Baupreise und Förderpolitik Warum zu wenige Wohnungen gebaut werden
In Deutschland ist die Zahl neu gebauter Wohnungen erstmals seit langem gesunken. Dabei werden wegen der Zuwanderung viel mehr benötigt. Setzt die Bundesregierung mit ihrer Förderpolitik die falschen Anreize?
Deutschland wächst durch Zuwanderung. Doch die Zahl der Wohnungen hält mit dem höheren Bedarf nicht Schritt. Gerade der Sozialwohnungsbereich bleibt weit hinter den Zielen der Bundesregierung zurück.
Das vergangene Jahr brachte die Wende. Aber nicht die Wende hin zu den 400.000 neuen Wohnungen, die sich die Bundesregierung zum Ziel gesetzt. Im Gegenteil: Nach Berechnungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung ist das reale Bauvolumen 2022 erstmals seit Jahren gesunken, um rund zwei Prozent. Die Zahl der neu gebauten Wohnungen dürfte auf rund 280.000 gefallen sein, schätzt der Zentralverband des Deutschen Baugewerbes.
Höhere Kosten, höhere Zinsen - und weniger Förderung
Bauministerin Klara Geywitz (SPD) macht dafür vor allem die gestiegenen Baukosten verantwortlich. Dies habe es vielen Bauträgern schwer gemacht, neue Projekte zu entwickeln. Dazu kommen die höheren Zinsen für Baukredite, die vor allem privaten Häuslebauern zu schaffen machen.
Viele in der Branche sehen aber auch eine Mitverantwortung der Politik. So ist die klassische Wohnungsbauförderung fast zum Erliegen gekommen. Geld vom Staat gibt es fast nur noch für klimagerechte Sanierungen. Mehr als 13 Milliarden Euro sind dafür in diesem Jahr vorgesehen, sie liegen im Haushalt von Wirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck. Der Neubau wird dagegen lediglich mit einer Milliarde Euro gefördert - aus dem Etat der Bauministerin.
Ein Missverhältnis, beklagt Felix Pakleppa, Hauptgeschäftsführer des Zentralverbands Deutsches Baugewerbe. Er erinnert daran, dass der Neubau im ersten Halbjahr 2022 noch mit zehn Milliarden Euro gefördert wurde. Angesichts der höheren Baukosten und der gestiegenen Zinsen würde gerade jetzt die Förderung gebraucht.
Auch der soziale Wohnungsbau verfehlt die Ziele
Zusätzliches Geld gibt es vom Bund zwar für den sozialen Wohnungsbau - die jährliche Förderung wurde von Bauministerin Geywitz von einer auf zwei Milliarden Euro erhöht. Doch das reiche bei weitem nicht aus, urteilt Matthias Günther, Leiter des Pestel-Instituts und Autor einer neuen Studie unter dem Titel "Wohnen in der Krise". Denn die Baukostensteigerungen würden einen Großteil der Förderung gleich wieder kompensieren. Anders gesagt: Mit der gleichen Menge an Förderung können weniger neue Sozialwohnungen gebaut werden als noch vor zwei Jahren.
Die Folge: Auch der Sozialwohnungsbau kommt nicht von der Stelle. Anstatt der von der Bundesregierung angepeilten 100.000 neuen Sozialwohnungen wurden im vergangenen Jahr nur rund 20.000 Sozialwohnungen gebaut.
Höherer Bedarf durch Zuwanderung
Dabei würden gerade jetzt mehr Sozialwohnungen gebraucht, sagt Günther - und verweist auf die Zuwanderung. Nach einer Nettozuwanderung von gut 200.000 Menschen im Jahr 2020 und mehr als 300.000 Menschen im Jahr 2021 dürften im vergangenen Jahr 1,5 Millionen Menschen mehr nach Deutschland gekommen als weggezogen sein - genau das besagt der Begriff der Nettozuwanderung. "All diese Menschen brauchen Mietwohnungen", sagt Pestel.
Das Bündnis "Soziales Wohnen", in dem sich unter anderem der Deutsche Mieterbund und die Gewerkschaft IG BAU zusammengeschlossen haben, fordert vor diesem Hintergrund eine deutliche Aufstockung der staatlichen Hilfen.
Der Zentralverband Deutsches Baugewerbe plädiert darüber hinaus für eine Unterstützung für junge Familien, die sich ein Eigenheim bauen wollen. "Wir brauchen ein Nachfolgemodell für das Baukindergeld", sagt Hauptgeschäftsführer Pakleppa. Eine Möglichkeit sei, die Grunderwerbsteuer zu senken.
Geywitz: Produktivität im Bausektor steigern
Bauministerin Geywitz setzt zwar auf weitere Förderung - aber nicht allein durch zusätzliche Gelder. Sie verweist darauf, dass die Bautätigkeit schon in den vergangenen Jahren an ihre Grenzen gekommen sei: Deshalb könne man nicht immer nur mehr Geld in das System geben, weil dies bei begrenzten Kapazitäten nur die Preise weiter anheizen würde, sagt sie im Gespräch mit dem ARD-Hauptstadtstudio.
"Wir müssen vielmehr die Produktivität steigern, um die Kapazitäten im Bausektor auszubauen." Chancen sieht sie in der weiteren Digitalisierung der Branche. Außerdem arbeite die Bundesregierung daran, Genehmigungs- und Planungsverfahren zu vereinfachen.
Bauministerin Klara Geywitz besucht ein Projekt für "seriellen und modularen Wohnungsbau" in Berlin-Neukölln (Archiv).
Wie viel Klimaschutz muss sein?
Ein großes Streitthema sind aber auch die Klimaschutzvorgaben. Beispielsweise werden zusätzliche Abschreibungsmöglichkeiten, mit denen der Neubau ab diesem Jahr gefördert werden soll, an die Einhaltung des Energieeffizienzstandards EH 40 geknüpft. Dies macht die Förderung für viele Investoren unattraktiv.
Auch die Vorgaben im sozialen Wohnungsbau seien zu streng, beklagt Felix Pakleppa vom Zentralverband Deutsches Baugewerbe: Wenn die Regierung kleine Abstriche bei ihren ehrgeizigen Klimaziele mache, könnte man den Wohnungsbau schneller flottbekommen; mit der aktuellen Förderung von zwei Milliarden Euro für den sozialen Wohnungsbau könnten dann mehr Wohnungen gebaut werden.
Beratungen mit den Verbänden
Bauministerin Klara Geywitz widerspricht und verweist auf die steigenden Energiekosten: Klimaschutzmaßnahmen würden helfen, die Nebenkosten zu begrenzen. Was freilich nur für die Haushalte relevant ist, die nicht als Bürgergeld-Empfänger den größten Teil der Energiekosten bezahlt bekommen.
Zugleich betont die SPD-Politikerin, dass sie die Sorgen der Bau- und Wohnungswirtschaft ernstnehme. Am Freitag will sie hinter verschlossenen Türen mit Vertretern von 17 Verbänden sprechen, die im Dezember in einem gemeinsamen Appell unter der Überschrift "Dramatische Lage im Wohnungsbau" eine Kurskorrektur in der Baupolitik gefordert haben. Das Ziel der Bundesregierung, jährlich 400.000 neue Wohnungen zu bauen, drohe ansonsten zum "Wunschdenken" zu werden, hieß es in dem Appell.