Wohngeldreform Schaffen die das?
Die Kommunen rechnen ab Januar mit dreimal so vielen Anträgen auf Wohngeld. Viele sind ratlos, wie sie die Mehrarbeit stemmen sollen.
Es ist nur eines von sehr vielen Telefonaten, das Katja Rittsteiger an diesem Tag in der Wohngeldstelle in Würzburg führt. In der Leitung: Ein Kunde, dessen Antrag jetzt knapp abgelehnt wurde. Wegen einer Gehaltserhöhung sei er aus dem Wohngeldbezug ausgeschieden, erklärt sie. "Aber ab Januar hat er voraussichtlich wieder einen Anspruch." Kein Einzelfall.
Bisher sind in Würzburg etwa 1700 Menschen anspruchsberechtigt - mit der von Bund und Ländern beschlossenen Wohngeldreform könnten es 5000 Menschen werden. Im Schnitt braucht das Team um Rittsteiger vier Wochen, um einen Antrag zu bearbeiten - noch. Ab Januar werde sich das ändern, befürchtet sie. "Es werden alle Berechtigten ihr Geld bekommen, definitiv. Aber nicht so schnell wie gewohnt", sagt Rittsteiger. Sie rechnet mit großen Verzögerungen bei der Auszahlung, wie auch andere Städte und Gemeinden in Deutschland.
Personal, Zeit und Software fehlen
Denn Personalnot sei längst auch in der Verwaltung angekommen. In Würzburg wurden jetzt neue Stellen geschaffen, um die Mehrarbeit stemmen zu können. Drei Sachbearbeiter und fünf Assistenzkräfte beginnen teils direkt zum Jahreswechsel in der Wohngeldstelle. Personal, das zunächst eingearbeitet werden müsse, sagt Rittsteiger. Eine Doppelbelastung für das bestehende Team.
Für die Neuen hat die Stadt sechs Arbeitsplätze eingerichtet und dafür zwei Besprechungsräume aufgelöst -nicht das einzige logistische Problem: Wie in allen anderen Kommunen ist die Software zur automatischen Bearbeitung der Anträge noch nicht fertig. Der Bayerische Städtetag schätzt, dass sie erst im Laufe des kommenden Jahres einsetzbar sein wird.
Der Gesetzesentwurf sei zu spät gekommen, kritisiert deshalb der Städtetags-Vorsitzende Markus Pannermayr (CSU): "Unsere Sorge ist, dass die große Erwartungshaltung, die von Seiten des Bundes geweckt wurde, vor Ort enttäuscht werden wird." Er hätte sich gewünscht, dass Erfahrungen aus der Praxis in die Bundesgesetzgebung einbezogen worden wären.
Mehr Berechtigte und mehr Geld
Deutschlandweit erwartet die Bundesregierung, dass mit dem neuen "Wohngeld-Plus-Gesetz" dreimal so viele Haushalte, Anspruch auf den Mietzuschuss haben. Bislang sind das 600.000 - ab dem 1. Januar könnten zwei Millionen Haushalte werden. Außerdem wird die Höhe des Wohngeldes angehoben: Die Bezieher erhalten dann im Schnitt monatlich anstatt 177 Euro rund 370 Euro.
Künftig werden erstmals auch die Heizkosten bezuschusst. Aber auch die Bruttokaltmiete wird wesentlich stärker als bisher bezuschusst. Zudem wird eine Klimakomponente eingeführt, um die Mieterhöhungen wegen energetischer Gebäudesanierungen zu berücksichtigen.
Sowohl Mieter als auch Eigentümer, die über ein geringes Einkommen verfügen, können Wohngeld beantragen. Wer Arbeitslosengeld 2 bzw. zukünftig Bürgergeld bezieht, erhält kein Wohngeld, weil das in diesen Sozialleistungen bereits einberechnet ist. Das gilt auch für Studierende, die BaföG bekommen.
Aber Menschen, die den Mindestlohn erhalten, können Wohngeld beantragen. Auch Rentner mit einer vergleichbar niedrigen Rente. Wer eine Wohnung oder ein Haus besitzt, hat ebenfalls Anspruch, soweit die Voraussetzungen erfüllt sind. Das heißt Lastenzuschuss.
In einer komplizierten Rechnung wird von den Behörden vor Ort ermittelt, wer Geld erhält Dabei spielen das Einkommen, die Höhe der Miete, der Wohnort und die Zahl der im Haushalt lebenden Personen eine Rolle.
Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) hat Beispielrechnungen vorgelegt. Demnach bekäme ein Rentner in Berlin mit einer monatlichen Rente von 1259 Euro brutto und einer Kaltmiete von 500 Euro monatlich künftig 252 Euro Mietzuschuss - 178 Euro mehr als bisher. Für eine vierköpfige Familie in München mit einem Bruttoeinkommen von 2386 Euro und einer Kaltmiete von 1000 Euro steige das Wohngeld von 481 auf 804 Euro.
Hilfe bei Antragstellung
Der Mietzuschuss des Staates fließt nicht automatisch. Die Bürger müssen aktiv werden und einen Antrag bei der Wohngeldbehörde ihrer Kommune stellen. Mit ein paar Angaben ist es dabei nicht getan. Das Ausfüllen ist kompliziert. Im Netz finden sich eine Vielzahl von Tipps und Adressen rund um das Wohngeld, unter anderem auf den Homepages der zuständigen Bundes- und Landesministerien. Ansprechpartner sind auch die Wohngeldbehörden vor Ort. Sozialverbände bieten ihre Hilfe an - aber nicht immer kostenlos. Der Deutsche Mieterbund hilft ebenfalls weiter - allerdings muss man für eine persönliche Beratung Mitglied sein.