Tempolimit-Debatte FDP bremst weiter
Vertreter von SPD und Grünen dringen erneut auf ein Tempolimit, um unabhängiger vom russischen Energiemarkt zu werden. Doch die FDP bleibt bei ihrem Nein - die Liberalen glauben nicht an den Nutzen einer solchen Maßnahme.
SPD und Grüne haben sich vor dem Hintergrund des Ukraine-Krieges erneut für ein Tempolimit auf deutschen Autobahnen stark gemacht. "In dieser Krise sollten wir das sofort machen, es spart unmittelbar Energie ein", sagte Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) dem Berliner "Tagesspiegel". Er forderte, "eingefahrene Dogmen" über Bord zu werfen. Ein Tempolimit sei ein mildes Mittel, um während des Ukraine-Kriegs Energie zu sparen. Grünen-Chefin Ricarda Lang hatte zuvor bereits ein zeitlich befristetes Tempolimit auf Autobahnen gefordert.
"Kostet nichts, hilft sofort"
Die stellvertretende Ministerpräsidentin Schleswig-Holsteins, Monika Heinold (Grüne), forderte die FDP auf, "ideologische Scheuklappen" abzulegen. "Das Tempolimit ist mehr als überfällig", sagte sie dem "Tagesspiegel". Sie erwarte außerdem, dass Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) das Tempolimit 130 "zur Chefsache macht", sagte Heinold.
Auch Bundesagrarminister Cem Özdemir betonte, ein Tempolimit sei eine wirksame Maßnahme zum Energiesparen. "Kostet nichts, hilft sofort", sagte der Grünen-Politiker im Bericht aus Berlin. Er setze auf die Kraft der Argumente, so Özdemir mit Blick auf den Koalitionspartner FDP. Man solle auch auf die Bevölkerung hören, die ein Tempolimit mehrheitlich befürworte. Die veränderte Weltlage erfordere auch ein Umdenken.
"Rein egoistisches Freiheitsgefühl"
Auch die SPD-Landesvorsitzenden von Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein, Thomas Kutschaty und Thomas Losse-Müller, schlossen sich dem Appell an. "Ich kann dem normalen Pendler nicht erklären, warum er den Sprit von denen subventionieren soll, die unbedingt mit 220 km/h unterwegs sein wollen und damit mehr verbrauchen", sagte Kutschaty, der am 15. Mai als Spitzenkandidat bei der Landtagswahl in NRW antritt. "Ein rein egoistisches Freiheitsgefühl geht so auf Kosten der Allgemeinheit", sagte Kutschaty in Richtung FDP.
Losse-Müller, der am 8. Mai bei der Wahl in Schleswig-Holstein antritt, sprach sich ebenfalls für ein Tempolimit aus. "Mit dieser Maßnahme werden wir schneller unabhängig von russischen Energieimporten", sagte er der Zeitung. "Und gleichzeitig löst das Tempolimit keine wirtschaftlichen Verwerfungen in Deutschland aus."
Widerstand der Liberalen
Vor dem Hintergrund des Ukraine-Kriegs sprachen sich zuletzt auch ein Bündnis aus deutschen Umweltverbänden sowie der Chef des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), Reiner Hoffmann, für ein Tempolimit auf deutschen Autobahnen aus. Der Deutsche Städtetag forderte die Bundesregierung vor wenigen Wochen ebenso auf, die Einführung eines Tempolimits zu prüfen - um Energie zu sparen. Laut einer Studie des Umweltbundesamtes könnten jährlich 2,1 Milliarden Liter fossile Kraftstoffe in Deutschland eingespart werden, wenn auf Autobahnen Tempo 100 und außerorts Tempo 80 gelten würde.
Beim jüngsten ARD-Deutschland-Trend sprachen sich 57 Prozent der Befragten für ein befristetes Tempolimit auf Autobahnen aus, 38 Prozent lehnten es ab.
Ein generelles Tempolimit scheiterte bisher vor allem am Widerstand der Liberalen. Die FDP hatte bereits in den Koalitionsverhandlungen mit SPD und Grünen ein Tempolimit auf Autobahnen abgelehnt. Auch bei dem von den Koalitionsspitzen kürzlich beschlossenen Maßnahmenpaket zur Entlastung und zum Energiesparen fehlte ein Tempolimit.
Die FDP beharrt auf ihrem Nein zum Tempolimit. "Die Debatte um ein Tempolimit muss sofort beendet werden, denn sie lenkt von dem ab, was jetzt wirklich zu tun ist", sagte Fraktionschef Christian Dürr dem "Tagesspiegel". "Die Auswirkungen einer solchen Maßnahme auf unsere Energiereserven wären gleich null", sagte er.