Bettina Stark-Watzinger
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Anfrage der Unionsfraktion 100 Fragen an die Bildungsministerin

Stand: 12.07.2024 05:05 Uhr

Die Union nimmt Bildungsministerin Stark-Watzinger wegen der "Fördermittelaffäre" mit einer kleinen Anfrage ins Visier. Bis Ende Juli müssen 100 Fragen beantwortet werden. Dem ARD-Hauptstadtstudio liegt die Anfrage vor.

Von Kilian Pfeffer, ARD-Hauptstadtstudio

"100 Fragen an …" war mal eine beliebte Fragereihe im Magazin der Süddeutschen Zeitung. Prominente wie Mick Jagger, Heidi Klum oder George Clooney bekamen in rasendem Tempo unerwartete Fragen gestellt - das Ergebnis war oft sehr unterhaltsam.

Ob sich die Union von diesem Fragenkatalog möglicherweise hat inspirieren lassen? Sie hat in einer kleinen Anfrage "100 Fragen zur Sachverhaltsaufklärung von Bundesministerin Bettina Stark-Watzinger zur sogenannten Fördermittel-Affäre" an die Bundesregierung geschickt.

Das Interesse dürfte allerdings weniger Unterhaltung sein als detaillierte Aufklärung und Druck auf die Ministerin. Nach diesen Fragen sollen offenbar keine Fragen mehr offen sein, oft beinhaltet eine Frage mehrere Unterfragen.

"War die Ministerin im Urlaub?"

Im Fokus des Interesses steht dabei der Zeitraum zwischen dem 7. und dem 16. Mai 2024, denn in diesem Zeitraum haben die zentralen Ereignisse der "Fördermittelaffäre" stattgefunden: die Veröffentlichung des offenen Briefes der Lehrenden der Berliner Hochschulen mit der Kritik an der polizeilichen Räumung des propalästinensischen Protestcamps am 8. Mai; die Erstellung einer Liste der Unterzeichner, die in Verbindung zum Ministerium stehen, am 10. Mai; der telefonisch erteilte rechtliche Prüfauftrag von Staatssekretärin a.D. Sabine Döring am 13. Mai; das Stoppen des, wie Döring es darstellt, missverstandenen Auftrags kurze Zeit später.

Hier hat es gleich die erste Frage in sich. "War die Ministerin im Zeitraum vom 7. Mai bis zum 16. Mai im Urlaub?", heißt es im Fragenkatalog. "Falls ja, wer von der Hausleitung hat die Ministerin in dieser Zeit vertreten? Falls nein, warum war die Ministerin über nach Ansicht der Fragesteller wesentliche Vorgänge in ihrem Haus (Auftrag von Staatssekretärin Döring) und in ihrer eigenen Leitungsabteilung (Auftrag der Pressestelle zur Anfertigung einer Liste mit Wissenschaftlern) nicht informiert?"

Details zur Liste mit Wissenschaftlern

Und um genau diese am 10. Mai erstellte Liste mit Wissenschaftlern und die Details um ihre Erstellung geht es immer wieder. Gab es Aufträge, Bitten oder Wünsche der Ministerin dazu? An welchem Tag hat sie davon erfahren? Wer hat auf wessen Weisung was in Gang gesetzt?

Es geht außerdem um Gespräche zwischen der Ministerin und ihrer Staatssekretärin, den verschiedenen Leitern ihrer Abteilungen, dem Leiter ihres Pressereferats und "wann und wie oft" sie gesprochen haben. Und: Es wird die Frage aufgeworfen, warum "die Pressestelle der Leitungsabteilung eine detaillierte Aufstellung mit personenbezogenen Daten angefordert (hat), obwohl sie diese personenbezogenen Daten für ihre Pressearbeit nicht verwenden darf".

