Vier-Tage-Woche Die Politik hält sich raus
In den Bundestagsparteien herrschen verschiedene Ansichten über den Sinn einer Vier-Tage-Woche. Einigkeit scheint es aber darüber zu geben, dass Arbeitgeber und Gewerkschaften die besten Modelle ausarbeiten sollten.
Jessica Hansen ist so etwas wie das Gesicht der Vier-Tage-Woche. Die Malermeisterin hat bereits 2022 das Konzept eingeführt und war damals damit Pionierin. Seitdem sitzt sie in Talkshows und empfängt Politikerinnen und Politiker bei sich im Betrieb, die sich mal anschauen wollen, wie das so funktioniert.
Arbeitsminister Hubertus Heil etwa war schon da. Er zeigte sich angetan und machte gleichzeitig klar, das könne keine Schablone für alle Betriebe sein. Die Vier-Tage-Woche ist für die Politik ein sensibles Thema. Sie polarisiert. Viele Arbeitnehmer wollen sie, viele Arbeitgeber fürchten sie.
Als Hansen die Vier-Tage-Woche einführte, fehlten ihr Fachkräfte. Sie wollte die Arbeit in ihrem Unternehmen attraktiver machen und als Mutter wusste sie, dass gerade für Frauen mit Kindern flexibles arbeiten wichtig ist, keine starren Fünf-Tage-Regelungen.
Mit weniger Stunden die Produktivität steigern?
Der Freitag war sowieso nie ein besonders attraktiver Arbeitstag, meint Hansen: "Bei uns ist die Produktivität auf jeden Fall gestiegen. Am Freitag ist wirklich nie viel passiert. Man denkt schon ans Wochenende, muss ich noch einkaufen? Was muss ich noch machen?"
Produktivität steigern und gleichzeitig weniger Stunden arbeiten - dass das funktionieren könnte, legen auch erste Untersuchungen von Pilotprojekten aus den USA und Großbritannien nahe. Skepsis kommt vom CDU-Politiker und Sprecher des Mittelstands Christoph Ahlhaus: "Das ist Unfug. Da kann man auch sagen, warum nicht drei Tage und 50 Prozent mehr Produktivität. Irgendwann arbeiten wir gar nicht mehr und haben noch mehr Produktivität."
Überhaupt sei die Diskussion eine "Gespensterdebatte, völlig zur falschen Zeit", so Ahlhaus. Man müsse jetzt Leistung erbringen und nicht die sogenannte Work-Life-Balance noch mehr in Richtung "Life" bewegen.
Die großen Fragen aufmachen
Was mancher als Gespensterdebatte bezeichnet, sehen andere genau andersrum. Gerade jetzt mitten in der Wirtschaftskrise sei die Zeit, die großen Fragen aufzumachen, die Wirtschaft komplett neu aufzustellen und nicht an alten Denkmustern festzuhalten.
Der ebenso umstrittene wie erfolgreiche Geschäftsmann Carsten Maschmeyer sieht im Interview mit dem ARD-Hauptstadtstudio gerade die starre Fünf-Tage-Woche als einen Grund, warum Deutschland in der Wirtschaftskrise verharrt. Es müsse kreativer und effizienter gearbeitet werden: "Viele Meetings in vielen Berufen dauern viel zu lange, könnte man kürzer machen oder gleich ganz streichen. Eine Methode kann sein, dass wir kreativer und produktiver werden. Dazu braucht man Ausgleich. Sportler brauchen auch ihre Ruhetage."
Präsenz in manchen Bereichen erforderlich
In der Politik schwelt die Debatte seit einiger Zeit. Die Grünen sind der Vier-Tage-Woche gegenüber grundsätzlich eher positiv eingestellt. So erklärt der Fraktionsvize Andreas Audretsch gegenüber dem ARD-Hauptstadtstudio: "Gerade wenn wir das große Potential bei Frauen stärker heben wollen, sind flexible Arbeitszeiten, die ins Leben passen, von größter Bedeutung. Dazu können auch Modelle gehören, bei denen nur an vier Tagen gearbeitet wird."
Anders sieht es der Koalitionspartner FDP: Deren Sprecher für Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik, Pascal Kober, sieht in der Vier-Tage-Woche gesamtgesellschaftlich keine Option und verweist auch auf Ungerechtigkeiten, da nicht in allen Bereichen die verringerte Arbeitszeit durch eine angenommene Produktivitätssteigerung ausgeglichen werden könne, sondern eine Präsenz des Arbeitnehmers erforderlich sei - beispielsweise in der Pflege oder in der Polizei.
"Gesetz von Angebot und Nachfrage"
Einigkeit scheint aber bislang darüber zu herrschen, dass die Arbeitgeber und Gewerkschaften die besten Modelle ausarbeiten und die Politik sich heraushalte. Unternehmer Maschmeyer glaubt, dass sich am Ende die Vier-Tage-Woche ohnehin durchsetzen werde. "Irgendwann ist es soweit, dann ist der Damm gebrochen. Und dann werden die, die das nicht haben, ihren Chefs und Chefinnen sagen: Entweder kriegen wir auch Vier-Tage-Woche oder wir wechseln. Das ist ein Gesetz von Angebot und Nachfrage."
Die Malermeisterin Jessica Hansen wird in jedem Fall an der Vier-Tage-Woche festhalten. Sie macht aber auch klar, dass das Konzept kein Allheilmittel sei. Denn auch sie habe mit der Wirtschaftskrise und einer mauen Auftragslage zu kämpfen.