Olaf Scholz

Bruch der Ampel Kanzler Scholz will im Januar Vertrauensfrage stellen

Stand: 07.11.2024 00:10 Uhr

Nach dem Bruch der Ampelkoalition hat Bundeskanzler Scholz angekündigt, im Januar im Bundestag die Vertrauensfrage zu stellen. Für das Scheitern macht er Finanzminister Lindner verantwortlich - der wiederum dem Kanzler die Schuld gab.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat angekündigt, am 15. Januar im Bundestag die Vertrauensfrage zu stellen. Er sei sich mit Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) einig, dass Deutschland schnell Klarheit über den weiteren politischen Kurs brauche, sagte er am Abend in Berlin.

In den Sitzungswochen des Bundestags bis Weihnachten wolle er alle Gesetze zur Abstimmung stellen, die keinen Aufschub duldeten. Dazu gehören nach seinen Worten die Stabilisierung der Rente sowie Sofortmaßnahmen für die Industrie.

Scholz kündigte auch an, nun zügig auch das Gespräch mit Unionsfraktionschef Friedrich Merz (CDU) zu suchen. Er wolle Merz anbieten, in zwei oder gerne auch noch mehr Fragen, "die entscheidend sind für unser Land, konstruktiv zusammenzuarbeiten: Bei der schnellen Stärkung unserer Wirtschaft und unserer Verteidigung", sagte der Kanzler.  Die Wirtschaft könne nicht warten, bis Neuwahlen stattgefunden hätten, ergänzte Scholz.

Scholz begründet Lindner-Entlassung mit Vertrauensbruch

Zuvor hatte Scholz die Entlassung von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) bekanntgegeben und diesem schwere Vorwürfe gemacht. Lindner gehe es um die eigene Klientel und um das kurzfristige Überleben der eigenen Partei. Die Unternehmen im Land bräuchten Unterstützung, sagte Scholz mit Blick auf die schwache Konjunktur und hohe Energiepreise. Er verwies zudem auf die internationale Lage mit den Kriegen in Nahost und der Ukraine.

"Wer sich in einer solchen Lage, einer Lösung, einem Kompromissangebot verweigert, der handelt verantwortungslos. Als Bundeskanzler kann ich das nicht dulden." Scholz wollte mit Blick auch auf die Folgen des Ukraine-Kriegs ein Aussetzen der Schuldenbremse. Das lehnte die FDP ab.

Scholz warf Lindner vor, in der gemeinsamen Regierungszeit Kompromisse durch öffentlich inszenierten Streit übertönt und Gesetze sachfremd blockiert zu haben. "Zu oft hat er kleinkariert parteipolitisch taktiert. Zu oft hat er mein Vertrauen gebrochen." Es gebe keine Vertrauensbasis für die weitere Zusammenarbeit. Ein solches Verhalten wolle er dem Land nicht weiter zumuten.

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Lindner weist Scholz Schuld zu

In einem späteren Statement machte wiederum Christian Lindner den Bundeskanzler für das Scheitern der Ampel-Koalition verantwortlich. "Olaf Scholz hat leider gezeigt, dass er nicht die Kraft hat, unserem Land einen neuen Aufbruch zu ermöglichen", sagte er. Lindner warf Scholz vor, die Zusammenarbeit mit ihm und der FDP aufgekündigt und damit einen "kalkulierten Bruch dieser Koalition" herbeigeführt zu haben.

"Damit führt er Deutschland in eine Phase der Unsicherheit", kritisierte Lindner. Der FDP-Chef schilderte aus seiner Sicht den Hergang des Koalitionstreffens, das zum Bruch der "Ampel" geführt hat. "Scholz hat heute Nachmittag ultimativ von mir verlangt, die Schuldenbremse des Grundgesetzes auszusetzen", sagte Lindner. "Ich konnte nicht zustimmen, weil ich sonst meinen Amtseid verletzen würde."

Der FDP-Chef warf den ehemaligen Koalitionspartnern SPD und Grüne vor, die Vorschläge der FDP zur Belebung der Wirtschaft "nicht einmal als Beratungsgrundlage" akzeptiert zu haben.

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Minister reichen geschlossen Rücktritt ein

Die FDP zog alle ihre Minister aus der Ampel-Regierung ab, wie Fraktionschef Christian Dürr nach einer Fraktionssitzung der Liberalen ankündigte. Verkehrsminister Volker Wissing, Justizminister Marco Buschmann und Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger reichten demnach ihren Rücktritt ein.

Von seiner Fraktion erhielt Lindner Rückendeckung. Dürr sagte, die Entscheidung Lindners, auf die Forderung von Scholz zu einem Aussetzen der Schuldenbremse nicht einzugehen, werde einstimmig unterstützt. Es habe dazu Beifall im Stehen gegeben. Lindner habe das Richtige für wirtschaftliche Prosperität gefordert. "Für beides wurde Christian Lindner entlassen, sowohl für seine Vorschläge für die deutsche Wirtschaft als auch für ein Ablehnen des Aussetzens der Schuldenbremse. Ich glaube, selten war ein solcher Schritt wie der von Christian Lindner ein Beleg für Prinzipientreue und Mut", sagte Dürr.

Zu einer erwarteten Neuwahl sagte Dürr, Lindner sei Parteivorsitzender. Er gehe fest davon aus, dass Lindner auch der nächste Spitzenkandidat der Freien Demokraten sein werde.

Habeck bedauert Bruch der Koalition

Kurz davor war bereits Vizekanzler Robert Habeck vor die Presse getreten. Dabei erklärte er, den Bruch des Regierungsbündnisses mit SPD und FDP zu bedauern. Dies fühle sich "falsch und nicht richtig" an, sagte er vor dem Tor des Kanzleramts.

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Nach der Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten müssten Deutschland und Europa Handlungsfähigkeit zeigen. Es hätten Lösungsmöglichkeiten auf dem Tisch gelegen. Die größte Lösung wäre nach seinen Worten gewesen, der Ukraine mehr Unterstützung zu geben. Die FDP sei nicht bereit gewesen, diesen Weg zu gehen. Die Entlassung von Finanzminister Lindner sei letztlich so folgerichtig wie unnötig gewesen."Wir werden jetzt zügig den Weg für Neuwahlen freimachen", sagt Habeck.

Lindner und seiner Partei warf er vor, in den vergangenen Wochen einen Weg aus der Koalition gesucht zu haben. In den tagesthemen verwies Habeck zur Begründung auf das Konzeptpapier Lindners zur Wirtschaftspolitik. Der Vizekanzler kritisierte das darin geforderte längere Festhalten an fossilen Energien und den Abbau sozialer Sicherungen. "Da können die sich nicht wundern, dass wir da, dass ich da nicht mitgehen." Das habe man als Provokation empfinden müssen. Habeck betonte, als Regierungsmitglieder sei man nicht in erster Linie der Partei oder seinem persönlichen Ansehen verpflichtet. "Wir hätten nicht auf unsere Wahlprogramme und vielleicht die nächste Wahl schauen müssen, wie man das unterstellen muss", sagte er in Richtung FDP.

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Zuvor hatten die Spitzen von SPD, Grünen und FDP zweieinhalb Stunden beraten, um Wege aus der Ampel-Krise zu finden. Im Kern ging es darum, wie das Milliardenloch im Haushalt 2025 gestopft und die schwer angeschlagene deutsche Wirtschaft wieder auf Trab gebracht werden kann.