"Die Wahrheit muss endlich auf den Tisch"

Ein Grund für den Frageeifer der Union dürfte auch in dem Auftritt der Ministerin vor dem Bildungsausschuss am 26. Juni begründet liegen. Dabei hatte Stark-Watzinger immer wieder ausweichend geantwortet.

Passend dazu schreibt Thomas Jarzombek, der bildungs- und forschungspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, mit geradezu staatsanwaltlicher Strenge: "Die Mehrheit der Fragen ist auch nach mehr als zwei Wochen nach dem Auftritt der Ministerin immer noch unbeantwortet. Eine Aussage von Prof. Döring wird unterbunden. Interne Nachrichten drohten im Ministerium gelöscht zu werden und mussten durch einen Gerichtsbeschluss gesichert werden. Es muss jetzt endlich die Wahrheit auf den Tisch."

Auch Kai Gehring von den Grünen, Vorsitzender des Bildungsausschusses, sieht den Vorgang als "schwerwiegend" an: Es sei Aufgabe der Leitung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF), "das verlorengegangene Vertrauen nachhaltig wiederherzustellen, dazu dient auch eine transparente vollumfängliche Aufarbeitung des Sachverhalts."

Warum befinden sich keine Wire-Chats in den Akten?

In den 100 Fragen wird ein weiterer interessanter Themenkomplex berührt, nämlich ob die Bundesregierung weiterhin ihre Rechtsauffassung aus dem Jahr 2019 zur "ordnungsgemäßen Aktenführung" teilt. Dieses Prinzip der "Aktenmäßigkeit" bedeutet, dass alle entscheidungsrelevanten Unterlagen und Bearbeitungsschritte eines Geschäftsvorfalls in einer Akte geführt werden müssen. Sie müssen auch vollständig, wahrheitsgemäß und nachvollziehbar dokumentiert werden, und es zählen alle Informationen, auch Telefonate oder SMS dazu.

Nachdem der Spiegel interne Chatprotokolle aus dem Ministerium veröffentlicht hat und das Verwaltungsgericht Köln die Löschung der Chats verbieten musste, ist die Frage 58 naheliegend, warum sich bei den bisher veröffentlichten Dokumenten des BMBF keine SMS oder Chats des Messengerdienstes Wire befinden. 

Viele Fragen zu Döring

Umfangreich wird schließlich auch nach dem gesamten Vorgang um Staatssekretärin a.D. Döring gefragt. Dabei geht es um den Auftrag zur rechtlichen Prüfung und die Frage, wie der Auftrag von wem zurückgenommen wurde, aber auch um die Mail, die Döring am 14. Juni geschrieben hatte, in der sie ein Missverständnis einräumt, und ob diese Mail abgestimmt worden sei.

Aufgeworfen werden auch die Fragen, welche Kosten den Steuerzahlern durch die Versetzung von Döring in den Ruhestand entstehen, ob und wann die Verschwiegenheitspflicht für Döring aufgehoben wird und warum sie sich nicht zu den ihr zu Last gelegten Vorwürfen äußern darf.

Wenig Zeit für Antworten

In einer Stellungnahme zu den Artikeln der vergangenen Tage hat das BMBF seine bisherige Sichtweise noch einmal untermauert. Ein Sprecher teilte schriftlich mit, über die Abläufe im Ministerium habe man Transparenz hergestellt. "Die Ministerin hat sich dazu ausführlich im Ausschuss und in der Regierungsbefragung geäußert. Eine angebliche persönliche Kommunikation kommentieren wir nicht." 

Angesichts der vielen Fragen scheint die Zeit bis zum 25. Juli - bis dann muss die Bundesregierung beziehungsweise das Ministerium antworten - knapp bemessen. Und: Wenn das die kleine Anfrage war - wie sieht dann erst eine große aus, die möglicherweise noch kommt?

Bianca Schwarz, ARD Berlin, tagesschau, 12.07.2024 06:45 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete BR24 am 12. Juli 2024 um 07:37 Uhr.