bredouille.
"Wir dürfen die übergeordneten Fragen von Machtmissbrauch und sexualisierter Gewalt nicht aus dem Blick verlieren," sagte der Grünen-Abgeordnete Oliver Hildenbrand Anfang Mai im Innenausschuss des Landtags von Baden-Württemberg. Denn tatsächlich geht es längst um anderes: Die politische Zukunft von Innenminister Thomas Strobl (CDU), der sich anhaltenden Rücktrittsforderungen aus der Opposition ausgesetzt sieht.
Es gehört zu den Eigenheiten des politischen Betriebs, dass manchmal nicht der eigentliche Skandal in seinem Haus den Minister in Bedrängnis bringt, sondern sein Umgang damit. Ursprünglich ging es um die sexuelle Belästigung einer Mitarbeiterin durch einen ranghohen Polizisten im baden-württembergischen Innenministerium. Er soll Anzüglichkeiten und eindeutige Aufforderungen in einem Videogespräch geäußert und mit möglichen Karrierechancen für die Mitarbeiterin verbunden haben.
Das Innenministerium ging der Sache nach, suspendierte den hohen Beamten und ging selbst damit an die Öffentlichkeit. Doch dann leistete sich Strobl wohl den entscheidenden Fehler: Er gab ein Schreiben des Anwalts des Beschuldigten an einen Journalisten weiter, in dem der Anwalt um ein Gespräch gebeten hatte, um ein Verfahren für seinen Mandanten zu vermeiden. Strobl räumte dies selbst ein - mit der Begründung, es sei ein "vergiftetes Angebot" gewesen, und "solche Deals" seien mit ihm nicht zu machen.
Strobls Gegenangriff
Juristen halten es dagegen für völlig normal, dass bei solchen Verfahren ein Ausgleich gesucht wird. Der Strafrechtler Yves Georg schrieb dazu auf "Legal Tribune Online": "Dass ein Rechtsanwalt in einem Verwaltungsverfahren ein Gesprächsangebot unterbreitet, um eine gerichtliche Auseinandersetzung abzuwenden, ist nicht 'vergiftet', sondern ein ganz alltäglicher Vorgang und als solcher wäre er sicher auch behandelt worden, lägen dem Disziplinar- und dem Strafverfahren nicht Vorwürfe sexualisierten Verhaltens zugrunde."
Was aber hat Strobl dann bewogen, den Brief weiterzugeben und die Kontaktaufnahme durch den Anwalt zu skandalisieren? Hinter vorgehaltener Hand vermuten Juristen und Landtagskorrespondentinnen, dass Strobl sich als obersten Aufklärer inszenieren wollte, dabei aber möglicherweise versäumt haben könnte, seine Schritte intern prüfen zu lassen. Vielleicht hat er auch den entsprechenden Rechtsparagrafen schlicht nicht gekannt, der die Weitergabe solcher Informationen aus einem laufenden Verfahren unter Strafe stellt.
"Maximale Transparenz"
Das wäre erstaunlich angesichts der vielen Juristen im Innenministerium - einschließlich des Ressortleiters Strobl selbst, der sich erst kürzlich als "Prädikatsjuristen" bezeichnete. All diese Fragen könnten in einem Untersuchungsausschuss geklärt werden, der jetzt im Landtag von Baden-Württemberg auf Antrag von FDP und SPD eingesetzt werden soll. Schon im Landtag selbst ging Strobl in die Offensive, und rechtfertigte die Weitergabe des Anwaltsschreibens mit "maximaler Transparenz". Ein Begriff, an dem er seitdem gemessen wird.
Für die Opposition liegt der eigentliche Skandal ohnehin woanders: Strobls Haus hat staatsanwaltschaftliche Ermittlungen gegen sein Haus wegen der Weitergabe des Briefes nicht genehmigt - dann stellte sich heraus, dass es der Minister selbst war, der das Schreiben an die Presse gab. Deshalb hat die FDP Strafanzeige erstattet, damit die Staatsanwaltschaft doch noch ermittelt.
Kretschmanns Mantra: "Das Schreiben liegt mir nicht vor"
Und der Ministerpräsident? Winfried Kretschmann (Grüne) versucht weiterhin, die Causa Strobl nicht zu seinem Problem werden zu lassen. Mantra-artig verweist Kretschmann auf das laufende Verfahren, das er grundsätzlich nicht kommentiere.
Bei einer in Stuttgart jetzt schon legendären Pressekonferenz sagte er auf bohrende Nachfragen hin mehr als 20 mal: "Das Schreiben liegt mir nicht vor." Das entfaltete eine solche unfreiwillige Komik, dass die Stuttgarter Deutschlandfunk-Korrespondentin es zusammenschnitt, und ein SWR-Journalist einen Remix mit Sommerhit-Potenzial daraus machte.
In der Zwickmühle
Jetzt hat der Ministerpräsident die Angelegenheit erstmals als "politische Belastung" bezeichnet: "Natürlich kostet es Kraft und Zeit, sich damit zu beschäftigen“, sagte Kretschmann nach einer Kabinettssitzung. Kretschmann ist in der Zwickmühle, denn Strobl war immer sein Garant auf CDU-Seite für eine funktionierende grün-schwarze Koalition. Ein Verlust seines verlässlichen Partners und Stellvertreters käme ihm sicher ungelegen, auch weil nicht absehbar wäre, welche Personalverschiebungen eine Ablösung Strobls nach sich ziehen würde. Unter Beobachtenden gilt jedenfalls nicht als ausgemacht, wer dann übernehmen würde.
Die Auswirkungen auf Bundesebene wären vielleicht nicht unmittelbar in der CDU spürbar: Im CDU-Bundesvorstand sitzt Strobl nicht mehr als stellvertretender Bundesvorsitzender, sondern nur noch als "beratender Teilnehmer". Aber sollte es je zu einem Rücktritt Strobls als stellvertretender Ministerpräsident kommen, wäre zumindest die CDU im Südwesten geschwächt.